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von der Graukopf-Lesung am 24. Juni 2009
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Frauenbeirat
der Stadt Maintal verurteilt zwei Satiren als extrem
frauenfeindlich |
Meine
Satiren erscheinen auch in der Maintaler Seniorenzeitung 60 AUFWÄRTS und
erfreuen dort viele Senioren und Seniorinnen, weil sie mitten aus dem
Leben gegriffen sind. Allgemein werden die Satiren als Bereicherung
angesehen. Frau Jeanette Kovacevic aus Maintal schrieb am
4.9.09 einen Leserbrief mit folgendem Inhalt:
Liebe
Redaktion der Seniorenzeitung "60 AUFWÄRTS",
ich
bin zwar noch keine 60, trotzdem erlaube ich mir, Ihnen ein großes
Lob auszusprechen!
Hin
und wieder lese ich Ihre eigentlich für alle Bürger und
Altersgruppen sehr informative und vielseitige Zeitung.
Ich
persönlich finde die "humorvolle Umgangssprache" mit oft
weniger lustigen Lebensphasen einfach genial!
Gerade
der Beitrag "Klimakterium und auch noch Vollmond" ist
super gelungen! Ich musste schallend lachen, und doch ist alles
korrekt beschrieben... . Kompliment! Weiter so!
MfG
J.
Kovacevic
|
Ganz
anders sieht das der Frauenbeirat der Stadt Maintal, der sich
lobenswerterweise um viele Frauen verdient macht und einsetzt, die in Not
und Bedrängnis sind. Sie beschwerten sich beim Bürgermeister und beim Ersten
Stadtrat über zwei angeblich "frauenfeindliche" Artikel.
Hier
ein Auszug aus dem Schreiben:
|
...Ferner
ist uns aufgefallen, dass Spaßartikel auf Kosten von Frauen
Bestandteil einzelner Artikel sind. Wird sich in der vorletzten
Ausgabe über Witwen amüsiert, so befasst sich der Artikel der
aktuellen Ausgabe mit Frauen im Klimakterium.
Es
ist mehr als billig, was da den Leserinnen und Lesern zum Besten
geboten wir. Durch einen Artikel wie diesen wird ein Frauenbild
vermittelt, gegen das wir uns auf schärfste zur Wehr setzen.
Beschämend finden wir, dass die durch die Stadt Maintal finanzierte
Zeitschrift sich so an die älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger
unserer Stadt richtet, Was sollen die Leserinnen bloß denken, wenn
sie diese Artikel lesen?
Darf
es sein, dass sich Einzelne öffentlich über eine Gruppe in unserer
Gesellschaft derart lustig machen dürfen - und das wird dann auch
noch mit Steuergeldern finanziert?
Wenn
der Schreiber dieser Artikel Probleme mit älteren Frauen hat, dann
muss er individuell mit sich ins Reine kommen. Es ist
unwürdig gegenüber einer ganzen Generation Frauen, sich auf solche
Art über sie lustig machen zu dürfen.
|
|
Der
Frauenbeirat fordert anschließend den Magistrat auf, dafür zu sorgen,
dass zukünftig derartige Artikel nicht mehr erscheinen.
Unterzeichnet
wurde das Elaborat von Roswitha Gnoth, Christina
Biermann-Müller und Monika Vogel.
Der
Seniorenbeirat als Herausgeber der Seniorenzeitung 60 AUFWÄRTS
missbilligte das Schreiben als überzogen, ließ es jedoch als freie
Meinungsäußerung gelten.
Sie
sehen, werte Leser, wie falsch Satiren interpretiert werden. Leider stellt
sich der Frauenbeirat insgesamt mit dieser Aktion in ein falsches Licht.
Viele der Aktivistinnen stehen mitten im Leben und sind sicher auch
humorvoll und intelligent genug, zu verstehen was sie lesen. Es mag
Emanzen der ersten Stunde geben, die darin Munition im ewigen Kampf gegen
die verruchte Männerwelt sehen und dies in ohnmächtigem Zorn äußern.
Die übrigen Frauen sollten sich davon jedoch nicht mitreißen lassen.
Ein
Hinweis an den harten Kern derart aggressiver Frauenarbeit sei noch
gestattet:
Noch
besteht unsere Gesellschaft aus einem Überschuss an Frauen und sie sind
deshalb verstärkt thematisch präsent. In
Partnerschaften leiden mindestens ebenso viele Männer wie Frauen unter
bestimmten Situationen. Man muss diese Situationen so ansprechen können,
dass sie nicht zu Herabwürdigungen führen.
Eigentlich
müsste man in manchen Situationen auch bedrängte Männer schützen.
Einen
Männerbeirat findet man in Maintal allerdings vergebens.
|
|
Vor
dem Lesen dieser Satiren wird gewarnt!
Bei
Frauenaktivistinnen und humorlosen Menschen können
Nebenwirkungen auftreten, die womöglich irreparabel sind.
Beschwerden
richten Sie bitte direkt an mich - "da werden Sie geholfen..." |
Zur
Orientierung
Die
obigen Links führen Sie in verschiedene Themenbereiche, die verdeutlichen sollen, wie die Generation
vor den
eigentlichen Senioren denkt und empfindet. Den Senioren im hohen Alter sollen
damit auch von anderer Seite als von den Angehörigen einmal Eindrücke geschildert werden, die sie
den nächsten Verwandten oft nicht abnehmen oder selbst einfach nicht
wahrhaben wollen.
Das
soll keine Schelte sein sondern die kritische Sicht eines Graukopfes mit
einschlägigen Erfahrungen, die zum Nachdenken anregen soll. Gleichzeitig soll
es all denen eine Hilfe sein, die womöglich an die Einmaligkeit ihres eigenen
Problemkreises glauben.
Der
demografische Wandel ist in aller Munde und unsere Politiker zerbrechen
sich bereits die Köpfe darüber, wie sie mit den Senioren fertig werden.
Angeblich sollen die Senioren das Problem der Zukunft sein. Bis zu ihrem
Ruhestand lösten sie allerdings ihre eigenen Probleme und bereits viele
Probleme für die heutige Generation.
Nun werden sie
angeblich selbst zum
Problem - dumme Sache!
Senioren
haben allen Grund, auf jüngere Menschen zu zu gehen, sie behutsam in
ihre zukünftige Welt herüberzuführen und ihnen dabei klar zu machen, dass sie mit
allen Entscheidungen, die sie jetzt gegen die Senioren treffen, auch an
ihrer eigenen Zukunft arbeiten - dem Leben im Alter. Das Alter kommt
ohnehin schneller, als man denkt!
Alt
sein will niemand - alt werden will jeder...
Das
Raffinierte daran ist, dass man stufenweise oder gleitend aufs Altenteil driftet
und stets als Jüngster in der Gesellschaft ankommt, der man
zukünftig angehört.
Flott und mit Power mischt man sich unter die
Generation der eigenen nahen Zukunft und macht seine Späße über
neue
Eindrücke einer neuen Welt. Ehe man es sich versieht wird man vom
Sog erfasst und es ist verdammt schwer, dem immer schneller
werdenden Prozess gegenzusteuern. Hier hilft eine Art Benchmarking,
mit der man den unfreiwilligen Integrationsprozess erlebt.
Auf
der anderen Seite ist es verlockend, noch eine ganze Zeit lang zu leben,
wo doch der Ruhestand völlig neue Möglichkeiten bietet. Also stellt man
sich der gegenläufigen Entwicklung zwischen verändertem Erlebensdurst
und neuem Kräftemanagement, das zum Haushalten zwingt.
Die
Umorientierung verläuft in der Regel überall gleich ab. Einer
der Gründe dafür ist, dass man immer weniger Kraft einsetzt, sich dagegen zu stemmen.
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Wie
man "Graukopf" wird
Es
wäre zu einfach, Grauköpfe nur an ihrer Haarfarbe erkennen zu wollen. Wir
haben genug Beispiele um uns herum, die das Gegenteil belegen. Das weibliche
Geschlecht tut sich besonders schwer damit, dem Alterungsprozess mit
Würde Rechnung zu tragen. Daran sind natürlich die Männer schuld, die im ungefähr gleichen Alter
jüngeren Dingern nachschauen
und sich womöglich auch noch Chancen ausrechnen. Da muss so manche
Frau gegensteuern und die Friseure verdienen kräftig an den
optischen Verjüngungsaktionen. Die "jungen Dinger"
dagegen wechseln ihre Haarfarbe ständig nur, um IN zu sein. Das ist eine ganz
andere Dimension und eine andere Liga, in der sie spielen. Der Kampf der
herausgeputzten Seniorinnen ist
bereits verloren, ehe er überhaupt begann.
Es
gibt aber auch genügend Männer (geschlechtlich gesehen), die mit
charmanten Cognac-Tönen oder Schwarz wie die Spanier inkontinent durch
die Gegend laufen und aufgekratzt jungen Color-Amazonen nachschauen. Sie haben die Reife
der edlen Grauköpfe ebenso wenig erreicht, wie ihre weiblichen gefärbten
Lebensgefährtinnen.
Würdevoll
Graukopf
zu werden ist ein Wandlungsprozess, der die Bereitschaft voraussetzt, sich
dem Alter zu stellen
Das hat mit Sexualität recht wenig zu tun und auch
nichts mit Attraktivität, die gern damit in Verbindung gebracht wird.
Grauköpfe wirken authentisch durch Alters-Souveränität und ihre
altersgerecht gelebten Verhaltensweisen. Es ist die
Phase, die mit dem Eintritt in den Ruhestand beginnt, die Probleme
bereitet. Man
richtet sich auf das Leben nach dem Beruf ein und versucht, sich
mit seinem Lebensgefährten in allen Bereichen so zu arrangieren, dass noch
eine gewisse Selbständigkeit gewährleistet ist.
Für
die Frauen verändert sich eine ganze Menge. Das hängt
davon ab, ob sie selbst noch im Berufsleben stehen und/oder den Haushalt
führten. Männer wittern schnell, wenn sie eingespannt oder gar
missbraucht werden sollen, was oft den Gewohnheiten in der bisherigen
beruflichen Position zuwider läuft.
Die
Anpassung an all die neuen Bedingungen ist ein Reifeprozess, bei dem sich
nicht selten erst die natürliche Haarfarbe beider
Partner ändert, wenn sie bis dahin noch nicht grau sein sollte. Der "Graukopf" ist die Zwischenphase auf dem
Weg zum "Weißkopf", der höchsten Stufe der Altersreife, die
dann allerdings doch mit einigen gravierenden Einschränkungen verbunden
ist. Auf dieser Website werden Sie vornehmlich die Wahrnehmungen der
Grauköpfe finden.
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Wer
schreibt denn da?
Vielleicht
sollte ich mich Ihnen aber erst einmal als Graukopf vorstellen. Meinen
Namen kennen Sie ja bereits und einige kennen mich sogar persönlich. Das
ist aber jetzt kein Grund, in ein wissendes Grinsen zu verfallen, wenn ich
versuche, meine besten Seiten darzustellen. Damit meine ich
natürlich die geschrieben Seiten.
Sie
haben es mit einem Anfangssechziger zu tun, der seinem Umfeld sehr
kritisch gegenüber steht und dennoch die Dinge mit Humor zu nehmen
versucht. Was dabei herauskommt, sind Satiren, bei denen sich das Lachen
erst nach zeitlicher Verzögerung einstellt. Wenn es sich um Andere
handelt, etwas schneller, wenn man sich selbst dabei erkennt, etwas
später oder gar nicht.
Wer
weiß, ob ich in diesem Moment nicht schon wieder starke Anregungen
sammle, die förmlich nach der Tastatur schreien.
Nach
der Beendigung meines mehr oder weniger aufregenden Berufslebens
wollte ich etwas machen, mit was ich schon immer liebäugelte und
ich begann zu schreiben. Meine Homepage hat inzwischen über 230
verschiedene Seiten und mancher, der sich auf ihr im Internet
verliert, vergisst beim Lesen die Zeit. Einen breiten Raum nimmt die
Maintaler Kommunalpolitik ein, allerlei Wissenswertes, die
Geschichte der bewegenden letzten drei Jahre eines jungen Soldaten,
der mit 23 Jahren fiel, aber auch viel Unterhaltsames,
Autobiografisches und jene Alterssatiren, die ich hier
vorstelle.
Die
Artikel, Kommentare oder satirischen Kapitelchen entstehen entweder
in meinem Arbeitszimmer oder in meinem Garten, der einer meiner
Rückzugsräume darstellt. Meine Eindrücke hole ich mir bezüglich
der Kommunalpolitik direkt an den Brennpunkten, recherchiere, was
das Zeug hält und kommentiere dann nach Herzenslust oder
Erlebensfrust.
Meine
Ehehälfte toleriert mein Treiben - was bleibt ihr auch übrig. Ich
bin ihr kleiner Graukopf, wie sie sagt und ihr ist es wichtiger,
dass ich möglichst ausgeglichen bin. Als mir letztens der PC
abschmierte, konnte sie erleben, wie ich dahinvegetiere, wenn ich
dieser Passion nicht nachgehen kann.
Schreiben
ist für mich so etwas wie eine Entsorgung oder Reinigung der Gedanken,
wobei ich versuche, das weiter zu geben, was mich wirklich bewegt, um
meinen Lesern das Gefühl zu geben, dass sie mit ähnlich gelagerten
Sachverhalten oder Impressionen nicht allein sind. Gemeinsames Erleben
bedeutet doppelte Freude oder halbe Last. Nehmen Sie die folgenden Kapitel
so, wie sie sie selbst interpretieren. Die Realität ist ohnehin
wesentlich härter.
Nehmen Sie das Folgende als Fenster in ihre eigene
Zukunft, wenn Sie noch nicht in dieser speziellen Welt angekommen zu sein
glauben. Sollten Sie dabei nachdenklich werden, dann liegt das daran, dass
Sie beginnen zu begreifen, was auf Sie zukommt.
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Recht
haben und Recht bekommen
Haben
Sie als Graukopf schon einmal versucht, von einem Weißkopf Recht zu
bekommen, obwohl Sie absolut im Recht sind? Wenn ja, dann war es sicher nur eine
Nebensächlichkeit um die es ging, der keine Bedeutung beizumessen ist, oder Sie sind ein
anerkanntes Ekel, dem man ungern widerspricht.
"Ich
sage jetzt mal nichts mehr..." oder "...wenn Du meinst..!?"
oder "mit Dir kann man sich nicht vernünftig über so etwas
unterhalten..." oder gar "früher habe ich auch so
gedacht..." sind die Begleitkommentare, die einem als Graukopf
widerfahren. Flugs geht man zurück - oft bis in die Kindheit - und forscht nach,
wann der heutige Weißkopf eigentlich noch beweglich war.
Die zunehmende geistige
Starre und die Flucht der Weißköpfe in ihren Erfahrungsschatz wird oft zur
bedrückenden Alltagssituation. Viele
Lebenserfahrungen sind heute einfach nicht mehr zu gebrauchen, weil sich
inzwischen zu viele Gegebenheiten änderten.
Das Recht ist leider nicht
selten auch ein Produkt des aktuellen Zeitgeistes, den man als Graukopf
zunehmend und als Weißkopf generell ablehnt.
Es
lebe die eigene Messlatte!
Autorität
im Alter
Im
Alter wird es für viele Menschen immer schwerer, gegenüber den nächsten
Mitmenschen die Autorität zu halten, die einem stets entgegengebracht wurde. Immer
öfter wird daher versucht, Autorität auszuüben und mit Geschenken für
Wohlverhalten zu kombinieren nach dem Motto "Gibst Du mir Recht,
dann zeige ich mich auch erkenntlich".
Das
geht natürlich mit
Demütigungen oder Frust einher, wenn man dem geliebten Weißkopf gern auf
einer partnerschaftlich gerechten Ebene begegnen möchte, dies aber
immer öfter mit bedrückenden unakzeptablen Ritualen verhindert wird. Schnell gleitet das Verhältnis auf eine Ebene ab, auf der man sich
nicht mehr ebenbürtig begegnet. Man könnte es als eingeforderten
Altersbonus bezeichnen. Recht zu bekommen, obwohl man längst nicht mehr
im Recht ist, kann nicht der Normalfall werden!
Der Weißkopf
drückt sich selbst den Stempel des Altersstarrsinns auf.
Die
richtige Einstellung
Die
"Graukopf"-Phase ist wahrscheinlich die Phase, in der der
alternde Mensch die größtmöglichste Toleranz benötigt, denn er wird
zwischen den "Jungen" und den "Weißköpfen" gefordert und oftmals sogar aufgerieben.
Es ist deshalb wichtig, dass man
sich als Graukopf vermehrt darauf einstellt, "das Recht haben und Recht
zu bekommen" richtig einzuordnen. In die eine Richtung gehend ist es
zwar ein empfundener Verlust an Akzeptanz, in die andere Richtung gehend ein
zweckmäßiges Verhalten, wenn man keine Chance mehr sieht, dass sich die
einstige geistige Beweglichkeit und Toleranz des Gegenübers wieder
einstellt, auf der die frühere Autorität fußte.
Damit ist allerdings
nicht gesagt, dass beide Situationen auch austauschbar sein können.
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Augenhöhe
oder Knechtschaft
Nicht
viele Menschen haben das Glück, zusammen mit ihrem Partner ein
gesegnetes Alter zu erreichen. Allzu oft genießen die Männer nur wenige
Jahre ihres Ruhestandes und werden viel zu früh abgerufen. Statistisch
gesehen ist die Lebenserwartung der Frauen 7 bis 8 Jahre länger als die
der Männer, wenn sie überhaupt das 70. Lebensjahr überschreiten sollten.
Ein
besonderes Glück ist es, wenn man bis ins hohe Alter Herr seines
Geistes ist und von Demenz verschont bleibt. Auch wenn sich im Lauf der
Jahre einige Krankheiten einstellen, die sich bis zu einem gewissen Grad
mit Medikamenten ausgleichen lassen, so kann man doch ein recht hohes
Alter erreichen. Einige Tugenden, wie die eines geregelten Tagesablaufes,
helfen dabei, einen Lebens- rhythmus zu halten, der die geregelte
Nahrungsaufnahme, Körperpflegeintervalle, Ordnung , Sauberkeit und
Ruhephasen gewährleistet. Wer aus dieser Bahn geworfen wird oder diese
freiwillig verlässt, der steuert direkt auf den Pflegefall zu.
Auswirkungen
von Krankheiten
Ich
sprach aber von dem Fall, in dem ein Paar bis ins hohe Alter überwiegend
noch aus eigener Kraft zurecht kommt und sich täglich neu den
Herausforderungen des Alters stellt. Hier ist es umso verwunderlicher,
dass die Rollenverteilungen sehr oft mit unverständlichen
Unterwerfungsritualen verbunden sind, bei denen man eigentlich nicht mehr
davon sprechen kann, dass sich die Partner auf Augenhöhe begegnen. Gerade
die gegenseitige Achtung ist aber so wichtig, um gemeinsam relativ stark
sein zu können. Der jeweilige Krankheitszustand der Partner spielt dabei
aber eine große Rolle.
Bei
einigen Krankheiten, wie zum Beispiel bei Parkinson, verändert sich das
Wesen oft so dramatisch, dass der Partner sehr schnell die Grenzen des
Erträglichen erreicht. Auch bei Schmerzpatienten, bei denen normale
Schmerzmittel nicht angewandt werden können, ist der gleiche Zustand
schnell erreicht. Hier ist unter Partnern aber auch oft der direkte
Wettbewerb spürbar, wer denn jetzt "schlechter dran" sei und
wer damit automatisch in die Rolle des Fürsorgers schlüpfen muss.
Abhängigkeiten
War
es bisher der Mann, der sich um die finanziellen Dinge und die Technik im
Haus kümmerte, so steht die Frau plötzlich vor echten Problemen. Kann
der Mann nicht kochen oder er kennt grundsätzlich nicht die häuslichen
Abläufe, dann wird es eng. Der Partner wird fortan "dirigiert"
und nicht selten führen längst vergangene Konflikte zu wahren
Knechtschaftsorgien, um es dem Partner noch einmal so richtig zu zeigen.
Wo eigentlich Augenhöhe und gegenseitige Achtung dringend geboten wäre,
wird der Lebensabend jetzt zur Qual. Es kommt gelegentlich vor, dass
dadurch die Fürsorge leidet, was mit wüsten Beschimpfungen endet, die
natürlich wegen ihrer Ungerechtigkeit grenzenlos demotivieren. Wenn der
drangsalierte Teil dann endgültig das Handtuch wirft, dann steht die
pflegerische Betreuung oder gar das Seniorenheim im Raum.
Generationenübergreifende
Entlastung
In
den Fällen, in denen die gesamte Familie generationenübergreifendes
Wohnen und Zusammenleben praktiziert, ist es erforderlich, diesen
Erscheinungen rechtzeitig entgegen zu treten und mit zweckmäßiger
Unterstützung dort zu helfen, wo eine wirksame Entlastung stattfindet.
Aber auch hier lauern Gefahren, die meist von den dominierenden
Ehepartnern unter den Senioren ausgehen. Man ist bestimmte Dinge seit
vielen Jahren so und nicht anders gewohnt und verlangt nun, dass dies auch
exakt so gemacht wird. Menschen mit fortschrittlicheren Methoden und
Arbeitsweisen haben hier endlose Diskussionen zu führen oder stellen die
Senioren kurzum vor ein Entweder/Oder, um die Diskussionen zu beenden. Es
ist kein Geheimnis, dass es Schwiegertöchter hier besonders schwer
haben. Nicht selten endet das in einer Art Knechtschaft.
Einsatz
der Ersparnisse
Hochbetagte
Senioren, die ihr ganzes Leben lang kräftig sparten und geerbt haben,
verfügen über entsprechende Ersparnisse, die für das Alter angelegt
waren. Wer jetzt denkt, die Ersparnisse würden genau für diesen Zweck
eingesetzt, der irrt gewaltig. Das Erbe verleitet die betagten Senioren
vielmehr dazu, ihre nächsten Angehörigen vorab so zu drangsalieren, als
wäre der Nachlass jede nur erdenkliche Mühe wert. Wenn man ihnen dann
klar macht, dass man die gleiche Fürsorge auch aufbringt, wenn sie arm
wie die Kirchenmäuse wären, dann stellt sich eine gewisse Ratlosigkeit
ein. Materielles Denken wird aus der Not heraus geboren, der die
Nachkriegsgeneration entwachsen ist. Wer auf das Ersparte der Eltern
angewiesen ist, befindet sich ebenfalls in der Knechtschaft.
Betagte Senioren, die das genau wissen, züchten förmlich eine
dementsprechende Abhängigkeitssituation.
Geht
man jedoch vom Normalfall aus, dann ist ein generationenübergreifendes
Zusammenleben auf Augenhöhe der wünschenswerte Zustand, an dem alle
beteiligten Personen unbeschwert nach Kräften arbeiten können.
"Augenhöhe"
heißt auch "Partnerschaft", die es bis ins hohe Alter sorgsam
zu pflegen gilt.
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Donnerstags
im ALDI und im REAL
Generationenübergreifendes
Wohnen bringt auch rationelle Versorgungsabläufe mit sich. Rationell
heißt aber auch, Versorgen in verkehrsarmen Zeiten, damit man in
kürzester Zeit versorgt ist. Mit zunehmendem Alter spielt hierbei das
Auto eine große Rolle. Mein persönlicher Betreuungssenior fährt doch
tatsächlich schon seit 66 Jahren unfallfrei und meint, er sei immer noch
"fit wie ein Turnschuh".
Er vergisst aber dabei, dass seine
Turnschuhe auch schon 20 Jahre auf dem Buckel haben. So langsam habe ich
ihm ganz behutsam das Autofahren abgewöhnt, denn mit knapp 87 Jahren
sollte man seine Autofahrerkarriere nicht unbedingt mit einem Unfall
beenden. Also fahre ich im wöchentlichen Wechsel mal mit seinem, mal mit
meinem Auto zum Einkaufen.
Bis
vor wenigen Monaten war der Donnerstagnachmittag so ab 15 Uhr die
bevorzugte Einkaufszeit, denn Senioren lieben die Hauptberufszeit und
besonders den Donnerstag bei ALDI, weil an diesem Tag das
Sonderangebotssortiment wechselt. Umso voller die Märkte sind, desto mehr
gibt es zu schauen. Junge knackige Frauen und die eine oder andere
attraktive Dame versüßen den tristen Einkaufstag - im Sommer mehr, im
Winter weniger. Die Kehrseite ist natürlich die lange Schlange an der
Kasse. Das Einkaufen zu diesem Zeitpunkt war für mich eine unmögliche Tortour. Das haben wir
deshalb schnell geändert.
Nun
fahren wir morgens um 10 Uhr und treffen auf angenehme
Einkaufsbedingungen, die eigentlich nur durch die Servicekräfte getrübt
werden, die die Gänge blockieren. Was soll ich Ihnen sagen - jetzt fällt
mir ganz stark auf, dass wir beide um diese Uhrzeit praktisch nur unter
Hausfrauen mit Kindern, Arbeitslosen und Rentnern sind.
Das
fängt auf dem Parkplatz schon an, wo vor uns ein Weißkopf mit seinem
alten Opel in Zeitlupe einbiegt, als handele es sich um einen Schwerlasttransport.
Spiegelbeobachtung und Schulterblick gleich Null. Die ganze Fahrbahnbreite
nutzend wird spontan gestoppt, weil das Angebot freier Parkplätze so
groß ist, dass er sich einfach nicht entscheiden kann. Nun hat er es
geschafft, die Fahrertür öffnet sich
ebenfalls in Zeitlupe
und ein hochbetagter Knabe wälzt
sich heraus, wankt bis zu den Einkaufswagen, um einen der Gefährte als
Gehhilfe zu nutzen. Ich frage mich, wie ein solcher Autofahrer in einer
kritischen Situation reagiert. Auch im Markt wankt er schwerfällig vor
uns her und schnauft wie ein Walross. Jetzt nimmt er auch noch den letzten
Hefezopf aus dem Regal, auf den mein Begleiter so scharf war. Das geht
eindeutig zu weit! Endlich gelingt ein Überholmanöver.
Zunächst
werden die Pflichtartikel eingeladen, die auf dem Einkaufszettel stehen.
Obwohl sich bei ALDI die Waren täglich bis zu dreimal umschlagen, wird
natürlich jedes einzelne Haltbarkeitsdatum überprüft. Erfahrung ist
Alles! Warum nur drückt der alte Knabe mit dem Daumen in jeden Camembert,
wenn er dann doch Schnittkäse einpackt?
Beim
Obst und Gemüse beginnt das große Umschichten, denn es ist bekannt, dass
das Beste immer ganz unten oder ganz hinten zu finden ist. Abgepackte
Trauben müssen geöffnet werden, damit man sie probieren kann. An den
Rispen erkennt man, dass bereits viele Kunden die gleiche Packung von ganz
unten hervorgeholt, geöffnet und probiert hatten. Salatköpfe prüft man
auf ihre Festigkeit und tatsächlich - es findet sich ein Exemplar, das
noch nicht mehrfach durchgeknetet aussah. Bananen müssen makellos, fest
und hellgelb sein, damit sie zur heimischen Dekoration geeignet sind. Das
gilt auch für die Äpfel und die Walnüsse. Wie einfach hat man es da bei
den Konserven!
Nun
noch ein Blick auf die Sonderartikel, die man kaufen würde, wenn man den
angeborenen Geiz überwinden könnte. Vielleicht ist es aber auch die
Angst vor dem Ehepartner, der für diesen Kauf kein Verständnis haben
könnte. Dafür gibt es für kleine Röschen Pluspunkte. Also wird ein
Ministräußchen für 1 Euro 90 mitgenommen. Na ja!
So
verlassen wir gut informiert den ALDI-Markt und wissen zumindest, was wir
kaufen würden, wenn wir es kaufen wollten. An der Kasse dominieren wieder
die grauen und weißen Herrschaften, die vorwiegend Kleingeld dabei,
aber Schwierigkeiten mit den Augen haben. Für flotte Kassiererinnen ein
wahrer Horror! Langsam wird es ätzend und ich könnte den Dicken vor uns
würgen.
Nachdem
wir einen Teil des Bedarfes im Kofferraum versteckt haben, wird der
REAL-Markt angesteuert. Hier ergab das Studium der Postwurfinfoblätter,
dass einige Artikel nur hier besonders günstig zu kaufen sind. Also rein
ins Rentnerparadies! REAL ist für Rentner besonders attraktiv, weil
Donnerstags immer etliche Verkostungsstände aufgebaut sind. "Wenn´s
nix kost´t - ei da sin mer doch debei!", höre ich es noch vor mir
sagen und drehe deshalb schnell ab.
Zuerst
geht es zu den Putzmitteln, denn der gute Geist der Seniorenwohnung frönt
ganz extrem der Sauberkeit. Wussten Sie eigentlich, dass REAL für jeden
noch so absurden Reinigungsfimmel das passende Mittelchen und Gerät
vorhält? Mitten unter manisch Putzwütigen decken wir unseren Bedarf, der
bereits in wenigen Stunden größte Zufriedenheit erzeugen wird.
Dann
wieder hinunter zu den Lebensmitteln. Jetzt beginnt die Turnstunde meines
Gefährten, denn die günstigen Artikel sind entweder ganz unten oder an
besonders schwer zugänglichen Stellen der Regale zu finden. Teuere
Normalangebote kann man dagegen bequem weggreifen. Auch wenn es immer nur
ein paar Cent sind - die Sache lohnt sich scheinbar so sehr, dass mein
Begleiter nicht mehr zu bremsen ist.
So
langsam wird es allerdings albern, denn er zählt jetzt auf den
Salzstangen zweier Produkte die Salzkörner und begutachtet ihre Größe.
Immerhin geht es bei der Größenordnung von 35 Cent um 5 Cent! Dann noch zu den Regalen, wo das
zu finden ist, was man gern essen würde, was der Partner aber nicht mag.
Nachdem genügend Wasser im Mund zusammengelaufen ist, geht es weiter zum
Fisch. Bückling oder Makrele? Inzwischen habe ich ihn aus den Augen
verloren, weil ihm das Backpulver einfiel. Nachdem ich zweimal alle Gänge
durchforstet hatte, fand ich ihn bei der Schokolade. Halbbitter oder
Zartbitter? 150 oder 200 Gramm? Ei, ei ei, auch noch fünf Marken! Der
Kakaoanteil muss entscheiden. Endlich - die Entscheidung naht: "Wir
gehen noch einmal zum WALMART!"
An
der Kasse gemischtes Weiß- und Graukopftreffen und eine Kassiererin
unattraktiver als die Andere. Das fette Ungetüm an Kasse 7 übt gerade
das Zeitlupen-Scannern und guckt aus der Wäsche wie die personifizierte
Langeweile. Nur an Kasse 3 - da ist die solargetrocknete attraktive
Italienerin mit den hochgesteckten Haaren. Alle Weißkopfadler ohne
weibliche Begleitung stehen an Kasse 3 und stellen sich beim Bezahlen
bewusst lahm an, nur um die Kassiererin zu genießen.
Endlich
sind wir dran. Payback-Karte, Sonderbons und das berühmte Kleingeld
- eine endlose Prozedur! Nach dem Bezahlen ein Schreck: Die
Solargetrocknete hat die Payback-Karte vergessen! Freundliches
Augenklimpern, mein Begleiter zerfließt wie Schokolade in der Sonne und
nimmt entzückt den Hinweis entgegen, dass das an der Information
nachgebucht werden könne.
An
der Information eine Menschenschlange und eine Angestellte, die ohne
Schwierigkeiten zur "Miss Missmut" gekürt worden wäre, wenn es
einen entsprechenden Wettbewerb gegeben hätte. Aber es geht um 19 Euro
23, die unbedingt auf die Payback- Karte müssen. Endlich geschafft! Wir
schieben den Wagen, dessen eine Rolle unaufhörlich hin und her
schlackert, hinaus auf den Parkplatz und sortieren das Gekaufte nach einem besonderen System
in eine
Box und in vier verschiedene Leinenbeutel -
auch das ist geschafft!
Nächstes
Ziel: WALMART - der Laden, der den Durchbruch bei der
Zartbitter-Schokolade bringen soll. Gleiche Prozedur, gleiches Publikum,
gleiche Schokolade - aber ein Volltreffer! Glückseligkeit wie beim
erfolgreichen Ostereiersuchen stellt sich ein und wir steuern mit unserem
Artikel die Kasse an. Hübsch, freundlich - die Kassiererin - schade, dass
wir nur eine Tafel Schokolade haben. Jetzt fange ich auch schon so
an! Nächste Station ist der Bäcker, aber da geht es ruck zuck.
Geschlagene
2 1/2 Stunden dauert das jede Woche, was man in einer Dreiviertelstunde
erledigen könnte. Es ist aber der einzige Tag, an dem mein betagter
Begleiter "Ausgang" hat und er freut sich jetzt schon wieder auf
den nächsten Donnerstag und ganz besonders auf den Sommer, wenn die Mode
noch ähnlich sein sollte, wie in diesem Jahr, denn dann macht das
Einkaufen so richtig Spaß!
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Im
Jammertal
Sozial-
und Pflegeberufe, Pfarrer und andere sozial engagierte Menschen können
ein Lied vom Jammertal singen, in das sie sich täglich begeben
müssen. Aber auch Verwandte, Bekannte, Hausbewohner etc. haben immer
wieder engen Kontakt mit besonders schmerzsensiblen und wehleidigen
Senioren, die für ihren Zustand stets nur Maximalformulierungen benutzen,
um die Schwere ihres Zustands eindrucksvoll zu vermitteln. Die direkten
betreuenden Angehörigen bekommen allerdings ständig die gesamte Ladung ab
und der direkte Lebenspartner kann dem Dauerbeschuss praktisch nicht
entgehen.
In
ein solches Jammertal tauchten viele Angehörige mehrmals am Tag ein, um
sich ihre Lektion abzuholen. Ihre Laune sinkt dann sofort auf Null, als
wären sie einem unangenehmen Dauerton ausgesetzt, den man nicht
abschalten kann. Sie finden einfach kein adäquates Mittel dagegen und beobachten auf
diesem Gebiet sehr aufmerksam geschulte Menschen, um von ihren
Verhaltensweisen zu lernen.
Da ist zunächst der Pfarrer, der sich nur
einmal im Jahr sehen lässt und dann natürlich mit stoischer Ruhe der
Jammerarie bis zur ersten erkennbaren Wiederholung folgt. Dann rufen
angeblich andere Verpflichtungen. Ein paar
Worte des Trostes und ein freundlicher, verständnisvoller Blick, den man
vermutlich im zweiten Semester Theologie lernt, runden
die Jammerentsorgung ab und er ist wieder verschwunden. Das interessante
daran ist, dass es mal wieder geholfen hat. Verrückt!
Die
Krankengymnastin - ein erstaunliches Energiebündel mit einer
unbeschreiblich vitalisierenden Art - lässt erst gar kein Jammern
aufkommen und vermittelt schon nach wenigen Minuten, was im Vergleich mit
anderen Senioren noch wesentlich besser geht und dass man sich darüber
freuen sollte. Unter ihrer Anleitung sind Körperbewegungen und
Körperhaltungen möglich, die man schon gar nicht mehr vom Weißköpfchen
kennt. Es wird gelacht, gescherzt, sich angestrengt und sich gemeinsam
über Fortschritte gefreut - bis die Krankengymnastin wieder weg ist.
Sofort setzt wieder das Jammern darüber ein, wie sehr sie herangenommen wurde und
wie "fertig" sie nun sei. Das ist zwar jedem klar, aber das
erfahren nur die Angehörigen. Es ist zum guten Teil eine mentale Sache,
die für die kurzzeitige Herauslösung aus dem Jammertal verantwortlich
ist und ebenso schnell wieder dorthin zurück führt. Eine
besonders perfide Variante ist die, den Lebenspartner pausenlos
lamentierend ins vermeintliche Unrecht zu setzen. Man weiß, dass man
bestimmte Gegenstände in bestimmten Situationen nicht mehr zuverlässig
festhalten kann. Über Kopf ist das besonders häufig der Fall. Anstelle
den Lebenspartner rechtzeitig zu bitten, den Gegenstand heranzureichen,
wird just in dem Moment, in dem er sich am entferntesten Punkt der Wohnung
befindet, ein Schrank geöffnet, der Gegenstand bewegt und um Hilfe
gerufen, weil er abzustürzen droht. Das wäre ja noch verständlich,
jedoch nicht die besagte perfide Variante, in der nach dem Hilferuf
ungefähr folgender Wortlaut abläuft: "Jetzt helfe mir doch! Du
siehst doch, dass ich das nicht kann! Auf meine Krankheit und meine
Schmerzen nimmst Du überhaupt keine Rücksicht. Du lässt mich hier
einfach mit meinen Problemen allein!" Entschuldigungen
und Erklärungen helfen nicht - man war mal wieder nicht aufmerksam, ja
grausam und rücksichtslos, weil man nicht erahnen konnte, welcher
Geistesblitz ins Weißköpfchen gefahren war. Man ist wieder mal ins
Unrecht gesetzt und das Ungerechte wird dann auch noch als Folge der
Krankheiten und der Schmerzen erklärt. Wenn man sowieso ständig alle
Arbeiten übernimmt, die das schmerzgeplagte Weißköpfchen nicht mehr
machen kann und nie ein Wort des Dankes zu hören bekommt, ist dieses
permanent angewandte Verhalten bald unerträglich. Weißköpfchen ist allerdings oft umso
besser gelaunt, umso mehr die Laune beim Lebenspartner absackt. Eine
Phänomen ist in meinen Augen allerdings, dass die Worte "danke"
und "bitte" völlig abhanden kamen. Jede Anweisung erfolgt in
schroffer und grob fordernder Form und wird sofort mit einem Ausdruck zur
Unterstreichung der vermeintlichen Dringlichkeit kombiniert. Stellt
sich die geforderte Hilfe nicht sofort ein, dann werden völlig
unangebracht Schimpfworte angewandt, die Weißköpfchen früher nie über
die Lippen gebracht hätte. Hilfe, hier und sofort, das ist die einzig
akzeptierte Reaktion. Wird
das versagt, dann entscheidet es sich innerhalb von Sekunden, ob eine
gigantische Heul- und Flennarie oder ein gewaltiger Zornesausbruch zu
erwarten ist. Man wird unweigerlich an das trotzige Verhalten eines
Kleinkindes erinnert, dem man gerade das Lieblingsspielzeug wegnahm.
Danach folgt die totale Erschöpfung und die Simulation kritischer Zustände,
bis sich die erwartete Fürsorge einstellt und eine eigentlich längst fällige
Entschuldigung in weite Ferne rückt - dorthin, wo sich "danke"
und "bitte" schon seit langer Zeit befinden. Eine
besonders fürchterliche Waffe ist der Liebesentzug. Sie kommt bei besonders
schwerer Missachtung der Jammertal-Rituale zum Zug. Nach dem Motto:
"Keiner versteht mich, ich will nicht mehr leben, am Liebsten wäre
ich tot, dann seht ihr erst, was ich euch bedeutet habe... etc."
Wahrscheinlich stellen sich dabei Trauervisionen ein, die Weißköpfchen
auf sich wirken lässt, um sich immer tiefer in einen Zustand zu
versetzen, in dem die eine oder andere der vielen täglichen Tabletten
endlich ihre Berechtigung bekommt. Die leicht hysterische Posse ist jäh zuende,
wenn sich abzeichnet, dass man ihrem Willen folgt und "alles wieder
gut" ist. Das Spiel beginnt erneut. Versucht
man, in bestimmten Situationen Gespräche mit Reizthemen zu beginnen, in denen der infolge natürlicher körperlicher
Überforderung sich einstellende Schmerz richtiggehend zelebriert wird, kann man Überraschungen erleben.
Aus hängenden Augenlidern und einer Sprechweise, die eine
Gesichtslähmung vortäuschen soll, werden plötzlich wieder funkelnde Augen und die
Mimik lebhaft wie immer, sobald solche Themen angesprochen werden.
Erkennt Weißköpfchen die Absicht, dann wird es gefährlich und
Wutausbrüche sind an der Tagesordnung. Was als kurzzeitige Ausstiegshilfe
aus dem Jammertal gedacht war, verkehrt sich ins Gegenteil. Noch
gibt es kein wirksames Mittel gegen die Jammerorgien. Eine ganze Reihe von
betagten Menschen, die ähnliche oder schlimmere Schmerzen und Gebrechen
ertragen müssen, meistern das in einer geduldigen Weise. Sicher ist es
deren Rücksichtnahme auf die Angehörigen. Es ist aber auch die
Kunst, sich in das Unvermeidliche zu fügen und sich mit nicht mehr
umkehrbaren Dingen bestmöglich zu arrangieren. Ob der Verzicht auf die
Fähigkeit, den Schmerz aller Welt mitzuteilen - ja, auf sie übertragen
zu wollen - eine Lebensqualität oder nur eine extreme Rücksichtnahme
darstellt, sei dahingestellt. Welche Verhaltensweise zum Zug kommt, ist
sicher in der frühesten Kindheit begründet, denn der Mensch scheint im
Alter auf verschieden Weise wieder in die Kindheit zurück zu flüchten -
zumindest in den Teil der Kindheit, in der die Welt noch in Ordnung war.
Dem entrissen zu sein, wird womöglich als Hauptschmerz empfunden. |
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Die
Welt der Urteile, Vorurteile und der Behauptungen
Es
gibt im Leben Dinge, die so sind, wie sie sind. Auch wenn wir sie nur in
Teilbildern in Erinnerung haben, so ergeben sie richtig zusammengesetzt das
realistische Gesamtbild. Die Häuser am Main, der Kirchturm, der Fluss und die
Mainfähre ergeben die bekannte Flussansicht von Dörnigheim. So ist das nun
einmal!
In
Gesprächen mit Weißköpfen erleben die Grauköpfe oft, dass sich ein Bild
von einer Person oder einer Sache bereits nach der Erörterung einiger
Bruchstücke zu einem endgültigen Bild zusammenfügt. Sagt man
"Wald", so ist das ein Tannenwald, auch wenn man einen Birkenhain
meinte. Aus "Auto" wird je nach Person Mercedes oder VW, aus
"Eheproblemen" wird "Fremdgehen", aus
"Ratenkauf" werden "Schulden wie ein Stabsoffizier", aus
einem "fröhlichen Abend" wird ein "Saufgelage" und
"chinesisches Essen" wird zum "ekligen Fraß" und das
"sei typisch für XY, weil dessen Frau ja auch nicht kochen
könne".
Die
Lebenserfahrung - nein, die Erfahrungen eines bestimmten Lebens und
Lebensstils entwickelt feste Bilder, Klischees, denen im Laufe des Lebens
bestimmte Worte und Begriffe zugeordnet werden. Fällt nun so ein Wort,
schwups - ist das Bild da und reiht sich in die Kette ein. So entstehen aus
Bildern Geschichten, angewandte Vorurteile und Urteile, die nur wenig mit
der Realität zu tun haben. Das Ende der wahren Begebenheit wird auch gar
nicht mehr wahrgenommen, weil ja das Bild im Kopf bereits fertig ist.
Wie
das funktioniert, kann man an der obigen Strichmännchen-Geschichte sehr gut nachvollziehen. Wie auch immer die
Geschichte gelaufen sein mag, zum Schluss wird einer im Stich gelassen
oder ist gar tot. Die Geschichte kann durch ausschmückende Worte jede
nur erdenkliche Wendung nehmen. Das Weglassen eines Bildes lässt
schon wieder neue Varianten zu.
Entscheidend
ist, welche Worte wir benutzen und wie kurz wir uns fassen. Schmückt man
die Geschichte sehr umfangreich aus, dann kann vielleicht ein korrigiertes Bild
entstehen. Da uns das entweder nicht liegt oder wir uns schnell wieder
anderen Dingen zuwenden wollen, fassen wir uns so kurz, wie wir es vom
Berufsleben her gewohnt sind und sind der festen Annahme, eine klare Sicht
erzeugt zu haben. Bekommt man aber mit, wie dann der gleiche Sachverhalt
weitererzählt wird, dann erkennt man viele unstimmige Bilder, die wir
erzeugten und stehen sehr oft vor einem Scherbenhaufen, weil eine
Information weitergegeben wurde, die wirklich stimmt: Wir hätten das
gesagt!
Inzwischen
stelle ich mir das Gehirn eines Weißkopfes wie einen Panzerschrank mit vielen Schubladen vor,
in denen sich unzählige Bilder befinden. Neue Bilder kommen ab einem
bestimmten Zeitpunkt nicht mehr hinzu, uralte Bilder wurden jedoch nie
gelöscht. So werden die vorhandenen Bilder zu Lieblingsbildern, somit immer häufiger als Stereotype
herangezogen und damit sogar eine starke Anhäufung solcher Sachen
konstatiert - ein neues Stereotyp ist geboren. Der ganze Bildersalat wird
als Lebenserfahrung getarnt und ist damit nahezu unantastbar.
Die
Bilder steuern auch die Handlungsweisen und die Urteile. So entstehen zum
Beispiel folgende Ketten:
-
Langsamer
Gang - Suchen - mehrfach umdrehen - Mann - unrasiert - Mütze ins
Gesicht gezogen, Tasche = DIEB
-
Dunkle
Wolken - Fenster geputzt - Wind - Mann mit Regenschirm gesehen = ROLLLADEN
RUNTER !
-
Wichtige
Familienfeier - später Nachmittag - alle da - nur der Pfarrer noch
nicht - es klingelt = Es
muss der Pfarrer sein!
-
Samstagvormittag
- es klingelt - unten stehen zwei Personen mit einer Druckschrift in der
Hand = ZEUGEN JEHOVAS
-
Gegenstand
fehlt - alles durchsucht - nichts gefunden - kürzlich umgezogen -
Umzugsarbeiter aus Polen = GESTOHLEN
-
Über
50 Jahre unfallfrei gefahren - eigenes Auto sehr gepflegt -
Parkplatzschaden - gegnerisches Auto ungepflegt - Schaden höher als man
selbst optisch feststellt - Gegner wird sehr verbindlich = VERSICHERUNGSBETRÜGER
So
könnte man die bedrückende Kette endlos weiter führen, ohne jemals nahezu
alle Varianten zu erfassen.
Wenn
Sie also Weiß- oder betagten Grauköpfen begegnen, die Sie entweder von
Kopf bis Fuß mustern oder sich bewusst von Ihnen abwenden, dann könnten
Sie wieder mal Opfer einer dieser Ketten gewesen sein.
-
Bleiben Sie höflich
und freundlich, dann riskieren Sie, dass Sie jetzt erst recht ein falscher
Hund sind, der glaubt, man wüsste nicht, was wirklich sei
-
oder Sie sind gar
unverschämt, weil Sie nicht merken, dass man mit solchen Leuten nichts zu
tun haben will.
-
Werden
Sie jedoch besonders freundlich empfangen, dann brauchen Sie sich darauf
auch nichts einzubilden. Dahinter
steht bestimmt auch so ein Missverständnis!
Vielleicht
haben Sie aber auch Glück und Sie besitzen dort ihre eigene Schublade, in
der nur die ganz Guten liegen.
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Man
muss nur den Zusammenhang herstellen
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Die
Macht
des Haushaltsvorstands
Viele
Grauköpfe stehen kurz vor der Pension ja noch unglaublich stabil in der
Mitte des Lebens - pardon - in der Mitte ihres Lebens und der ihrer
Ehehälfte. Die Kinder sind schon lange aus dem Haus und lassen sich
vielfach nur
noch sehen, wenn sie es unbedingt für nötig halten. Im Kreis der Freunde
und Bekannten
wird eine statusbetonte Lebensweise zelebriert, mit der sich der noch
beruflich aktive Graukopf von denjenigen normalen Frührentnern zu
unterscheiden versucht, die bereits
auf Rentenniveau herumdümpeln.
Interessant
ist, wie sich die Hierarchien beruflich und privat ähneln! In der
Firma steht Herr Graukopf so seinen Mann, dass er den Tatendrang und die Dynamik
der Nachfolgegeneration nicht behindert und dennoch als führender
Kopf gilt, wie es auf seinem Firmen-Türschild geschrieben steht. Er
ist praktisch immer nahe am Geschehen und bietet seine ganze Erfahrung wie auf einem silbernen
Tablett liegend an, damit sie derjenige, der sie braucht, nutzen kann.
Dazu kommt es aber seit Jahren immer seltener, denn neue Zeiten
schreien nach neuen Erfahrungen. Diese haben die Jüngeren ebenfalls ausreichend
gesammelt, weil sie inzwischen ja auch die Hauptlast tragen. Ihm
bleibt ein Wirken zwischen Leistungsneutralität und liberalem
Führungsstil, denn die Zeiten mit Biss haben ihre Spuren
hinterlassen. Im
häuslichen Umfeld regiert die Frau des Hauses,
führt in seiner Abwesenheit - wie es in einem Fernsehwerbespot so schön heißt - ein
kleines erfolgreiches Familienunternehmen. Da einige Unternehmensbereiche bereits
ausgegliedert sind, konzentriert sie sich jetzt mehr auf die
Zufriedenheit des Ehemannes, der es ja im Beruf allen noch so
eindrucksvoll zeigt, wie er stets behauptet. Hausarbeit hat in der
Bewertung ja leider keinen finanziellen Stellenwert, den sie ins Feld
führen könnte, so glänzt und beeindruckt sie in ihrem Reich mit
Ordnung, Sauberkeit, Sparsamkeit, ist perfekte Köchin und
Gastgeberin, Organisationstalent und hat gelegentlich auch noch Zeit und Muße für
die ehelichen Pflichten, allerdings mit stark abnehmender Tendenz.
Auch
wenn man es nicht glaubt, Herrn Graukopf gelingt es immer wieder, bei Anwesenheit
hier kurzzeitig die Führungsrolle zu
übernehmen ohne allerdings nur einen Finger zu krumm zu machen. Die Rollen sind
verteilt wie in der Firma und die Autorität hat zuhause ähnliche Züge wie
im Beruf. Herr Graukopf hat etwas zu sagen und sie lässt ihm den schönen
Schein. Wirklich zu gebrauchen ist er im Haushalt allerdings nicht -
noch nicht!
Dann
kam der Moment, indem sich Herr Graukopf zuhause integrieren musste, weil er
in den Ruhestand überwechselte. Seit Wochen hat Frau Graukopf schon genaue
Vorstellungen davon, wie sich die täglichen 24 Stunden des Zusammenseins so
gestalten lassen und ihr ist klar, dass sie ihm den einen oder anderen Zahn
ziehen muss, damit alles reibungslos klappt. In ihrem Reich soll er Aufgaben
übernehmen, bei der Kraft und Verstand benötigt werden und sein
Organisationstalent zum tragen kommt - meinte er. Sie tendiert eher zum
Delegieren niederer Arbeiten - jeder eben, wie er es kann. Einkäufe und die
Müllentsorgung erscheinen in sich stimmige und geeignete Regelkreise, die
er übernehmen könne. Auch soll all das endlich mal repariert und
renoviert werden, was in der letzten Zeit so liegen blieb. Ach ja, der Hund
muss ja auch dreimal täglich raus und schreit förmlich nach Führung.
Herr
Graukopf träumt jedoch vom Kochen - als kleiner Paul Combuse (oder wie der
hieß) - und hat sich natürlich schon etwas genauer zuhause umgesehen und erkannt,
was unbedingt geändert werden müsste, damit auch er sich wohl fühlen und voll entfalten
kann. Zunächst müsste unbedingt die Küche anders eingeräumt werden und
einige Schrankaufteilungen treffen auch nicht so ganz seine Vorstellungen.
Wie man so nur all die Jahre arbeiten konnte...!? Die
Vorratshaltung muss ebenfalls optimiert werden und der putztechnische
Standard scheint auch nach Optimierung zu schreien. Es gibt sicher viel zu
tun, gut wenn man bald damit anfängt.
Bei
Frau Graukopf macht sich langsam Unsicherheit breit, denn sie fragt sich,
warum sie offensichtlich all die Jahre so viel falsch machte. Woher das
herrührt? Ganz einfach - ihr Gatte entwickelt sich immer mehr zum Nörgler
und Besserwisser. Das nervende daran ist, dass er wirklich glaubt, vieles
besser zu wissen. Dabei hat er nur eine andere Sicht. Er erklärt ihr das
immer wieder mit der berühmten Betriebsblindheit, die sie inzwischen habe.
Er könne das aus eigener Erfahrung beurteilen. Manche Optimierungsideen
führen dann auch zum Eklat, bei dem bei beiden Sehnsüchte nach dem alten
Zustand wach werden. Doch man muss sich in sein Schicksal fügen und nach
vorn schauen.
Nachdem
die ersten 6 Wochen des Ruhestands herum sind, hört er immer öfter Sätze,
die mit "Mer müsste..." (auf Hochdeutsch: "Wir
müssten...") beginnen, wobei er klar heraushört, wer der "mer"
("wir") ist und welche Erwartungshaltung dahinter steht. Dem
begegnet er generell damit, dass er kurz darauf Jacke und Kappe nimmt und
aus dem Haus geht. Er kommt erst wieder zurück, wenn sie ihn auf dem Handy
anruft und einen Satz mit "Ich hab schon" ("Ich habe
bereits...") beginnt. Doch - lange wird er sich das nicht leisten
können, schließlich steht der Winter vor der Tür und es wird dann
draußen jämmerlich nass und kalt.
Der
inzwischen angespannten Erwartungshaltung von Frau Graukopf kann er jetzt
nur mit einem - wenn auch überschaubaren - Renovierungsvorhaben
begegnen, um nicht als Faulenzer oder gar als Leistungsverweigerer da zu
stehen. Hierbei teilen sich die Funktionen auch wieder in anspruchsvolle und
weniger anspruchsvolle, in körperlich schwere und mengenmäßig mühselige
Arbeiten auf. Werkzeuge und Maschinen machen sich in Männerhänden anders
als Besen, Schrubber und Wischtuch. Planung ist auch seine Sache, der
Geschmack und die Farben wiederum eher ihre Domäne. Am Ende siegt die
geschlossene Mannschaftsleistung, die er geduscht nach getaner Arbeit beim
Lesen der Zeitung empfindet, während Frau Graukopf noch mit dem Aufräumen
und Reinigen beschäftigt ist. Hierarchien müssen sein, wie Ordnung und
Disziplin. Das machen kultivierte Lebensweisen und Strukturen erst aus.
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Musik
der Generationen
Nichts
verbindet die Menschen einer Generation mehr, als die Musik der jeweiligen
Zeit. Für die Freunde klassischer Musik gilt das natürlich nicht, denn die
verbindet alle Generationen. Wenden wir uns der Musik der jeweiligen Zeit der Weißköpfe und der Grauköpfe zu, denn
über die aktuelle moderne Musik braucht man sich nicht zu unterhalten, weil
sie nicht mehr allzu viel mit Musik im ursprünglichen Sinn zu tun hat. Allenfalls die Volksmusik
als bedingt generationenübergreifende Droge - also die Welt von Moik,
Silbereisen, Nebel und Co. - ist noch einen kleinen Abstecher wert.
Wenn
Weißköpfe auf Grauköpfe treffen, dann sind die musikalischen Vorlieben
schon sehr unterschiedlich, obwohl sie einen sehr großen Teil ihres Lebens
miteinander teilten. Woran liegt es nun, wenn Marlene Dietrich, Richard
Tauber und Lale Andersen hart auf Elvis Presley, Little Richard und Pink Floyd
treffen? Ganz einfach: Es ist oft nur ein gewisses Zeitfenster, das die Vorliebe
für die jeweils aktuelle Musik prägt. Mit diesem Zeitfenster sind ganz
bestimmte Erinnerungen verbunden, die entweder mit Harmonie, mit Protest
oder mit beidem zu tun haben. Die
Kriegsgeneration möchte mit ihren Musikvorlieben natürlich in Gedanken die
Welt zurück holen, in der sie noch relativ normal und von eigenem
jugendlichem Schwung geprägt waren, als sie ihre
Lebenspartner kennen lernten, ehe ihnen der Krieg jeglichen Schwung nahm. Während des
Krieges verbanden das Radio und die UfA-Filme Front und Heimat gleichermaßen,
wodurch die Schlager der damaligen Zeit eine besondere Bedeutung bekamen.
Mit "Lili Marlen" und anderen Liedern wurde die Sehnsucht und die Gefühle um
Glück und Treue hoch gehalten. Nach dem Krieg setzten die alten Künstler
ihre Richtung fort und neuere Interpreten, wie Willi Hagara, Margot Eskens, Paul
Kuhn, Catarina Valente, Fred Bertelmann, Hildegard Knef und wie sie all hießen, sorgten
für die Schlager der Wirtschaftswunder-Zeit, der Zeit des Aufbaues und der
jungen Nachkriegsfamilien. Zu
Beginn der 60er Jahre wurde der Einfluss der englischsprachigen Musik immer
stärker und Zeit der "Negermusik" begann, wie sie damals von den
heutigen Weißköpfen abfällig genannt wurde. Mit Elvis Presley, Jerry Lee
Lewis, Fats Domino, den Beatles, den Rolling Stones begann eine ganz andere
Zeit, in der die damalige Generation - die heutigen Grauköpfe - Schluss
machten mit dem unbedingten Gehorsam sowie dem immer noch spürbaren
Gleichschritt der Eltern. Die Studentenunruhen, der Korea- und der
Vietnamkrieg und andere Kapitel der damaligen Zeit brachten die Protestsongs
nach vorn, die von Joan Baez, Peter, Paul und Mary, Bob Dylan, Pete Seger und vielen anderen Künstlern vorgetragen wurden und die heute noch aktuell
sind. Für viele der heutigen Weißköpfe waren das alles schon wegen ihrer
englischen Sprache abzulehnende Musikrichtungen, die unterschwellig oder
offen als Musik der Siegermächte abgelehnt wurden. Verfolgen
Weißköpfe und Grauköpfe heute Musiksendungen des Fernsehens, dann spalten
sich sofort die Interessen und ein gemeinsamer Silvesterabend mit Karl Moik
kann schon für gewaltige Spannungen sorgen, wenn die anwesenden Grauköpfe
nicht gerade auch auf "Dicke-Backen-Musik" und auf alpenländischem
Gesülze stehen. Die Jungen beteiligen sich schon gar nicht an der
lächerlichen Diskussion und gehen selbstverständlich ihre eigenen Wege. Nun
kann man aber auch das Thema von einer anderen Seite betrachten und
ergründen, wie Menschen gestrickt sein müssen, wenn sie sich für Florian
Silbereisen, die Wildecker Herzbuben oder die Spastelruther Katzen und die
ganze österreichische Musikkultur mit ihren seifigen Texten begeistern
können. Solche Begeisterungen gab es auch schon für Heintje, Roy Black und
Heino. Es scheint ein musikalisches Niemandsland zu geben, in dem diese Art
von Musik gedeiht. Hier treffen sich gelegentlich sogar die Weiß- und die
Grauköpfe, ohne sich etwas dabei zu denken. Sie liegen dabei sinnbildlich
auf dem Harmonie-Sofa und haben vor der Wirklichkeit des Alltags die Füße
hoch gelegt. Die
jeweils bevorzugte Musik kann aber auch als Puls der jeweiligen Zeit
angesehen werden. Die heutige Unterhaltungsmusik ist vorwiegend laut,
elektronisch, monoton oder hektisch, schrill, die Texte teils verworren,
einfallslos, provokant. Der Rhythmus scheint vor der Melodie zu rangieren.
Wen wundert es, wenn junge Menschen verstärkt in der Musik der Grauköpfe
nachforschen, wo eigentlich noch wirkliche Musik existierte. So gesehen
können die Grauköpfe auf einen gewaltigen musikalischen Fundus zurück
blicken und so mancher Interpret der 60er bis 70er Jahre wird heute
wiederentdeckt - für die Weißköpfe allerdings gänzlich unverständlich!
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Der
Entertainer
Rudi
ist eine Stimmungskanone und seine Späße sind köstlich. Das zumindest
meint mehrheitlich die sichtlich ergraute Geburtstagsgesellschaft, in deren
Mitte sich gefärbte, getönte und sonst wie verfremdete Damen tummeln. In
Würde ergraut sind nur die Männer, denen das angeblich ja auch so gut
steht. Einige Grauköpfe entledigen sich bereits zunehmend des
Kopfschmuckes, so dass Rudi mit seinem vollen Schopf der absolute King ist.
Von solchen Salonlöwen und aufgekratzten Damen halten sich Toupetträger
gewöhnlich fern, weil die Damen in höchster Ausgelassenheit gern mal in
einen üppigen Schopf greifen und dabei schnurren wie die Katzen. Toupets
sind mehr für die gehobene konservative Gastlichkeit gedacht.
Wie
gesagt, Rudi ist wieder mal in seinem Element, denn er weiß, dass
sein Späße-Fundus spitzengereift ist. Seine Erinnerungen gehen bis
zu seiner Konfirmation zurück, als diese Witze bereits uralt waren
und sein Onkel Kurt schon damit brillierte. Rudi wird dabei von seiner
Frau unterstützt, die ihm die Stichworte liefert, denn sie genießt
es, dass ihr herzallerliebster Hosenträger-Träger wieder mal
der Hahn im Korb ist.
"Erzähle
doch mal den Witz, mit 'die Nummer Eins ist hingefallen'...",
Mist, das war ja bereits die Pointe. "Dann halt eben den, wo der
blinde den gehörlosen Musiker fragt: 'tanzen sie schon?' und der
antwortet: 'warum, spielen wir schon?'... ." Rudi schaut sie
verständnisvoll an.
Ein
Teil Rudis Bewunderer fürchtet beim Lachen bereits schlimmes, denn
umso trockener die Witze, umso tränenreicher das Lachen und wie sagt
Erna so schön: "ich könnte in die Hose machen vor
Lachen...". Und - was Erna sagt, das macht sie gewöhnlich auch.
Rudi
wird plötzlich unwirsch, denn man ruft die Witze ab wie aus einer
Musikbox und es wird ihm langsam klar, dass es sich gerade um einen
seiner Revival- Auftritte handelt, die ihm stets in Erinnerung rufen,
wie viel Lenze er schon auf dem Buckel hat.
"Jetzt
sei doch kein Spielverderber!", wird er erneut angefeuert, worauf
er wieder eine Witz-Salve abfeuert. Irgendwie hat das jetzt etwas von
einem Lachsack, wie die üppige Blonde direkt vor ihm reagiert. Oder
sieht sie in ihm vielleicht sogar so eine Art Hampelmann, an dessen
Kordel man nur zu ziehen braucht, damit er seine Witze macht?
Eigentlich
könnte Rudi seine Witze ja durchnumerieren, weil er sie stets in der
gleichen Reihenfolge erzählt. Das hätte den Vorteil, dass er nur
"Witz 14" zu den Lachsäcken zu sagen bräuchte, um die allseits
bekannte Wirkung zu erzeugen. Auf diese Art
könnte er auch viel mehr Witze erzählen, weil es einfach schneller ginge.
Einmal probierte er das ja schon mal im kleinen Kreis aus. Die Sache
funktionierte tatsächlich bis zum Witz 23. Als er "Witz 23" -
einer der ältesten Klamotten - aufrief, war die Reaktion dementsprechend
mager. Nur ein Einzelner schüttelte sich vor Lachen. Als ihn sein Nebenmann
darauf aufmerksam machte, dass das doch ein ganz alter Witz sei, meinte der
immer noch lachende Angesprochene, er höre ihn heute zum ersten Mal.
Seitdem hat diese Story die Bezeichnung "Witz 23A".
Rudi
nutzt nun einen Vorwand, um die illustre Gruppe zu verlassen, denn er hat nach
seinem Empfinden genug Frohsinn versprüht. Er wendet sich
einer etwas nachdenklich drein schauenden Dame am Rand der Feier zu, die ihn beobachtet hatte.
Diese quittiert zunächst seine Aufmerksamkeit mit einer allzu überschwänglich formulierten Bewunderung. So hat das Rudi gern -
ein aufrichtiges Lob und endlich mal nicht die Gesellschaft eines wandelnden
Lachsacks!
Die
Dame greift dann aber einen der Witze auf und lässt ihn auf betont
distinguierte Art
erkennen, dass sie die Pointe nicht ganz verstanden habe. Da es sich um einen der
nicht so ganz astreinen Witze handelte und die Dame scheinbar in einer anderen
Klasse als unser Rudi spielt, wollte er natürlich der näheren Erläuterung aus dem Weg gehen.
Zwei listige Äugelchen in einem blassen Antlitz verfolgten aufmerksam seinen Eiertanz und unser Rudi
wurde immer unsicherer.
So killt man Salonlöwen!
Vom Entertainer war nicht
mehr viel übrig - nur noch ein kleiner sich schmuddelig fühlender
Witzeerzähler, der einfache Geister zu begeistern versteht. Rudi
fühlte sich plötzlich irgendwie nackt und er empfand die blasse Gesprächspartnerin
zunehmend unangenehmer.
Aus
dieser Situation rette ihn seine Frau, indem sie ihn mit einem Vorwand in
den alten Kreis der jovialen Lachsäcke zurückholte. Die alte Ausgelassenheit wollte
bei Rudi allerdings nicht wieder aufkommen, denn die kühle Intellektuelle hatte ihn
total verunsichert. So finden Entertainer immer mal wieder ihre Grenzen und
das ist auch gut so. Das sind übrigens die Situationen, in denen Toupetträger
ihre Chance bei reservierten Damen wittern und auch bekommen.
Hoch lebe die
gepflegte, mitunter auch humorvolle Konversation.
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In
der Weihnachtsbäckerei
Bei
Graukopfs steht Weihnachten vor der Tür und nebenan bei Weißkopfs riecht
es verdächtig nach Weihnachtsgebäck - die Weihnachtsbäckerei ist
eröffnet! In diesem Jahr sollen es - wie in den vergangenen 15 Jahren -
wirklich die allerletzten Weihnachtsplätzchen zum letzten Tannenbaum und überhaupt zum
letzten Weihnachtsfest werden. Wie gut, dass man das selbst nicht so genau weiß! Weißköpfchen
hat mal wieder die alten Rezepte herausgekramt und ihr grauköpfiger
Sohnemann soll helfen, weil so manches nicht mehr so recht von der Hand
gehen will. Dieser hat sich ganz darauf eingestellt, weil die 10 - 12
Lieblingssorten ja auch verdammt gut schmecken. Gestern war noch
nicht an Backen zu denken, denn es ist eben auch gar nicht so einfach, das
gewohnte Tagespensum zu schaffen, weil die alten Knochen nicht mehr so
wollen, doch die Weihnachtsbäckerei verleiht wahre Flügel. Ist der
Entschluss gefallen, dann gibt es kein Halten mehr. Eine nicht mehr zu
bremsende Automatik setzt ein. Stollen
- die sollen zuerst gebacken werden, weil sie 10 - 12 Tage liegen müssen,
ehe man sie anschneidet. Morgen ist der berühmte Donnerstag, an dem die
Einkäufe getätigt werden und die Regale sind schon seit vier Wochen voll
mit allen möglichen Backzutaten, als gelte es, eine Apotheke für eine
bevorstehende Epidemie aufzurüsten. Die Sucht nach Weihnachtsgebäck und
das Erlebnis für Kinder, Plätzchen zu backen, verleiten zu wahren
Hamsterkäufen. Vor diesen muss man jedoch warnen, denn alle möglichen
Nüsse, Mandeln und bestimmte Backzutaten sind nicht selten mit Eiern von
Lebensmittelmotten belastet, die dann in den warmen Sommermonaten über die
Reste der weihnachtlichen Backzutaten herfallen, die man ins nächste Jahr
hinüberretten wollte und dann die ganze Wohnung heimsuchen. Also - nur so
viel einkaufen, wie man auch verarbeitet! Das ist die erste Lektion, die
Sohnemann lernen musste. Beim
Stollen können Küchenmaschinen zeigen, was sie zu leisten imstande sind,
denn der Teig ist schwer und das zerkleinerte Orangeat, das Zitronat, die
Rosinen und die Sultaninen müssen sehr gut verteilt sein. Ich will hier
aber gar nicht auf die vielen Rezepte eingehen, die in diesem Jahr wieder
umgesetzt wurden, sondern auf die Wirkung der ganzen Aktion. Eingangs
erwähnte ich schon, dass Mütter mit ihren Kindern - egal, wie alt sie sind
- gerne
Weihnachtsplätzchen backen, weil damit ein ganz besonderes
Gemeinschaftserlebnis verbunden ist. Wenn auch in jungen Jahren noch nicht
die vollständigen Rezepte verstanden und behalten werden, so sind es die
einzelnen Arbeitsschritte, die vermitteln, welcher Aufwand erforderlich ist,
bis man die Ergebnisse naschen kann. Mühe und Lohn liegen hier sehr eng
beieinander und werden spielend übernommen. Wer hätte gedacht, dass im
Alter Grauköpfe und Weißköpfe erneut zusammenfinden, um wieder gemeinsam
das Festtagsgebäck zu kreieren!? Absolut
unvermeidlich sind dabei die beiderseitigen positiven Erinnerungen an
längst vergangene Zeiten, die mit dieser sehr traditionellen Handlung
vor dem Weihnachtsfest verbunden sind. Das schweißt zusammen und macht
gemeinsam stark. Die beinahe therapeutische Wirkung besteht für den
älteren Teil in der positiven Erinnerung und der Freude, etwas weitergeben
zu können, was damit wieder zumindest eine weitere Generation praktizieren
wird. Es ist wie ein Vermächtnis, das später erneut gute Erinnerungen an
gute gemeinsame Zeiten wachrufen kann. Die absolute Unkenntnis, ob sich
diese Weihnachtsbackstunden wiederholen werden, geben den schönen
gemeinsamen Stunden des Backens und des gemeinsamen Genießens eine
Dimension, die nicht zu beschreiben ist. So gesehen sind Traditionen aktive
Lebenshilfen und ein unverzichtbarer Bestandteil eines guten, erfreuenden
Zusammenlebens. |
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Sex
im Alter
Das
Thema ist eigentlich bei vielen Weißköpfen tabu und bei den Grauköpfen
immerhin eine Möglichkeit, sich mit dem Zahn der Zeit auseinander zu
setzen, der nun doch so langsam deutlich sicht- und spürbar nagt. Man macht
halt so seine Witzchen und bemerkt gar nicht, wie sehr diese Witzchen den
Nerv treffen. Vitalität und Manneskraft, Attraktivität und der Wunsch,
begehrt zu werden, sind seit so vielen Jahren eine Selbstverständlichkeit,
dass es schwer ist, so langsam mal der Wirklichkeit ins Auge zu schauen.
Weißkopfs
lassen wir jetzt mal außen vor und befassen uns lieber mit den
naturbelassenen oder den gefärbten Grauköpfen, deren Libido sich in einem
überreifen Zustand befindet. Umso mehr Grauköpfe auf sexuellem Gebiet
erlebten, umso lebhafter sind die sie verfolgenden Phantasien. Zu bedauern
ist dagegen jeder Brave, der mühsam in seinen Erinnerungen herumkramen muss. Die
Erinnerung ersetzt allmählich bedingt Erlaubtes und Verbotenes. Unbefangene
und nette Verhaltensweisen der nächstjüngeren Generation werden
gelegentlich mit den eigenen Phantasien verwoben und führen nicht selten zu
befremdlichen Verhaltensweisen. Wann - um Himmels willen - ist man denn nun
alt? Man
ist doch so alt, wie man sich fühlt!? Das
ist auch so eine Lüge, die man lieber nicht bemühen sollte. Ließe man es
aber wirklich darauf ankommen, dann ist die Gefahr groß, dass man im
Ernstfall ganz miserable Haltungsnoten bekäme, wenn man vergäße, das
Licht aus zu machen. Die
Sexualität - nach Außen hin manchmal als etwas scheinbar Nebensächliches
dargestellt - wird jedoch im Inneren zur lebhaften Phantasiewelt, die von der
Erinnerung lebt. Das erinnert halt an das Alter, das man als das Beste im Leben
ansah, in dem mancher Höhepunkt allerdings oft auch nur mit sexuellen Phantasien erreicht wurde. Das soll angeblich bei Männern und Frauen gleich
sein, es will nur keiner wahr haben. Grauköpfe sind deshalb im
Unterbewusstsein immer auf der Suche nach positiven Signalen bei Menschen
des anderen Geschlechts, die in einer noch passabel attraktiven Haut
stecken, um zumindest zu testen, wie man denn noch so ankommt. Männlichen
Grauköpfen passiert es immer wieder, dass sie weiblichen Vertretern der
nächstjüngeren Generation begegnen, die einen Vater- oder gar einen
Opakomplex haben. Jetzt kommen aber die Signale gewaltig durcheinander und man
weiß gelegentlich nicht mehr, wie man sich verhalten soll. Auf der einen
Seite ist das gute Gefühl, aus der Masse der bedeutungslosen Grauköpfe
herauszustechen. Die Kehrseite ist jedoch das Wissen um die Spuren der Zeit, die
von der Kleidung verdeckt werden. Außerdem - man möchte ja um seiner selbst gemocht
werden! Was auf der einen Seite gefühlsmäßig gut tut, birgt einen gewaltigen Stachel in
sich, den man nicht unbedingt reizen sollte. Nun
soll es aber auch ausgesprochen narzisstisch veranlagte Seniorinnen geben, die
den Kampf gegen die allmählich schwindende Jugendlichkeit nie aufgeben und
die versuchen, ihre ganze weibliche Erfahrung und ihren Wohlstand
auszuspielen, um das noch zu erhalten, wovon sie träumen. Sie haben sehr oft
eine gute Chance - allerdings nur für kurze Zeit. Jüngere Männer ziehen
halt langfristig frisches Fleisch und schnuckelige Delikatessen vor. So
ziehen es Grauköpfe beide Geschlechter zunehmend vor, sich in ihre Erinnerungswelt
zurück zu ziehen und sich recht wissend zu geben, damit der Anschein
entsteht, als hätten sie ein überaus erfülltes Sexualleben gehabt, das
entweder von Lust oder von Tugend geprägt war. Man steht nach Außen
zunehmend über der Thematik. Wollen und Können verheddern sich nur noch
gelegentlich und irgendwann ist man froh, wenn niemand mehr davon spricht. Kurze Zeit
später gehört man dann zu den Weißköpfen, die ich nun nicht
unbedingt nach dieser Thematik befragen möchte.
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Stillen
- bis die Brust schmerzt
Grauköpfe
haben es mitunter schwer, sich zur richtigen Einstellung gegenüber den
Kindern und den Enkeln zu entschließen. Man will einfach nicht loslassen
und es scheint unglaublich wichtig zu sein, dass man die Geschicke der
schon erwachsenen Kinder nach Kräften lenkt. Das Leben hält ja auch so
viele Klippen und Irrwege bereit, so dass ein umfassender Schutz für
scheinbar noch unmündige und labile Sprösslinge unbedingt erforderlich ist.
Was
aber, wenn die Kinder recht hell im Kopf, sexuell erlebensdurstig und
allen Genüssen des Lebens gegenüber sehr aufgeschlossen sind? Auch da
muss jedes Hindernis aus dem Weg geräumt werden!
Ist
die Ausbildung gescheitert oder in einer scheinbar nie endenden Phase,
dann bietet sich zur Abrundung der Probleme eine Schwangerschaft und
gegebenenfalls auch eine Studenten-Ehe an. Kommt die Ehe nach dem ersten
Kind in eine kritische Phase, so ist ein zweites Kind die Lösung. Merke:
Kinder können Ehen kitten!
Mal
ehrlich: Welcher Graukopf kann da als Elternteil ruhig zusehen? Da muss
man doch einfach helfen. Stillen - bis die Brust schmerzt, so könnte man
die meist von den Müttern bzw. den Graukopf-Omas ausgehenden
Unterstützungshandlungen umschreiben. Die Väter handeln gegenüber ihren
Töchtern allerdings meist ähnlich. Komischerweise werden die Söhne viel öfter
ihrem Schicksal überlassen.
Wie
sieht nun die Hilfe aus, die Grauköpfe bieten, ja förmlich aufschwatzen?
Man
nimmt sich zunächst erst einmal der Enkel an. Graukopf-Opa hat ja auch
unglaublich viel an Wissen und Lebenserfahrung zu bieten. Oft auch die,
dass man bei den eigenen Kindern etwas falsch machte und das nun an der
nächsten Generation wieder gut machen möchte. Opa war ja auch - als er
Vater wurde - noch nicht so erfahren wie heute und hat mächtig
dazugelernt.
Das
Enkelkind soll natürlich auch all das erreichen, was Opa nicht erreichen
konnte. So werden aus Enkeln oft vermeintliche Wunderkinder und deren
Entwicklung verläuft zunächst prächtig. Irgendwann merkt man, dass aus
den lieben Enkeln kleine, egozentrische Klugscheißerchen wurden, die
überall mitreden - nur in der Schule nicht. Dort hat sie inzwischen die
Realität eingeholt und sie werden zu Außenseitern.
Die
Eltern dieser Enkelchen können sich in manchen Fällen zu wahren
Parasiten entwickeln, wenn sie ihrer Probleme nicht Herr werden und wenn
sie das
permanente Entgegenkommen und die Aufopferung der Großeltern gewissenlos
ausnutzen. Reißt irgendwann das kräftig überdehnte Band, dann
entstehen erst die richtigen Probleme.
Man
stellt fest: Die Grauköpfe verhalten sich
anders, also sind sie die Übeltäter.
Gleiches
passiert auch, wenn die ach so unterstützten Traum-Ehen platzen und der Spross
mit seinen Nachkömmlingen vor der Tür steht. Dann erkennen die
Grauköpfe, was ihre permanente Einmischung und Unterstützung anrichtete.
Sie verhinderte, dass sich eine junge Familie selbstverantwortlich so
entwickeln konnte, dass sie stabil funktioniert und sich die Enkel relativ
normal und altersgerecht entwickeln konnten.
Was
könnten Grauköpfe als Erfahrung weitergeben, wenn sie
einsichtig sind?
Sie,
liebe Leser, haben es erkannt und ich auch, wahrscheinlich auch viele
andere Leser. Die
direkt Betroffenen erkennen das gewöhnlich zuletzt. Der
Grund dafür ist einfach: Es wird in bestimmten Situationen gestillt, bis
die Brust schmerzt!
Auf
der Strecke bleiben die Enkel, die unter den Folgen leiden und ihre
Schlüsse fürs weitere Leben ziehen. Nicht selten endet das beim
Kinder-Psychologen oder gar in einer geschlossenen Abteilung. Hauptsache
ist, dass jeder Erwachsene so ganz für sich alles richtig gemacht hat,
denn man will ja immer nur das Beste!
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Sprösslinge
und Enkel sind so furchtbar IN
Wussten
Sie, dass Grauköpfe und Weißköpfe furchtbar konservativ sein
können? Gerade die Enkelkinder können davon ein Lied singen, wenn
sie auf der Höhe der zeitgenössischen Mode sein wollen, die nun
mal nicht konservativ ist. Wer in der heutigen Welt bestehen will,
muss es einfach verstehen, auf sich aufmerksam zu machen. Eine enge
Hose, gut präsentierte Brüste oder ein blanker Bauch können
durchaus von einem unattraktiven Gesicht ablenken.
Das
weiß auch Klein-Julchen, die momentan Uromas alte Klamotten auf dem
Dachboden hervorkramt und ihr Outfit mit den alten Küchengardinen
und den Schuhen kombiniert, die Uroma beim BDM trug. "Grufti-Look"
könnte man es nennen. Beinahe hätte sie sich auch noch das etwas
blind gewordene Mutterkreuz angesteckt. Das hat Weißköpfchen dann
aber doch nicht herausgegeben.
Schwesterherz
von Klein-Julchen ist in der Entwicklung schon einen Schritt weiter
und ihre strammen Oberschenkel zieren weitmaschige schwarze
Netzstrümpfe zum kurzen schwarzen und viel zu engen Rock. Die Haare
sind ebenfalls schwarz, wie alles schwarz ist, was sie umgibt. Stolz
trägt sie ihre diversen Ringelchen in Augenbrauen und im
Nasenflügel zur Schau, die von allerlei Schwächen ablenken sollen.
Hauptsache, das Selbstbewusstsein ist stark!
Beide
noch nicht so ganz Erwachsenen liebäugeln natürlich auch mit
kräftigen Arschgeweihen (grobe, großflächige
Tätowierungen über dem Steiß) und anderen dauerhaften, modischen
Verunstaltungen des Körpers.
Wer
IN sein will, muss schon mitmachen, was alle machen, die meist keine
anderen Vorzüge zu bieten haben.
Fassungslos und bar jeder Möglichkeit der Einflussnahme verfolgen die
irritierten Grauköpfe oder etwas entfernteren Familienangehörigen, was
die Sprösslinge so treiben und fragen sich, wer wann was falsch
machte. Dass
es sich hierbei um einen Defekt handeln muss, liegt nahe, denn man
registriert ja auch viele junge attraktive und intelligente Damen, die mit
einem von den trendigen Cliquen sich klar abhebenden Outfit angenehm
auffallen. Es ist halt heute schwer erkennbar, was normal ist und was
nicht. Umso konservativer das Haus, desto stärker sind in manchen Fällen
die Reaktionen darauf. Feststellbar
ist bei den Jugendlichen auf der einen Seite eine Markenolympiade, die
normalverdienende Eltern nicht durchhalten können und auf der anderen
Seite diejenigen, die sich mit kuriosen und auffallenden Garderoben aus
dem Secondhand-Bereich maskieren. Daneben gibt es die ALDI-Fraktion, die
nur Billigklamotten vom Wühltisch trägt und natürlich die jungen Damen
mit wirklichem Geschmack, die genau wissen, was ihnen steht und nicht
jeden Modefirlefanz mitmachen. Irgendwo dazwischen entscheidet sich dann,
wohin man in diesem Alter gehört - angeblich!? Bestimmt
das Tragen der aktuellen Mode wirklich, zu welchem Kreis man gehört? Grauköpfe
sollten sich viel mehr Zeit dafür nehmen, ihren Sprösslingen rechtzeitig
auf den Zahn zu fühlen, wie selbstbewusst sie wirklich sind und wie
spießig das häusliche Umfeld empfunden wird. Dann sollte man sich auch
viel stärker dafür interessieren, welche Bedürfnisse als vorrangig
empfunden werden. Eine jahrelange gutgemeinte Erziehung nutzt ohne den
Feinschliff recht wenig. Der muss sich aber an der jungen Person und nicht
an der eigenen Lebensauffassung orientieren. Sind
die Sprösslinge erst einmal mangels Feinschliff auf diesem seltsamen
Selbstverwirklichungs-Trip angekommen, dann ist es meistens schon zu
spät. Stellt sich bei den Grauköpfen dann auch noch eine Abscheu gegen
die abartigen Piercings und die als relativ primitiv empfundenen Tattoos
ein, dann schwindet schnell die Achtung voreinander und man entfremdet
sich. Sollten diese gewollten Auffälligkeiten auch noch mit speziellen
Suchtgewohnheiten kombiniert sein, dann hat das In-Sein wahrlich ganze
Arbeit geleistet und die Verführer können zufrieden sein, wieder die
richtige Klientel erreicht zu haben. Grauköpfe
und Weißköpfe können extrem ratlos sein, wenn es keine Verständigung
und keinen Rückweg aus der Modefalle gibt. Mancher fragt sich gar, warum
man überhaupt Kinder in einem bestimmten Erziehungsrahmen großzieht,
wenn es scheinbar fruchtlos war. Vielleicht ist auf der anderen Seite mal
wieder alles gar nicht so schlimm, wenn es erst einmal den Begriff
"Mode-Invaliden" für die gibt, die mit verunstalteten
Gesichtern, Ohren, Zungen, Brustwarzen und wer weiß wo noch überall die
Mode zuschlug, herumlaufen. Dann eint sie wieder das gleiche Schicksal. Dumm
ist nur, dass man das an den wichtigen Stellen des Lebens immer mit
Intelligenz in Verbindung bringt, die man dringend braucht, um erfolgreich
bis zur Rente durchzukommen. Hier wäre ein Gespräch mit den Weiß- und
den Grauköpfen über deren Erfahrungen durchaus aufschlussreich, wenn es
die Borniertheit zuließe. Bis
dahin lebe das Selbstbewusstsein!
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Klimakterium
bei Vollmond
Es
ist wieder soweit - der Morgen graut - oder sollte es besser heißen
"dem Morgen graut"?
Wieder
ist eine Nacht rum, in der man kaum ein Auge zumachte. Das Bett neben
Herrn Graukopf ist leer, nur ein großes, etwas verrutschtes
Frotteehandtuch auf dem Bettlaken und ein Schweißtuch auf dem Kissen
zeugen von einem kurzen heftigen Schlaf der Angebeteten. Durch die Ritzen
des Rollladens scheint ein bleiches Licht - aha - Vollmond. Ist denn schon
wieder Vollmond? Wie spät ist es denn? Ein Blick auf die Uhr bestätigt,
dass es noch nicht einmal 5 Uhr ist. Was ist eigentlich los?
Sanfter
Durchzug signalisiert, dass wieder mal alle Fenster der Wohnung geöffnet
oder gekippt sind, obwohl es nachts bereits empfindlich kühl ist. Als
Graukopfmann muss man schon kerngesund sein, um mit diesen Verhältnissen
fertig zu werden. Der sanfte Durchzug trägt aber auch einen verdächtigen
Geruch durch die Wohnung. Kein Zweifel, es riecht nach frischem
Apfelkuchen.
Apfelkuchen
um 5 Uhr morgens, ein leeres Bett, ein schweißnasses Handtuch, die
Wohnung hell erleuchtet und der Vollmond hoch am Himmel - etwas
fehlt noch, damit es ist wie sonst. Natürlich- im Bad steht
Grauköpfchen, schluckt Hormone und sieht aus, als hätte sie gerade
einen Marathonlauf zurückgelegt. Männer und Frauen meines Alters
kennen das - Klimakterium und dazu noch Vollmond. Eine kompakte
Konstellation!
Ist
einem die Partnerin bisher nur in manchen Situationen etwas fremd
geworden, so häufen sich während der Wechseljahre nicht nur
besagte Situationen, sondern auch die damit verbundenen neuen
Eindrücke. Als etwas zugempfindlicher Graukopf hat man seine Last,
Fenster und Balkontüren so im Auge zu behalten, dass die
Herbststürme nicht so heftig durchs Wohnzimmer toben, während
mittendrin Grauköpfchen mit einer dünnen Sommerbluse schwitzend
und dampfend abstaubt. Irgendwie ist nichts mehr so, wie es mal war.
Auch im kommenden Winter wird man wieder die Heizkörper kalt lassen
können, Dank der ungebetenen Energiequelle, die Herrn Graukopf
umgibt.
Hohe
Temperaturen, die erreichen natürlich auch den Kopf und führen
zudem zu völlig neuen Verhaltensweisen, die recht nervig sein
können. So verdankt der Apfelkuchen, der nachts zwischen Halbdrei
und Fünf Uhr entstand, seine Existenz einer seltsamen Unruhe, die
nicht zu bezwingen zu sein scheint.
So
einen gelungenen Kuchen feiert man vielleicht sogar mit einem Gläschen
Sekt, wenn Grauköpfchen um 5 Uhr früh auf dem Balkon bei einer Zigarette
den prallen Vollmond bestaunt. Und Grauköpfchen ist mit ihrer Unruhe
nicht allein. In der Nachbarschaft sieht man an vielen Stellen Licht in
den Fenstern - Fenster, hinter den Frauen ihres Alters leben. Sie
schmieden bereits Pläne, wohin sie heute wieder ihre Unruhe treiben wird.
Vielleicht zum Shopping oder in den Garten, um - gemessen an der
Jahreszeit - viel zu früh zu beginnen, Pflanzen schweißtreibend aus der
Erde zu reißen und alle möglichen Sträucher zusammen zu schneiden? Ihr
Graukopf soll auf jeden Fall ihr Begleiter sein, auch wenn er heute ganz
andere Pläne hat - schließlich ist er ja zuhause und hat Zeit zu haben.
Das
ist wieder typisch! Immer ist man mit seinen Vorstellungen allein, wie der
Tag nutzbringend anzugehen ist. Ein Blick in diese unruhigen Augen zeigt,
dass jetzt Weitblick gefragt ist, jene Art von Verständnis, die nur noch
süßsauer schmeckt und auf dessen Geschmack man getrost verzichten
könnte. Das sind die Momente, in denen auch die eigene Temperatur zu
steigen beginnt und in denen man sich dem Partner komischerweise umso
näher fühlt, je fremder er einem wird. Vielleicht, weil man die
Wechseljahre ebenfalls gemeinsam und erfolgreich bewältigen möchte, wie
so vieles zuvor.
So
ändert man zweckmäßigerweise die eigene Kleidung, um den frostigen
Temperaturen zu trotzen, arrangiert sich mit unruhigen Nächten, vertilgt
Mitternachtsbackwerke und lässt sich von allerlei Kuriosem bei langsam
schwindendem Vollmond überraschen, denn der Tag wird gemeinsam wirklich
schön werden, wenn er anders verläuft, wie der Gestrige.
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Weggabelungen
ins Alter
Für
alle Grauköpfe kommt irgendwann der Moment, an dem man auf wirtschaftlich
veränderten Füßen steht. Dieser tritt meistens mit dem Eintritt in die
Rente bzw. der Altersbezüge ein. Auf der Sonnenseite stehen hier
Berufspolitiker und ehemalige Wahlbeamte, die nicht selten mehr als das 5-
bis 10-fache der normalen gesetzlichen Altersrente bekommen. Auch leitende
Angestellte von Großkonzernen sind neben ihren Einnahmen aus
Vermögenswerten mit guten Pensionen abgesichert. Selbständige können
viele Dinge des normalen Lebens über Firmenkosten abrechnen und werden
dafür sogar noch vom Fiskus belohnt. Ganz
anders sieht es bei den ganz normalen Rentnern aus, die mit maximal 1200 Euro
Rente herum kommen müssen. Wenn Miete und Nebenkosten bezahlt sind,
verbleiben oft nur 300-500 Euro für den Rest, wovon auch noch
wenigstens eine minimalste Absicherung gegen Risiken, die Kleidung,
Reparaturen und Ersatzbeschaffungen bestritten werden muss. Wenn man
auch noch telefonisch erreichbar sein und an den normalsten bisherigen
Dingen festhalten will, dann wird es schon ganz schön eng. Dafür
haben die meisten Menschen - wenn es ihr Verdienst zuließ - etwas auf die
hohe Kante gelegt. Oft sind es ganz schöne Sümmchen, die man mit Sparsamkeit
als Vorsorge zusammentrug - doch die Wirtschaft sowie die
Politik sind ständig bemüht, an diese Pfründe heranzukommen. So werden
die Renten eingefroren, die Zinseinkünfte immer drastischer besteuert,
die Energiekosten lässt man unter staatlicher Aufsicht explodieren, an
den Gesundheitskosten dreht der Staat höchstpersönlich und den
Immobilienhaien lässt man freie Hand, wenn sie den einstigen Sozialen
Wohnungsbau nach Ablauf der Bindungsfristen in Wohneigentum umwandeln oder
die Mieter, die jetzt oft schon im Ruhestand sind, dem freien Spiel der
Kräfte ausliefern. Die
Folge ist ein Leben an oder unterhalb der Armutsgrenze und der Gang zum
Sozialamt, womit ein Leben in Würde endgültig ausgeträumt ist. Was machen
aber nun die, die eine kleine Zusatzpension und etwas auf der hohen Kante
haben, die dennoch einer ungewissen Zukunft entgegen sehen? Wenn
das gesparte Geld wirklich reicht, um Wohneigentum zu erwerben, und wenn
man optimistisch und willens ist, dieser Welt noch einige Jahrzehnte zu
trotzen, dann sollte man das machen. Es sichert zumindest ein Zuhause,
denn mit zunehmendem Alter nagen Umzüge gewaltig an der Psyche und der
Gesundheit. Die Nebenkosten wird man aufbringen können. Auch das
Zusammenrücken der Generationen kann ein sinnvolles Modell sein, wenn
alle Personen dazu bereit sind. Leider ist das in den wenigsten Familien
der Fall. Es
gibt aber auch Grauköpfe, die infolge gesundheitlicher Einschränkungen
einen nicht so optimistischen Lebensnerv haben und deshalb lieber ihre
Ersparnisse in einen ansprechenden Lebensstil investieren und auf Reisen
gehen. Sie haben sich womöglich bereits darauf eingestellt, ihr Leben in
einem Seniorenheim zu beenden, wenn die Ersparnisse aufgebraucht sind. Bis
dahin hatten sie wenigstens ein besonders ansprechendes Leben. Die
Mehrzahl der Grauköpfe scheint allerdings den Kopf in den Sand zu stecken
und irgendwie so weiter zu wursteln wie bisher. Es wird halt immer enger
und man glaubt, dass im Alter auch die Bedürfnisse immer mehr sinken
werden. Sie werden sich aber irren, denn die Lebenserwartung steigt und in
einem Jahrzehnt wird die Rechnung nicht mehr aufgehen. Da auch die Politik
darauf noch keine brauchbare Antwort gefunden hat, wird ein Leben unter
Sozialhilfe und in Armut die Folge sein. Für
die Grauköpfe ist es jetzt schon zu spät, ohne Ersparnisse und eine
Zusatzaltersversorgung aus dem Dilemma heraus zu kommen. Die
nächstjüngere Generation dürfte es bereits schwer haben, eine
angemessene Zusatzversorgung aufzubauen. So bleibt vielen Menschen nur die
Hoffnung auf eine bescheidenes Erbe oder einen Lottogewinn. Wo
sind wir nur hingekommen, Herr Blüm!? |
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Mensch
und Verein
Während
der langen Jahre des Schaffens sind Grauköpfe natürlich auch in Vereinen
oder zumindest einem Verein engagiert. Das kann ganz unterschiedliche
Gründe haben. Der gängigste Grund ist der, dass man ein ausgesprochener
Vereinsmensch ist, der in der Gemeinschaft bessere Möglichkeiten zur
Verwirklichung findet. Zusammen mit mehreren Könnern auf den
unterschiedlichsten Gebieten lassen sich beachtliche Leistungen
vollbringen, in deren Erfolg man sich dann auch gern sonnt. Ich
möchte bei meinen Betrachtungen mal die Menschen außen vor lassen, die
in einem Verein nur die angenehmen Seiten genießen und am
arbeitsintensiven Teil des Vereinslebens nicht teilnehmen. Sie machen zwar
einen großen Anteil aus, sind aber das tote Kapital eines Vereins. Viele
jetzige Grauköpfe blicken auf Vereinsjahre zurück, in denen sie
sich äußerst und aus den unterschiedlichsten Gründen engagierten.
Sie prägten oft die Zeit, in der sie wirkten. Diejenigen, die auch
als Grauköpfe noch das Geschehen bestimmen wollen, sind oft auch
diejenigen, die eine Verjüngung der Riege der Macher und Schaffer
ver- oder behindern. Sie müssen rechtzeitig erkennen, wann ihre
Zeit um ist und die Geschicke in jüngere Hände gelegt werden
sollten. Hierbei kann es zu Situationen kommen, in denen Grauköpfe
unterstützend tätig werden, um den Übergang zu begleiten, zumal
die Jüngeren zunehmend Probleme während der Ausbildung und im
Berufsleben bekommen.
Das
Hauptproblem der Grauköpfe ist dabei, sich mit den Vorstellungen
und Ideen der Jüngeren auseinander zu setzen und das auch in die
eigenen Überlegungen einzubinden. In vielen Fällen ist
Überzeugungsarbeit zu leisten, gerade wenn altbewährte Konzepte
infrage gestellt und durch neue ersetzt werden sollen. Grauköpfe
möchten natürlich vermeiden, dass alte, längst ausgeräumte Fehler
wiederholt oder gar Rückschritte gemacht werden. Aber auch beim
Fortschritt gibt es Überlegungen, bei denen Erfahrung hilfreich
ist. Dies zu vermitteln und eventuell erfolgreich gestaltend mitzubegleiten, ist
mit zunehmendem Alter immer schwieriger. Wenn
man einmal genauer hinsieht, dann begegnet man als Graukopf exakt den
gleichen Verhaltensweisen, die man früher vermeintlich erfolgreich
gegenüber den damaligen Grauköpfen anwandte. Das Experimentieren gehört
einfach dazu und keine Erfahrung ist so gut, wie die, die man selbst
macht. Das bedingungslose Hören auf Ratschläge aus einer anderen Zeit
wird immer den Zweifel offen lassen, ob es anders nicht doch besser
gewesen wäre. Sich
permanent diesem Spiel auszusetzen, bedeutet für den Graukopf, vielfach
entgegen der eigenen Überzeugung handeln zu müssen, wodurch der Spaß an
der Sache verloren geht. Es erfolgt ein Rückzug auf Raten. Viele ehemalig
Macher meines Vereins sind inzwischen in den Hintergrund getreten und in
den nächsten zwei Jahren werden weitere Ruheständler diesen Schritt
vornehmen und ganz genau beobachten, was sich an Veränderungen ergibt.
Nur so lebt ein Verein und die Grauköpfe gelten als stille Reserve des
Vereins, die nicht selten nochmals zum Einsatz kommt, weil es hier und da
doch noch an Erfahrung mangelt. Es
gibt aber auch Vereine, in deren Spitze fast nur Grauköpfe, wenn nicht
sogar Weißköpfe zu finden sind, die sich auf diese Art ihre Wichtigkeit
und ihre Stellung in der Öffentlichkeit erhalten wollen. Sie genießen
das Ansehen, das man eigentlich dem Verein entgegen bringt. Entweder sind sie
Galionsfiguren des Vereins, dessen Arbeit andere Generationen leisten
oder sie stehen einem Verein ohne Zukunft bevor, weil die Jugend keine
Chance bekommt. Die Folgen sind gravierend. Als
Graukopf gilt es also, das Feld zu räumen, wenn guter Nachwuchs in die
Spitze drängt oder sich dafür empfiehlt. Das muss sehr
verantwortungsvoll ablaufen und gewährleisten, dass möglichst viel
Wissen übergeleitet wird. Die Erfahrung kann zwar auch vermittelt werden,
muss sich jedoch auf dem Experimentierfeld bewähren, das unbedingt
erforderlich ist, damit sich der Verein weiterentwickelt. Findet nur ein
Wachwechsel per Nachahmung ohne eigenes Talent und Können statt, so
müssen Andere Teilfunktionen übernehmen, um Substanzverlust zu
vermeiden. Als
Graukopf muss man es lernen, in bestimmten Situationen den Mund zu halten
und an den entsprechenden Stellen wortlos zu leiden. Wer das nicht kann,
der wird schnell als Störenfried empfunden und entsprechend behandelt. Da
stellt man sich schon mal die Frage, ob das die ganze Mühe in all den
Jahren wert war. Je nachdem, wie die Antwort ausfällt, entwickelt sich
die eigene Reaktion. |
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Die
Glotze
Die
heutigen Grauköpfe sind praktisch mit dem Fernsehen aufgewachsen.
Gerade mal die Kindheit war davon ausgenommen, weil erst das
Wirtschaftswunder das Fernsehen in die Wohnzimmer brachte. Als
Kinder und als Heranwachsende standen sie noch vor den Schaufenstern
der einschlägigen Geschäfte, um interessante Sendungen zu
verfolgen. Mit der Zeit wurden die Abende, an denen gelesen oder
gemeinsam gespielt wurde, als man ein gutes Buch las oder einfach
früh zu Bett ging, vom wortlosen Blick in die Glotze abgelöst.
Man
trinkt, raucht, knabbert oder schlemmt dann, wenn man über die
offene oder die versteckte Werbung dazu animiert wird und man
geht sogar soweit, das man sich in Serien die Belanglosigkeit des
Alltagslebens ansieht. Fernseh-Gerichtsverhandlungen und die eine
oder andere flache Talkshow vermitteln, dass man immer noch nicht zu
den flachen Geistern der Nation gehört, die sich auch noch
öffentlich produzieren.
Was
die Abende gelegentlich noch kommunikativ und lebhaft macht, ist
der Kampf um die Fernsteuerung, die meistens der Familienvorstand in
Verwahrung hat. Zu groß sind die unterschiedlichen Interessen.
Wochentags gehört die Fernsehhoheit tagsüber der Hausfrau. 20 Uhr
ist generell der Tagesschau reserviert, wenn man nicht schon um 19
Uhr die Heute-Sendung verfolgte. Danach beißen sich die Interessen
- besonders, wenn Sport auf der Tagesordnung steht, was sich mit
Carmen Nebel, Rosamunde Pilcher oder einem "Tatort"
beißt.
Der
Ausweg ist der Zweit- oder Drittfernseher, was natürlich mit einem
Raumwechsel verbunden ist. So verbringen viele Ehepaare ihre Abende
räumlich getrennt, weil das Fernsehen sie auseinander bringt. Irgendwann
trifft man sich im Ehebett wieder.
Seitdem
die Grauköpfe als Ehepaar oder in Partnerschaft lebend sich selbst
überlassen sind, weil die Kinder aus dem Haus sind, gibt es wenigstens nicht mehr die Fernsehinteressen der
jungen Generation, die dazwischenfunkten. Aber auch Eltern der Grauköpfe
können das Fernsehleben gewaltig vermiesen, wenn sie partout ihre
Lieblingssendungen sehen wollen. Man bugsiert sie dann ganz schnell vor ihre
eigenen Glotzen, damit wieder Ruhe ist. So führt das Fernsehen
allmählich zur Separierung der Interessen und mancher Graukopf verfolgt
wichtige Fußballspiele bei einigen Bierchen sogar lieber in der "Sportsbar". Was
George Orwell bereits thematisierte, beherrscht heute die Wohnzimmer. Man
kauft, was angepriesen wird, Werbung reduziert sich auf die Vermittlung
eines Gefühls ohne überhaupt auf die Qualität der Produkte einzugehen
und man erliegt dem Gefühl, dass man das alles ebenfalls haben muss.
Fehlt momentan das Geld dazu, dann werden Kredite angeboten, die alle
Wünsche erreichbar erscheinen lassen, obwohl der Zustand der knappen
Kasse bereits chronisch ist. Auf bestimmten Kanälen werden allerlei
Sachen über seichte Überzeugungsdebatten theatralischer Akteure
angeboten, denen anschließend 190er-Nummern folgen, die man nur
anzuwählen braucht. Zur
Informationsflut gehören aber auch die vielen Dokumentarsendungen, die
sich mit der Natur, fernen Ländern, der Geschichte in diesen Ländern und
allerlei Wissen befassen. Gerade die noch immer nicht bewältigte jüngste
Geschichte unseres Volkes ist tagtäglich auf allen möglichen Sendern
Gegenstand dokumentarisch aufbereiteter Archivaufnahmen, die man oft so
noch nicht sah. Dazwischen zum soundsovielsten Mal der Holocaust, Tod und
Zerstörung als gelte es, die Schuldgefühle der Nation und auch der
Generationen, die nichts mit dem NS-Regime zu tun hatten, wach zu halten.
Fernsehen indoktriniert und seine Macher nutzen das für ihre Zwecke. Mal
patriotisch, wie zur Fußball-Weltmeisterschaft, mal nationalistisch, wenn
bestimmte Politiker das Wort erhalten und selbst braune Inhalte - alles
wird über die Glotze transportiert. Filme,
Musiksendungen und sonstige Darbietungen beeinflussen die Mode, den Konsum
und unsere Gewohnheiten. In den Werbepausen wird sogar der Konsum
von Arzneimitteln angepriesen, die von der Kontinenz bis zur
Gelenkschmerzfreiheit, Befreiung von Schlaf- und Essstörungen, Potenz und
faltenfreies Aussehen - ja, sogar die Jugendlichkeit wiederbringen sollen.
Alles Lug und Trug und einfältige Grauköpfe mittendrin, die damit
eigentlich überfordert sind. Man
sollte mal wieder die Glotze abschalten und sich miteinander beschäftigen
wie in alten Zeiten. Vielleicht ist ja doch noch nicht alles gesagt, alles
erlebt und einige Träume noch nicht tot. Warum bringt nur die Trennungen vom
Partner Veränderungen mit sich? Es liegt an einem selbst, wie man die
Abende gemeinsam verbringt. Die Glotze unterhält und trennt zugleich, sie
verführt, informiert und lullert ein - sie beherrscht vielfach unser
Leben. Das merkt man aber erst, wenn die Glotze mal streikt.
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Demographische
Depression
Weißköpfe
und Grauköpfe haben naturgemäß die aktive Schaffensphase hinter sich
und können das genießen, was sie sich in all den Jahren erschaffen
haben. Hinzu kommen natürlich auch Erbschaften, die man als altersmäßig
nächststehende und frohe Erbschaftsgeneration gern einstreicht,
wenn es doch die Vorfahren nicht auszugeben vermochten. Das macht doppelt
froh, weil es gegenüber den Nichtwissenden den Eindruck vermittelt, das
sei auf dem eigenen Mist gewachsen. Während viele betagte
Familienangehörige zu Lebzeiten arge Geizhälse sind, so werden sie
später als umso angenehmere Vorfahren empfunden.
Als
Graukopf und Erbschaftsanwärter des unverprassten Familienbesitzes
konnte man in früheren Jahren auf den ungetrübten Übergang des
Besitzes hoffen. Heute giert der Fiskus gewaltig nach
Vermögenswerten und schlägt mit seiner allzu unverdienten
Erbschaftssteuer zu, als gälte es, auch die Trauer mitzutragen.
Raffinierte Regelungen werden noch schnell genutzt, damit man dem
Fiskus ein Schnippchen schlagen kann. Das hat aber gefährliche
Seiten, denn es ist natürlich eine Unbekannte, wie sich der
gesundheitliche Verlauf der geliebten Weißköpfe gestaltet, die man
vorzeitig beerbt. Heute sind Pflegeheime der höchsten Pflegestufe so teuer
geworden, dass man schnell an das Vermögen der Angehörigen geht,
wenn diese vorzeitig in den Genuss des Erbes kamen. So wirken die
Gesetze stark auf das Sicherheitsbedürfnis der Weißköpfe ein, die
sich natürlich ungern in die Hände ihrer Nachfahren begeben
wollen.
Quälend
ist auch die Frage, in welcher Reihenfolge man von dieser Welt
abberufen wird und wie sich dadurch die Erbfolge gestaltet. Schnell
könnten Personen begünstigt werden, denen man zu Lebzeiten nur
höchst ungern zugetan war. Jeder hat wohl den insgeheimen Wunsch,
nicht der Nächste zu sein, der gehen muss - zumal in vielen Fällen
der überlebende Teil schon ganz gut weiß, was er mit dem
Alleinerbe anfangen würde.
Bis
es aber soweit ist, leben die Grauköpfe mit den Weißköpfen die
bekannten Rituale aus, die immer wieder zeigen, wer gerade
Gralshüter des Familienerbes ist. Nach Außen hin verleiht man dem
Status einen standesgemäßen Anstrich, indem man einen bestimmten
Stil pflegt, obwohl man aber auch nicht zu viel zeigen will.
In
der Regel wird dann auch die Schmuckschatulle herausgeholt, um damit
die schwindende Schönheit zu kaschieren. Das erinnert oft an buntes
Herbstlaub und seltene, noch nicht abgefallene Früchte, die zu
gefallen wissen. Wo das eigentliche Niveau der Trägerinnen zu
suchen ist, erkennt man dann an den Gesprächsinhalten und der
Ausdrucksweise, die schon zum gewaltigen Kontrast zum
zelebrierten Wohlstand werden können. Nichtfamilienangehörigen
anderer Wohlstandskreise, denen es gelingt, beides gut zu
kombinieren, sagen die ewigen Lästermäuler aus reiner
Vergeltungssucht natürlich nach, dass sie vom Pump leben, dessen
Früchte sie mit Pomp zelebrieren. Nicht selten sind sie die
angesehensten Bürger einer Kleinstadt.
Wenn
es eines Tages wirklich den offenen Kampf der Jungen gegen die Alten
gibt, weil die Jungen das Solidarsystem nicht mehr tragen, aber auch
keine erfolgreiche Familienpolitik gestalten wollen, dann werden die
Grau- und die Weißköpfe ihre geliebten Wohlstandsinsignien
zu verbergen wissen, um dem offenen Konflikt wirkungsvoll zu
begegnen. Es kann dann schnell dazu kommen, dass mehrfach vererbtes
Familienvermögen eher ausgegeben wird als nochmals zu
vererben.
Vielleicht werden eines Tages nur noch Schulden vererbt. Die
Gesellschaft hat es jetzt in der Hand, dem über Jahre geförderten
Einzelegoismus entgegen zu treten, damit das gesellschaftliche
Gefüge wieder ins Lot kommt und das Zusammenleben zwischen Jung und
Alt erträglich wird.
Wir
sind gerade dabei, uns von der Politik mit der Diskussion "Jung
gegen Alt" aufeinander hetzen zu lassen, damit man uns über
den Streit in den Familien ums Erbe ungestört ausplündern
kann. Das Sozialsystem richtet sich ebenfalls immer stärker darauf
aus, die Vermögen von Senioren ungeniert aufzubrauchen. Dem muss
man mit vereinten Kräften entgegen wirken, um die Entwicklung
abzufedern, die natürlich auch einen Namen hat: Demographische
Depression.
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Abturnender
Witwenflirt
Haben
Sie schon einmal versucht, einer Witwe einen gutgemeinten Flirt anzutragen?
Nein?
- Dann haben Sie etwas versäumt!
Natürlich
meine ich nicht einen Flirt im Trauerjahr, sondern danach, auch wenn
die Witwen selbst die Länge des Trauerjahres eigenwillig bestimmen
können. Manche Männer sind bereits lang vor ihrem Tod gestorben -
zumindest für die etwas hibbelige jetzige Witwe, was natürlich die
Intensität der Trauer etwas abmildert. Hier kann die Lust wieder
übermächtig werden und die erotische Wirkung schwarzer Wäsche wahre
Wunder wirken. Und wer schon einmal einen erotischen Moment unter
Krokodilstränen mit tröstendem Vorspiel erlebte, wird wissen, was
gemeint ist.
Nun
gibt es aber auch unvergessene Ehemänner, die heute noch als tote
Messlatten fungieren - eine Funktion, die sie sich weder ausgesucht
noch gewünscht haben. Sie würden heute noch ihre Messlatten mit sich
herum tragen, wenn sie noch unter uns wären und das nicht ihre Witwe
machen würde, die allerdings immer noch nichts Besseres gefunden hat. Dabei geht
von manchen Witwen das deutliche Signal aus, dass sie es noch einmal
wagen würden, einen Mann zu verehren - vielleicht sogar noch etwas
mehr, wenn er denn in die alte Schablone passen würde.
So
kommt es hin und wieder zu unheimlich erotischen Momenten, wenn sich die
Erfahrung eines Frauenlebens mit dem Interesse eines weltoffenen Mannes
kreuzen. Es kann zu heftigen Flirts kommen, bei denen man sogar die
vermeintliche Konkurrenz wegbeißt, um im entscheidenden Moment dann
plötzlich - von den Qualitäten des Verflossenen zu schwärmen.
Das Erotische
an der vermeintlichen Herausforderung verliert sich dann allerdings schnell,
wenn alle exemplarisch vorgetragenen eigenen Leistungen von den Fähigkeiten
des Unvergessenen übertrumpft werden.
So ganz im Unterbewusstsein erahnt
der Flirtpartner, dass er wohl besser seine Hose anlässt, wenn es zum
Höhepunkt der dennoch latent spürbaren Partnersuche der immer noch attraktiven
Angebeteten kommen sollte. Wer weiß, welcher Vergleich ihn da erwartet...
!?
Der
endgültige Abturner ist allerdings, wenn es heißt, man solle doch mal in
dieses oder jenes Kleidungsstück des Verstorbenen schlüpfen, weil man ja
fast die gleiche Figur habe. Das gliche dann schon einer Art
Wiederauferstehung von den Toten, wenn sich der erhoffte Effekt einstellen
würde. Im Schlafanzug, dem Morgenmantel, der noch nagelneuen Unterwäsche
und anderen Kleidungsstücken müsste man dann noch ein lustiges "mein
Hartmut war noch etwas schlanker" hinnehmen oder gar ein "so
gefällst du mir!"
Merken
Sie, wie es in der Magengrube kitzelt? Keine Frau würde in die
vergleichbaren Kleidungsstücke der möglichen Vorgängerin schlüpfen, ihr
Parfum aufbrauchen oder gar Restbestände anderer Frauensachen übernehmen,
um dem neuen Galan zu gefallen. Wer will schon in die Rolle der lebenden
Kopie eines oder einer Verstorbenen schlüpfen?
Darum,
liebe Witwen und Witwer im besten Graukopfalter, überlegt es Euch gut, ob
Ihr wirklich einen neuen Lebenspartner oder eine Partnerin sucht, die eine
echte Chance haben, Euer neuer Lebensmittelpunkt zu werden. Wenn das
Vergangene nicht zu toppen ist - was ja vorkommen soll - , dann gebt echte
Gefühle auf, denn Ihr seid für immer vergeben. Solange Eure Schränke noch
voller Erinnerungen in allen Kleidergrößen sind und Ihr Euch mit den
Hobby-Reliquien des ehemaligen Partners umgebt, solange seid Ihr nicht
wirklich frei.
Besser
haben es da die Lebenslustigen, die nach vorn blicken. Sie räumen
konsequent auf und reduzieren ihr Umfeld auf die eigene Person. Das macht
sie wieder attraktiv, weil sie sich schnell wieder neu auf das Leben
einstellen. Das verleiht eine späte Frische und sendet attraktive Signale
aus. Mancher und Manche findet auch wieder eine alte Liebe, die neu
entflammt. Grauköpfe, denen das passiert, erkennt man an ihrem permanenten
Strahlen, frischer Bräune und an ihrer lockeren Art.
Vergleiche
mit der Vergangenheit würden da erheblich stören.
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Die
Erfahrung des Weltkrieges prägt
Wenn
Weißköpfe und Grauköpfe mit jüngeren Generationen zusammentreffen,
dann kommt sehr oft die Rede auf "alte Zeiten", in denen alles
angeblich viel besser
war als heute.
Gelobt werden die damalige empfundene Sicherheit, die
Ordnung und die Pflege typisch Deutscher Werte. Dabei ist immer wieder
eine Distanz zu den hier lebenden Ausländern feststellbar. Manche gehen sogar so weit,
dass sie die hier lebenden Ausländer wieder nach Hause schicken würden,
weil sie um die typisch Deutschen Lebensformen, Sitten und Gebräuche
fürchten. Ihnen waren in jungen Jahren Ausländer nur als Zwangsarbeiter
oder Kriegsgefangene geläufig und nach dem Kriegsende waren ihnen die
Ausländer als Besatzer und vielfach angeblich sittenverderbende Fremde und später dann
als
Gastarbeiter begegnet. Ja im Urlaub, da gab es ja auch die Ausländer.
Dort gehörten sie aber auch hin und für kurze Zeit war man ja selbst
Ausländer. Ein bedrückendes Gefühl - zumindest für die
Weißköpfe.
Grauköpfe
ohne die direkten Kriegserfahrungen erlebten die westlichen Ausländer vornehmlich als diejenigen, die ihnen zunächst die
Freiheit und dann die Demokratie brachten,
die ihnen halfen, wieder auf die Füße zu kommen - ja, ihnen sogar einen
bescheidenen Wohlstand ermöglichten, bis sie vielfach dann Jahre
später ihre Firmen
aufkauften und zunehmend und unverhofft ihre Existenz bedrohten. Auf diesem Boden kann
ebenfalls nur sehr wenig gedeihen.
Auch wenn man das nicht verallgemeinern darf, so spürt man
sehr oft, dass die Deutsche Identität der Weißköpfe vielfach noch vom
Stolz der durch Übermacht Besiegten geprägt ist, dem man
nach dem verlorenen Krieg die Kapitulation aufzwang und beiden Teilen
Deutschlands über 40 Jahre lang konträre ideologische Systeme
überstülpte, die sich heute auf wundersame Art vereinigen sollen. Wen wundert
es deshalb, dass fast alle zusammenlebenden Generationen wegen der so
unterschiedlichen jahrelangen politischen und ökonomischen Ausrichtung der Meinung sind, dass es noch Jahrzehnte dauern
wird, bis man von einer wirklichen Einheit der Deutschen sprechen
kann. Man macht dafür natürlich im Kern den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen
verantwortlich, obwohl das zu einfach ist.
Aus diesem Grund ist es
gefährlich, über
Patriotismus durch emotionalisierte Fußball- oder Handball-WMs und ähnliche Events
leichtfertig zu einem Nationalismus
hinzuführen, der diese immer noch nicht verheilten nationalen Wunden
aufbrechen lassen könnte. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden ebenfalls
nationale Gefühle geschürt, die den Weg für die Nazi-Diktatur
ebneten. Offene Gespräche zwischen den Generationen sind deshalb wichtiger
denn je.
Leider
verlaufen manche dieser Gespräche nicht so, wie man sich das
wünschen würde, denn viele Weißköpfe fühlen sich sofort persönlich
angegriffen, wenn es um die Gräueltaten der Wehrmacht, den
Holocaust, die politische Verfolgung Andersdenkender, den sinnlosen
Tod und Vertreibung von Millionen von Menschen geht. Sie haben gegen
die Vorwürfe des Geschehenlassens eine
passende Strategie parat. Für alles
ist heute der unfähige Gefreite des ersten Weltkriegs, der
linkische Vierteljude und später ausgerastete Machtmensch Adolf Hitler
verantwortlich, dem allerdings viele Millionen Menschen zujubelten
und in dessen Politik sie den Aufbruch in eine völlig andere Welt
sahen - eine Welt, in der Deutschland und Japan eine beherrschende
Rolle spielen sollten. In viele Karrieren wurde damals bereits
der Endsieg eingeplant.
Dass die Vision so gründlich daneben ging,
hielt damals
zunächst kaum jemand für möglich. Das Schicksal der Juden in Deutschland und
in den
von Deutschland besetzten Ländern kannte angeblich kein Mensch - allenfalls,
dass sie irgendwohin gebracht wurden, wovon sie nicht mehr zurück
kamen...!? Das Bild des guten Deutschen soll auf jeden Fall
stimmig bleiben.
Dass große Gebiete des
Deutschen Reiches heute zu Polen, Russland, Tschechien u.s.w.
gehören, geht aus vielen Köpfen heute noch nicht heraus und auch ein
vereinigtes Europa kann das nicht ändern. Die Landsmannschaften
hielten und halten die Erinnerungen und die unterschwellig
erhobenen Ansprüche nach wie vor hoch. Tagtäglich finden Gruppenreisen in
diese Gebiete statt, bei denen Weiß- und Grauköpfe ihren
Nachkommen zeigen, wo einst ihre Wurzeln waren.
Im Zeitalter des Internets
wachsen ständig die Informationsstrukturen über dieses Kapitel der
Geschichte. Man braucht nur mit Suchbegriffen wie
"Königsberg", "Heiligenbeil", "Frisches
Haff" oder "Sudetenland", "Asch" etc. ins
Internet zu gehen und man stößt auf die vielen Augenzeugenberichte
von Weißköpfen, die das Grauen des Kriegsendes auf erschütternde
Weise fest hielten. Weißköpfe, die noch tiefer eintauchen, suchen
mit Begriffen, die bedeutende Kriegsschauplätze benennen, um nach dem
Schicksal von Menschen zu forschen, die sie verloren haben. Die Chancen,
erfolgreich zu sein, stehen manchmal gar nicht so schlecht.
Es
wäre falsch zu glauben, nur uns Deutsche würde diese Zeit interessieren.
In anderen Ländern ist es die gleiche Suche nach dem "Warum" und
nach den Spuren dieser Zeit. Das Fernsehen befasst sich nach dem Öffnen der Archive ebenfalls sehr stark
mit der Aufarbeitung der Vergangenheit,
was die generationenübergreifenden Diskussionen in vielen Wohnzimmern
anheizt. Dabei stellt die junge Generation oft die simple Frage, ob denn
Kriege zu führen das richtige Vorgehen sei, wenn man heute doch friedlich und mühelos an die gleichen Orte Europas gelangen und sich dort
sogar problemlos niederlassen kann. Hier endet der Dialog häufig, weil
Weißköpfe darauf keine Antwort mehr parat haben. Zu viele Opfer waren
absolut sinnlos.
Viele
Weiß- und Grauköpfe sehen heute in den Kriegen rein wirtschaftliche
Beweggründe der Machthabenden und deren Steigbügelhalter, die über die
Zerstörung von Infrastrukturen und die systematische Dezimierung der
Menschen führt, die man auf lange Sicht nicht mehr ernähren kann. Man
fände das womöglich bestätigt, da der nun hier schon sehr lang anhaltende Frieden als Hauptursache für alle
wirtschaftlichen Probleme und die Störungen im Generationenvertrag sowie
in der Solidargemeinschaft gilt.
Vielleicht haben sie, die sie glaubten, es
gäbe nach diesem verheerenden Weltkrieg nie wieder Kriege, besser als die
heutige Generation erkannt, dass die Wirtschaftsgewaltigen zusammen mit
den Politikern in sehr hohem Maß für Kriege und Krisen verantwortlich
sind, ja diese bewusst provozieren. Macht gehört zu ihren primären
Interessen. Bringen sie nicht den Tod, dann wenigstens Armut, Hunger und
Elend über diejenigen, die ihren Wert als Wirtschaftsfaktor verloren
haben.
Die
heutigen Kriege sind zunehmend börsennotiert. Der
Preis dafür kommt dennoch in Leichensäcken zurück, wie eh und je. Die
Entscheidungen fallen auf dem gleichen Börsenparkett, auf dem trotz weltweiten Überflusses
auf der Welt millionenfach infolge von Hunger, Armut und
Krankheit gestorben wird. Auch das erfahren die Senioren, die oft nur mit Glück dem frühen
Tod
entronnen sind, täglich über die Medien. Manche fragen sich, ob das
nicht brutaler ist als das, was sie erleben mussten.
Die
jetzigen Weißköpfe als Zeugen einer schrecklichen Zeit werden bald nicht
mehr unter uns weilen. Dennoch werden sie vielfach bis zum letzten Atemzug die
Werte verteidigen, die in der damaligen Zeit hoch im Kurs standen, auch
wenn sie im krassen Widerspruch zum Ausgang der Geschichte stehen. Viele
bundesdeutsche Politiker bestellen heute wieder das alte Feld, um an
diese Werte anzuknüpfen, weil sie wissen, dass sich auf diesem Nährboden
gut aufbauen lässt. Man muss nur aufpassen, welche Saat sie anschließend
in diesen Boden legen wollen oder werden oder vielleicht schon längst
gelegt haben.
So, wie die Werbung heute noch auf den Rezepten von Göbbels
zur Massenmobilisierung aufbaut, so befassen sich bestimmte Kreise mit diesen
gefährlichen Mitteln der Macht. Oft blicken die erfahrenen Weiß- und
Grauköpfe besser durch als die gelangweilte Gegenwartsgeneration und könnten vor den Folgen warnen. Nur - es hört kaum
jemand zu.
So
behalten sie ihre Lebenserfahrung viel zu oft für sich und
leben von der Zuversicht, dass ihnen die Wiederholung typisch Deutscher
Fehler infolge ihres Alters erspart bleibt. Warum soll in ihren Augen die heutige
Generation nicht den gleichen hohen Preis für spätere Lebenserfahrung
bezahlen, wenn sie nicht auf ihre Alten hört? Vielleicht erahnen Sie
jetzt, was hinter manchem wissenden Blick und beredtem Schweigen steckt...
!
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Würde
durch Alter oder
altern mit Würde
Das
Leben formt die Menschen auf vielfältig Weise und mit zunehmendem Alter
wächst deren Bedeutung - zerbröselt aber genau so schnell, wenn der
Zenith überschritten ist. Was sich Grauköpfe einmal an
entgegengebrachter Achtung und Wertschätzung erarbeitet haben, zerrinnt
zum Teil, wenn sie aus ihrem tätigen Umfeld heraus genommen werden.
Absolut zeitlos konserviert bleiben dagegen die in einem weiten Umfeld
empfundenen menschlichen Stärken und Schwächen, die mit fachlichen
Qualitäten absolut nicht zu tun haben. Sie beeinflussen höchstens die
Meinung über das "Wie" und das "Warum" des
Geleisteten.
Nehmen
wir mal das Ende des Berufslebens der Grauköpfe als wichtigen
Meilenstein der eigenen Persönlichkeitsempfindung. Hier greift das
Bewusstsein, was man leistete und erreichte, aber auch, was einem
vom beruflichen Umfeld unterschied. In einer führenden Rolle sieht
dieses Gefühl ganz anders aus als nach einer endlich zuende
gegangenen Phase der beruflichen Bedeutungslosigkeit. Während bei
beiden Extremen das eigene Wertempfinden recht klar ist, sind
Menschen im unbefriedigten Zwischenstadium geneigt, ihre persönlich
erwünschte Bedeutung schön zu färben. Das geschieht außerhalb
des früheren Wirkungskreises, der natürlich dafür ungeeignet ist,
weil er ja die "Wahrheit" kennt.
Also
bauen sich manche Grauköpfe flugs eine neue Welt zusammen und
besetzen in ihr die erträumte und später sogar empfundene
Lieblingsposition. So werden recht spät geheime Berufswünsche und
zweite Karrieren wahr. Einer der beliebten Spielplätze ist die
Kommunalpolitik, aber auch späte Karrieren in Vereinen und
Organisationen sind beliebte Betätigungsfelder.
Vielen
Grauköpfen wird dabei gar nicht bewusst, dass sie diese neuen
Karrieren menschlich gesehen völlig nackt beginnen und ihr
bisheriger Status nahezu keine Rolle spielt. Dennoch bringen sie
ihre einst erworbene Würde mehr oder weniger gekonnt ein, auch wenn
dem neuen Umfeld dazu völlig der frühere Bezug fehlt. So
kann man zum Beispiel die alte beruflich genutzte Garderobe noch
einsetzen, die bisher doch immer so wichtig für die eigene
Identität war. Oft hat das auch in der neuen Welt eine Bedeutung,
wird jedoch vielfach lediglich als Teil des subjektiven Empfindens und
eher als leichtes Stützkorsett verstanden.
Aber
auch diese Phase der Neufindung stößt bald an ihre Grenzen, wenn
es nicht gelingt, in der neuen Rolle entsprechend authentisch zu
wirken. Charakter, Wesen, Funktion und Position müssen zueinander
finden und vom Umfeld auch als stimmig empfunden werden. Ansonsten
wird man so empfunden, wie man es sich von sich selbst eher nicht
wünscht - irgendwie nackt eben...!
Bei
zu viel hinüber geretteter Würde geht automatisch die Frische
verloren und man altert schneller, als es bei Menschen mit anderer
Lebenseinstellung der Fall ist. Kürzlich wurde die Frage in den
Raum gestellt, was man denn nach all den Verjüngungen in den
Vereinen mit den alten oder zumindest älteren Vereinsmitgliedern
macht. Die Antwort darauf kam spontan von einer jungen Spitzenkraft
des Vereins, die sagte, "Wir brauchen die älteren und
erfahrenen Mitglieder für unsere eigene Entwicklung, denn ihre
Erfahrung ist äußerst wichtig!"
Es
ist die Erfahrung und die Bereitschaft, diese auch weiter zu geben,
die von den Jungen geschätzt wird. Ob sie allerdings vorhanden ist
und auch würdig genug, weiter gegeben zu werden, entscheidet sich
einzig durch die registrierte Leistung, Frische und
Zukunftsfähigkeit des Graukopfes. Wer nur einen Affenfelsen besetzt
hält, hat heute keine Chance mehr, schon gar nicht hinsichtlich Achtung und
Würde. Gerade in der Politik gibt es dafür prominente Beispiele.
Wer
innerlich jung bleiben will, muss dem Wandel und der Veränderung
positiv gegenüber stehen und loslassen können. Leider gibt
es in Vereinen immer noch ein falsches Karrieredenken und mancher
Erster Vorsitzender würde niemals mehr Zweiter Schriftführer sein
wollen. Dabei ist es wichtig, genau diese "Paten"-Rollen
zu übernehmen, damit sich die in der Verantwortung befindlichen
jüngeren Vereinsmitglieder besser entwickeln können. Hier spielt
jedoch die bittere Erfahrung aus dem Berufsleben eine schlimme
Rolle, weil eben generell die Älteren von den Jungen verdrängt
werden. Ich sage es nochmals: "Man muss rechtzeitig loslassen
können!" Dann kann man auch in Würde altern und dennoch im
Geist jung bleiben.
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Wenn
der Haussegen schief hängt
Dicke
Luft bei Graukopfs - die Welt gerät mal wieder aus den immer
morscher werdenden Angeln. Die Gründe sind vielschichtig und der
Auslöser ist es kaum wert, dass man ihn erwähnt. Es hat sich mal
wieder einiges aufgestaut, was wie in einem Brutkasten im negativen
Sinn prächtig gedieh. Heute muss es raus, denn das Maß ist wieder
mal voll!
Doch
- wie fängt man das an? Es muss unbedingt ein Grund her, ein
"Aufhänger", der die Möglichkeit bietet, um - wenn auch
auf Unwegen - zum eigentlichen Anliegen zu kommen. Das geht am
besten, wenn man irgend eine vermeintlich eindeutige Schuldsituation
benutzt um dann mit einer Eskalationsstrategie zum eigentlichen
Anliegen zu kommen - diesem spitzengereiften Gefühlskompost, der
jetzt raus muss.
Wichtig
ist das Überraschungsmoment, damit sich die Zielperson nicht
vorbereiten kann. Das Immernoch-Familienoberhaupt hat zudem das
Problem, die Flanken für die den zweiten Angriff führende Ehehälfte zu
sichern. Man wählt generell die Zangentaktik mit den Rollen
"enttäuschter Erzieher" und "ratlos resignierende
Mutter" und die Einstiegsszene "Scherbenhaufen". Das
zeigt immer wieder Wirkung, nur nicht die, die annähernd als
angemessen empfunden wird. So dynamisch, wie der Einstiegsvortrag
ausfällt, so entwickelt sich die "dicke Luft" und nicht
selten kann man am Ende des Prologs einen gewissen dümmlichen Stolz
darüber registrieren, dass es jetzt endlich "raus" ist.
Graukopf baut sich auf seinem argumentativen Feldherrnhügel auf und
Grauköpfchen hofft bereits, dass die folgende Feldschlacht bald zu
Ende wäre. "Jetzt rege dich doch nicht so auf - du bekommst ja
noch einen Herzinfarkt", ist eine beliebtes Flankenargument,
das allerdings bereits etwas auf Schonung abzielt. Ja - was denn
nun? Soll fair gestritten werden oder wird das mal wieder eine
einseitige Kiste?
Graukopfs
Sprössling muss den Einstiegsvorwurf erst noch verkraften, da folgt
auch schon der Anschluss-Rundumschlag, denn man will ja zügig zum
eigentlichen Anliegen kommen. Argumentativ geht es zu, wie auf einem
Schlachtfeld. Alles, was dem Zweck dient, wird aufgefahren und in
Position gebracht. Selbst Geschütze mit längst abgelaufener
Munition werden aufgefahren, wobei es unerheblich scheint, dass die
Munition nur noch leicht qualmt und zu keinem echten Schuss mehr
taugt. Das Ziel ist angepeilt. Graukopfs Spross soll zur Erkenntnis
verleitet werden, sich knietief im Unrecht zu befinden.
Ehe
der Gegenangriff erfolgt, rate ich inzwischen jedem derart
bedrängten Familienmitglied, erst einmal zu ergründen, ob beim
Gegenüber lediglich die Munitions-Rumpelkammer hoch ging und es das
eigentlich schon war. Man macht immer wieder den Fehler, die
Argumente wirklich ernst zu nehmen und reagiert deshalb darauf absolut
unangemessen. Man merkt das leider erst, wenn man die eigenen
Argumente bereits platziert hat. Dann geht es auf einmal gar nicht
mehr um die Sache, sondern Weißkopf kämpft nur noch um die
Autorität gegenüber Weißköpfchen, schließlich ist man ja seit
vielen Jahren ihr Held. Das Mutterherz klopft bei Weißköpfchen inzwischen immer
stärker, denn die Sache droht zu eskalieren. Man steht Rücken an
Rücken und verliert zusehends an Boden.
Jetzt
ist Weitblick gefragt. Graukopfs sind vom Pulverdampf benebelt und
der Blick ist alles andere als frei. Die Autorität - ja die
Akzeptanz - steht auf dem Spiel und das passt oft nicht zur
Lebensabendstrategie, die man ja auch retten will. Das bedarf aber
einer gewissen Einsicht, die sich partout nicht einstellen will.
"Ich bin doch nicht verkalkt" und "Mach nur so
weiter, dann siehst du, wie weit du kommst", sind gängige
Reaktionen auf logische und sachliche Argumente. Weißköpfchen
knetet inzwischen verzweifelt ihr drittes Taschentuch, denn Weißkopf liegt in
den letzten Argumentationszügen und man fragt sich, wo denn die
vielen kleinen Dumdum-Geschosse gelagert waren, die jetzt beim
finalen Rundumschlag zum Einsatz kommen.
Endlich
gibt der Klügere nach. Ich erspare mir die Auflösung, wer denn mal
wieder der Klügere war. Auf der Basis beiderseitiger
Missverständnisse lässt sich so ein Brand löschen, damit es keine
echten Verlierer gibt.
An
dieser Stelle warne ich Außenstehende dringend davor, sich an
solchen Attacken zu beteiligen. In der Regel sind sich die
Streithähne und -hennen über kurz oder lang wieder einig und
Außenstehende bleiben als Hauptschuldige zurück. Das ist nicht
fair aber die gerechte Strafe für die Missachtung von Lebensregeln,
die einem durchaus bekannt waren.
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Zeitlos
stilvoll - nicht jedermanns Sache
Möbel
spielen im Leben von Weißkopfs eine ganz besondere Rolle. Das merkte
man, als sie sich von Möbelstücken trennen mussten. Nun gibt es
gute Stücke aus der guten alten Zeit und tolle Stücke zeitloser Art,
die in jede Zeit passen.
In
jungen Jahren wurden die wirklich alten Stücke ausrangiert und gegen
moderne Buffets ausgetauscht, die eine verglaste Vitrine in der Mitte
hatten. Den dazugehörigen Tischen und Stühlen mit Pettigrohr opferte
man die wirklich stabilen und formschönen alten Stühle und
natürlich auch die massiven Tische. Bis in die 60er Jahre hinein
baute man Möbel noch aus furnierten Tischlerplatten und Massivholz kombiniert
und man verwendete einfache, aber sehr
zweckmäßige Beschläge. Danach wurde in den mittleren und unteren
Preisklassen rigoros auf furnierte Spanplatten und moderne Beschläge
umgestellt, die man nachstellen kann, wenn sich die Möbel verziehen.
Da
es den heutigen Weißköpfen dann in den 70er Jahren deutlich besser ging
und man oftmals auch noch ein Zimmer mehr zur Verfügung hatte, wurden
nochmals neue Möbel gekauft. So verfügen viele Weißköpfe heute
über 2 komplette Wohnzimmer, weil man sich von den Nachkriegsmöbeln nicht
trennen konnte.
Möbelkauf ist keine einfache Sache und man begibt sich oft in
die Hände von Verkäufern, die viel reden und die wirkliche Qualität
verschweigen.
Sie nutzen den Zeitgeist und erforschen beim Kunden dessen Lebensart, um
ihnen die
dazu passenden Stücke schmackhaft zu machen. Bei betont konservativen
Kunden, die sich nur auf Form und Holzoberfläche konzentrieren, vermittelt
ausschließlich der Preis mangels Fachkenntnissen das dazugehörige Qualitätsempfinden. Umso höher man den Verkaufspreis
ansetzt und umso weniger man dem Käufer preislich entgegen kommt, umso mehr
suggeriert der Preis eine gehobene Qualität. Wer wird schon etwas
minderwertiges zu einem hohen Preis anbieten!? Wenn man sich da mal nicht
täuscht!
Beim
oben abgebildeten "zeitlos eleganten" Schrank, zu dem es auch nach
25 Jahren noch Zusatzmöbel
gibt, zeigte erst der Abbau und der erneute Aufbau, was der Schrank wirklich
taugt. Preis und Qualität stehen in keinem "stimmigen"
Verhältnis. Die Türelemente sind auf einfachste Weise hergestellt, deren
profilierte Holzrahmen aus viel zu weichem Holz und die Türfüllungen
einfach geheftet und schlicht verleimt. Senkrecht zwischen den einzelnen
Schrankelementen angebrachte Profilleisten täuschen einen massiven
Schrankkörper vor, der jedoch nur aus dünnen Wänden besteht. Solche
Möbel verzeihen schon beim ersten Aufbau keinen Fehler, weshalb die
einzelnen Schrankkörper oft komplett angeliefert und nur noch verbunden
werden.
Soweit zum
Schrank.
Diesem
Schrank stand vor einiger Zeit eine Trennung vom bisherigen Besitzerehepaar
bevor, weil deren neue seniorengerechtere Wohnung ein Zimmer weniger hatte.
Also konnte nur eines von zwei kompletten Wohnzimmern mitgenommen werden.
Besonderer Trennungsschmerz wurde obigem Schrank zuteil, der ja so enorm viel
Geld gekostet hatte. Solange die neue Verwendung
für das gute Stück nicht klar war, verschlechterte sich die Stimmung der
Senioren so sehr, dass der ganze Umzug ins Wanken kam. Personen, denen man
den Schrank erfolglos anbot, gerieten vorübergehend in Ungnade.
Man wollte den
Schrank verkaufen - erfolglos.
Dann wollte man ihn verschenken - erfolglos.
Die Sache war an Dramatik nicht mehr zu überbieten. Sohnemann Graukopf
zermarterte sich das Gehirn, was man mit dem recht großen Teil anfangen könnte.
Der Trennungsschmerz wurde beinahe zur unheilbaren Krankheit und Weißkopfs
opponierten nun heftig gegen die wirklich antiken Möbel von Sohnemann Graukopf,
die man doch gegen das zeitlose Allerweltsstück ersetzen soll. Schließlich
habe man das gute Stück immer gut gepflegt. Was nutzt das allerdings, wenn es einfach
nicht zur Einrichtung passt?
Als
sich so langsam abzeichnete, dass wohl nur noch der Sperrmüll das Problem
lösen konnte, spielten sich unglaubliche Szenen um den Schrank ab, so dass
man einen dauerhaften Gemütsschaden bei Weißkopfs befürchten musste. Die
gesamte Planung des Lebensabends kam ins Wanken und zu den umzugsbedingten
Problemen kam nun noch eine schwere Depression hinzu. Sohnemann Graukopf als hilfsbereiter Samariter kam dann
schließlich auf die Idee, den Schrank zu teilen und
so doch noch bei sich unter zu bringen. Dort stehen sie nun - die beiden
Hälften - als wenig geliebte
Übergangslösungen herum. Aber der Zustand der Weißkopfs hat sich wieder deutlich
gebessert. Auch ist die Anpassung der Weißköpfe an die neue Wohnung nahezu erfolgt und vom
Schrank redet dort nun niemand mehr. Dafür nerven Sohnemann die beiden Möbelstücke so sehr,
dass sie immer häufiger zum Gesprächsstoff werden.
Besonders
eine
Hälfte des Schrankes stört inzwischen gewaltig und wird wohl über kurz oder lang
weichen müssen. Dann steht erneut der Trennungsschmerz bevor, der
Weißkopfs nochmals in eine Krise stürzen wird.
Warum nur hängen viele
Menschen an Möbelstücken, wenn sie im Grund genommen deren Besitz krank
macht? Solange das nicht geklärt ist, sollte man vor jedem Möbelkauf tunlichst darauf
achten, was dieser langfristig anrichten kann.
Irgendwann
landen alle Möbel, die es nicht wert sind aufgehoben zu werden, im
Sperrmüll, wenn sie nicht noch einen guten Brennwert haben.
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Das
Problem |
Scheißfreundliche
Trickdiebe
Weißkopfs
haben Zoff, denn das breite goldene Armband zum 25. Hochzeitstag ist weg und
die goldene Uhr, die zwar nicht mehr geht, aber doch so schön aussieht, ist
auch weg. Der Hausvorstand hat angeblich kläglich versagt und ist an dem
Desaster schuld. Was war geschehen?
Herr
Weißkopf war unterwegs zur Mülltonne und hatte die Haustür des
Mehrparteienhauses geöffnet. Ehe er zur Mülltonne ging, öffnete er
den Briefkasten, als plötzlich eine äußerst nette und charmante
junge Dame südländischen Typs auftauchte, die ihn freundlich
begrüßte und vorgab, jemanden im Haus besuchen zu wollen.
Rassige Gesichtszüge und zwei funkelnde Äugelchen, ein adretter
Hosenanzug und eine extravagante große Kappe - zu wem die wohl
will...!?
Herr
Weißkopf geht nun zur Mülltonne und sieht noch im Blickwinkel, wie
eine weitere etwas ältere Frau mit Kopftuch ins Haus geht -
schließlich steht die Haustür immer noch offen. Arglos geht er
wieder ins Haus zurück und wundert sich, dass ihm die nette Junge in
seinem Stockwerk nochmals begegnet, die scheinbar immer noch auf dem
Weg nach oben war, nun aber wusste, wo Herr Weißkopf wohnt. Nach
einigen Minuten schellte es an der Tür und Herr Weißkopf öffnete.
Wieder strahlt ihn die nette junge Südländerin an, erklärte aber
gleich mit plötzlich traurigem Blick, dass sie im oberen Stockwerk
niemand angetroffen habe. Sie wolle eine Nachricht hinterlassen, habe
aber nichts zum Schreiben dabei. Flugs ging Herr Weißkopf
bereitwillig in die Küche, um einen Zettel zu holen, worauf ihm die
nette Junge folgte und ihn bat, einige Informationen und
Telefonnummern aufzuschreiben, weil sie ihre Brille vergessen habe.
Frau
Weißkopf, die ebenfalls in der Küche saß, sah sich plötzlich einer
weiteren Besucherin gegenüber - der Älteren mit dem Kopftuch, die
als "meine Mama" vorgestellt wurde.
Diese
verwickelte sie sofort in ein Gespräch und hielt dabei in großes Tuch in
den Händen, zu dem sie irgendwelche Geschichten erzählte, in Wirklichkeit
aber den Blick in den Flur versperren wollte. Inzwischen durchsuchte eine
dritte Person die Nebenräume. So schnell der Spuk begann, so schnell war er
auch wieder vorbei und die ungebetenen Gäste waren verschwunden.
Nun
arbeiteten bei Herrn Weißkopf auch die grauen Zellen wieder richtig, denn
es kamen ihm berechtigte Zweifel. Auch Frau Weißkopf wurde unruhig und ging
in das Zimmer, in dem sie ihren Schmuck wusste. Da sah sie die Bescherung:
Die Schubladen einer Kommode standen auf, ein goldenes breites Armband und
eine goldene Armbanduhr waren verschwunden.
Soweit
der Hergang einer neuen persönlichen Lebenserfahrung, die Graukopfs, die
bekanntlich nebenan wohnen, natürlich sofort ratsuchend erzählt wurde.
Graukopfs griffen sofort zum Telefon und verständigten die Polizei, dem
Freund und Helfer, wie man so schön sagt. Obwohl derartige Anzeigen
normalerweise auf dem Revier zu stellen sind, trugen sie erfreulicherweise
dem Alter der Weißkopfs Rechnung und kamen umgehend ins Haus.
Freundlich,
verständnisvoll, wie die Beamten in ihren kugelsicheren Westen auftraten,
nahmen sie den "Fall" auf, wie er inzwischen zigfach anderenorts
abgelaufen war und immer neue Opfer findet. Neben der rein sachlichen
Aufnahme der Strafanzeige wurden die Beamten natürlich Opfer der
partnerschaftlichen altersbedingten Spannungen der Weißkopfs, die sich mit
ihren Schilderungen versuchten zu übertreffen. Wurde es widersprüchlich,
dann unterstellte man sich gegenseitig Vergesslichkeit und die gegenseitige
Jagd nach den Pointen erinnerte an die Serie der Familie Hesselbach. Was
für die Beamten Alltag ist, war natürlich für Weißkopfs die
Ungeheuerlichkeit des Tages. Dementsprechend war natürlich auch die
emotionale Überhitzung zu spüren.
Als
die Beamten gegangen waren, war wieder ein Stück Autorität von Herrn
Weißkopf infrage gestellt, weil er es nicht vermochte, das Geschehene zu
verhindern. Dennoch muss sich jetzt und in den nächsten Wochen jeder Mensch
anhören, was ihnen widerfuhr und mit jedem Urteil, dass es sich hierbei
doch um einen uralten Trick gehandelt habe, schwindet wieder ein Stück
Autorität. Warum passiert das gerade immer wieder nur dieser
Altersklasse?
Frau
Weißkopf hat die Ursache für das Missgeschick längst erkannt, denn sie
weist darauf hin, dass ihr Gatte schon immer leicht zu becircen war,
besonders, wenn es sich um junge Damen handelt. Dabei sei alle Vorsicht bei
ihm abgeschaltet. Nun muss er in Zukunft eine andere Haltung einnehmen,
damit sich ein derartiger Fall nicht wiederholt. Das erwartet sie einfach.
Dass sie selbst dabei war, kann an ihrem Urteil nichts ändern. Es sind halt
immer wieder die Frauen, die ihr Spiel mit den armen Männern treiben und
sie in Schwierigkeiten bringen. Warum gibt es unter ihnen auch immer wieder
so sympathische Exemplare, bei denen man jede Vorsicht vergisst!?
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Mit
Medikamenten zum (fast) ewigen Leben
Der
Hausarzt ist der ständige Begleiter der Weißkopfs, denn über 80
lebt man selten noch ganz ohne ärztliche Hilfe und Medikamente.
Norbert Blüm sagte einmal in seiner lockeren Art: "Früher sind
die Menschen mit 40 fröhlich gestorben - heute jammert sich jeder Schorsch
mit Medikamenten bis 80 dorch...!" Das ist lange
überholt, denn 90 und 100 Jahre sind heute keine Seltenheit mehr. Die
Stadtverwaltung von Maintal besucht neuerdings nur noch Senioren ab
dem 90. Lebensjahr. Bis dahin muss ein Formbrief genügen, der wegen
seiner kargen Worte dann auch noch in extra großer Schrift abgefasst
ist.
Unterstellen
wir mal dem Bürgermeister, dass er die Schriftgröße - wie übrigens
auch ich auf dieser Seite - besonders lesefreundlich gestalten wollte,
so werden die Weißkopfs wieder brutal in den Alltag zurückgestoßen,
wenn sie die Beipackzettel ihrer Medikamente lesen. Wesentlich kleiner
kann die Schrift nicht mehr sein. Das gelingt nur T-Online beim
Kleingedruckten ihrer Handy-Verträge.
Frau
Weißkopf bringt es inzwischen auf 16 Tabletten pro Tag und Herr
Weißkopf kommt noch mit 4 täglichen Tabletten aus, damit es
überhaupt weiter geht. Er ist übrigens ein richtiger Tablettenmuffel
und würde am liebsten gar keine Tabletten nehmen. Aber sein
Herzschrittmacher und die Stands zwingen zur Blutverdünnung und der
Blutdruck muss auch eingestellt werden. Die restlichen Tabletten
erleichtern die eine oder andere Körperfunktion, ohne die man nicht
auskommt.
Dafür
ist Frau Weißkopf eine wandelnde Chemiebombe und es dürfte für die Ärzte
schwer sein, den Medikamentencocktail in seiner Gesamtheit richtig
einzuschätzen. Nur eines ist klar gemacht worden - ohne die ganzen
Medikamente wäre ein Weiterleben nicht mehr lange möglich. Also wird
geschluckt, was das Zeug hält und der örtliche Apotheker hat seine helle
Freude an der Kundschaft.
Herr
Weißkopf ist der Herrscher über die Tabletten und bereitet für die ganze
Woche den Tablettenspender vor, streng nach vier Tageszeiten getrennt. Hinzu
kommen noch Tropfen und Salben, die zusätzliche Wirkungen erzeugen sollen.
Der absolute "Renner" ist VOLTAREN-Schmerzgel, das ein wahres
Wundermittel zu sein scheint. Frau Weißkopf hat nämlich bemerkt, dass es
nicht nur für die Schmerzbehandlung, sondern auch für trockene Haut und
andere wohltuende Wirkungen geeignet ist und sich praktisch am ganzen
Körper verschmieren lässt. Dabei sollen angeblich Wirkungen eintreten, die
Herr Weißkopf auf dem Beipackzettel seit Jahren vergeblich sucht. Noch
nicht einmal bei den Nebenwirkungen ist zu finden, was Frau Weißkopf
verspürt. Wie soll die Hauptwirkung einer Salbe eintreten, wenn noch nicht
einmal die Nebenwirkungen eintreten, geschweige denn, überhaupt bekannt
sind?
Der
Apotheker meinte, dass die allzu üppige Anwendung der Salbe dazu führen
könne, dass die Wirkstoffe ihre Wirkung verlören. Das würde Frau
Weißkopf aber nie zugeben und im Bekanntenkreis ging man bereits dazu
über, ihr diese Salbe zu schenken, als sei es DOPPELHERZ, das man über 80
auch mal gern verschenkt. Wahrscheinlich ist der Glaube an die Wirkung
stärker als die tatsächliche Wirkung, denn Schmerz-Gel muss ja jeden
Schmerz lindern. Herr Weißkopf meinte, er sei gespannt, was bei
Zahnschmerzen zum Einsatz komme und bezog dafür natürlich einen
ordentlichen Rüffel mit anschließender Heularie, weil er angeblich die
Schmerzen seiner Angebetenen veralbere.
Als
Graukopf versuche ich, auf die richtige Einnahme der Medikamente
hinzuwirken, vor allen Dingen, dass stets ordentlich viel Flüssigkeit zur
Verfügung steht, weil die Medikamente sonst gern fast trocken geschluckt
werden und dann ewig im Magen liegen. Dabei ist schon die kleinste Kritik an
der Medikamentenvielfalt ein Politikum, denn so manche Tablette halte ich
nicht unbedingt für erforderlich. Doch Ärzte und Pharmaindustrie sind da
stärker, auch wenn die Folge Beinkrämpfe und Übelkeit sind. Das sind halt
die Nebenwirkungen, bei denen man den Arzt oder den Apotheker fragen soll.
Bei 16 verschiedenen Tabletten von vier verschiedenen Spezialisten
verschrieben blickt halt keiner mehr durch und man muss auf der Hut sein,
dass für die Nebenwirkungen nicht noch Tablette 17 und 18 hinzu kommt.
Vor
etlichen Jahren lernte ich einen Mann kennen, der ähnlich viel Medikamente
nahm und der sich todkrank fühlte. Nach einer Kur mit Anwendungen, die
wahre Tortouren waren, entschloss er sich, sich zur Ruhe zu setzen. Er
kaufte sich ein kleines Grundstück und begann eine kleine Hühnerzucht,
verbrachte den Tag mit Gartenarbeit an der frischen Luft und warf alle
Tabletten in den Mülleimer. Man prognostizierte ihm, dass er über kurz
oder lang an seinen Krankheiten sterben werde. Doch das Gegenteil trat ein.
Er blühte auf und nach einem Jahr strotzte er vor Gesundheit. Was soll man
davon halten?
Wenn
ich diese Geschichte Weißköpfchen mit den bescheinigten 100% Behinderung
und einem Parkausweis höchster Klasse erzähle, dann wird sie bitterböse
und ich bin der grausame Sohn, der keinerlei Verständnis hat. So ist das
halt, wenn man ein wenig Hoffnung verbreiten will. Vielleicht sollte man
solche Geschichten auch nur zusammen mit einem passenden Medikament
verabreichen.
Jedenfalls
kann man heute mit großer Wahrscheinlichkeit nahe an die 100 Jahre heran
kommen und sogar die eigenen Kinder überleben, wenn man seine Medikamente
immer ordentlich nimmt und bei jedem Pubs Ärzte konsultiert. Dennoch kommt
einem dabei irgendwann eines in die Quere - der natürliche Tod. Dagegen
gibt es noch kein Mittel und es ist auch gut so, dass man nicht weiß, wann
das der Fall sein wird.
Für
Alle, die noch ein langes Medikamentenleben vor sich haben, kann die
nachfolgende Information wichtig sein, die wieder in
Beipackzettel-Schriftgröße verfasst ist, die sich die Weißköpfe ja von
ihren treu sorgenden Grauköpfen vorlesen lassen können. Damit geht dann
alles noch viel besser... !?
Tabletten
einnehmen - aber bitte richtig
- Der andere Beipackzettel -
Viele
Menschen, die aufgrund ihrer Krankheit zu Patienten geworden sind,
fühlen sich mit der Arznei, die ihnen der Arzt verordnet hat, allein
gelassen. Über die Informationen, die ihnen der Arzt zu den
Medikamenten gegeben hat, fehlen oft schriftliche Unterlagen.
Mit
jeder Stunde nach dem Verlassen der Arztpraxis fällt mehr und mehr
von dem, was in der Sprechstunde zur medikamentösen Therapie gefragt
und gesagt worden ist, dem Vergessen anheim. Vielleicht wurde auch zu
wenig erklärt. Hat der Arzt bei der Erklärung eine eventuelle
Schwerhörigkeit oder geistige Verlangsamung oder einfach nur die
Angst mit ihren Hemmungen und Blockaden berücksichtigt und sich durch
Rückfragen vom Wissensstand des Patienten überzeugt? Doch wie auch
immer, nun steht er da, der Patient und möchte ja gesund werden.
Wenn
er nur wüsste, was der Doktor zu der Einnahme noch alles gesagt
hatte. Ihm bleibt da aber noch der Beipackzettel.
-
Doch
kann man sich auf das verlassen, was da steht?
-
Bin
ich nun allergisch gegen den Stoff X oder Y?
-
Passt
das Medikament zu den anderen Medikamenten, die ich auch noch zu
nehmen habe?
-
Sollte
ich jetzt das Medikament A durch das neue Medikament B ersetzen
oder muss ich es zusätzlich einnehmen?
Fragen,
die sich beim ehrfürchtigen Lauschen der Worte des Arztes nicht
stellten, da waren die Pillen noch nicht so konkret.
Merke:
Die Angaben in den Beipackzetteln reichen nicht aus. Das sind
Standardangaben und ersetzen nicht etwa den Arzt. Individuelle
Einnahmevorschriften lassen sich daraus nicht ableiten.
Tipp:
Machen Sie sich immer kurze Notizen über die
"Nebenabreden", die zu den Medikamenten getroffen wurden.
Fragen Sie lieber einmal öfter nach. Das erspart oft einen
zusätzlichen Arztgang mit Wegezeit und Wartezeit
Die
Sprache der Beipackzettel wird nicht von allen Menschen gleich gut
verstanden. Viele haben den Eindruck, es handele sich dabei nur um
eine juristische Absicherung der Pharmafirmen, und weniger um eine
echte Gebrauchsanleitung.
Beachte:
Ohne erklärende Worte des Arztes ist ein Weg durch das Dickicht der
ermüdend langen Ausführungen im Beipackzettel nur schwer zu finden.
Das Verstehen und richtige Ausführen ärztlicher
Medikamentenvorschriften ist für die Genesung das A und O. Eine
amerikanische Studie ergab, dass
-
28%
der Einweisungen in Pflegeheime dadurch notwendig wurden, dass die
Medikamenteneinnahme nicht korrekt durchgeführt werden konnte.
-
12%
der Akut-Einweisungen in Krankenhäuser wegen massiv erhöhtem,
lebensgefährlichem Bluthochdruck könnten bei genauer Einnahme
der Medikamente vermieden werden.
-
Nur
etwa ein Viertel der Patienten nimmt die ärztlichen Verordnungen
so ein, wie es der Arzt gewollt hat.
-
In
vielen Fällen ist den Menschen die Wichtigkeit der Einnahme nicht
bewusst. Oder es ist ihnen einfach zu lästig, immer daran zu
denken.
Die
meisten Patienten würden ja gern optimal mitarbeiten. Das nennt man
Compliance. Doch viele von ihnen
-
können
keine Kapseln schlucken, ekeln sich vor Tropfen,
-
können
wegen schlechter Sehkraft die Tropfen nicht zählen,
-
dürfen
häufig wegen Alkoholkrankheit keine alkoholischen Tropfen
einnehmen,
-
können
die Tabletten oder gar Kapseln nicht teilen, obwohl der Arzt nur
eine halbe verordnet hat,
-
bekommen
die Blisterpackungen, aus denen die Tabletten, Kapseln oder
Dragees herausgedrückt werden müssen, nicht geöffnet oder der
Inhalt springt unkontrollierbar in die Gegend,
-
haben
Hemmungen, Zäpfchen in den After einzuführen,
-
sind
allergisch gegen die Farbstoffe oder Umhüllungen der Pillen,
-
haben
nicht die Kraft oder das Geschick, Schraubverschlüsse zu öffnen
oder
-
wissen
nicht, ob sie das Medikament vor oder nach dem Essen einnehmen
sollen.
Tipps:
Bei
Vergesslichkeit oder einfach zur Motivation oder Organisation der
Einnahme, besonders bei pflegebedürftigen Patienten können Wochen-
oder Monatsdispenser verwendet werden, in denen die gesamte Medikation
für die Zeiteinheit übersichtlich unterteilt in 4 Gaben pro Tag
untergebracht werden kann.
-
Notizen
beim Arzt sofort zu Hause sauber auf einen Zettel schreiben und
zusätzlich die Dosierungsvorgaben auf die Packungen schreiben.
-
Bitten
Sie im Zweifel vor dem Verlassen der Arztpraxis eine Helferin in
der Anmeldung, Ihnen die Medikamente mit Dosierungen ordentlich
aufzuschreiben. Es gibt Zettel mit Graphiken, die das erleichtern,
eine Durchschrift davon kann in der Patientenakte verbleiben, oder
wird in den Computer eingegeben, als Kontrolle. Oder die
Medikamentenliste wird aus der elektronischen Patientenakte
ausgedruckt.
-
Erhalten
Sie eine Medikamentenschachtel, notieren Sie sofort das
Empfangs-Datum darauf. Vergleichen Sie es mit dem Verfalldatum.
Sie finden es seit 5 Jahren immer auf der Packung angegeben.
-
Brechen
Sie eine Schachtel an, schreiben Sie das Datum der ersten Einnahme
darauf.
-
Trainieren
Sie den Gebrauch von Tropfenzählern in aller Ruhe, bevor Sie jedes Mal
nervös werden, wenn Sie vergeblich versuchen, hektisch,
so nebenbei, der Tropfflasche die begehrte Flüssig-Arznei zu
entlocken. Lassen sie sich gegebenenfalls den korrekten Gebrauch
in der Apotheke zeigen.
-
In
Apotheken gibt es kleine Schachteln zu kaufen, mit deren Hilfe man
Tabletten leicht halbieren kann.
-
"Mit
Flüssigkeit einnehmen" heißt, die Tabletten oder Kapseln
mit Wasser hinunterzuspülen, das möglichst kohlensäurearm sein
sollte. Colagetränke, Milch oder gar alkoholische Getränke sind
dazu nicht geeignet. Grapefruitsaft kann durch Blockierung eines
Enzyms den Abbau bestimmter Medikamente hemmen.
-
Besonders
bei Antibiotika und Schmerzmedikamenten ist es sehr wichtig, die
Zeitabstände einzuhalten, weil sonst die Wirkspiegel im Blut zu
stark schwanken. Das verhindert eine kontinuierliche Wirkung und
verlängert die Einnahmezeit, was wiederum zu Mehrkosten führen
kann. Bei Antibiotika kann es sogar zu den gefürchteten
Resistenzbildungen von Bakterien gegen die oft lebensrettenden
Antibiotika kommen.
-
Wird
ein Medikament einmal vergessen, dann sollte man bei der nächsten
Einnahme das nicht nachholen. Das bringt keinen Vorteil. Diese
Überdosierung kann zu unerwünschten Wirkungen führen, wie zum
Beispiel eine zu starke akute Blutdrucksenkung.
-
Gefährlich
kann es auch werden, wenn der Patient nach dem Erreichen des
Zieles, zum Beispiel angestrebter niedrigerer Blutdruckwert,
eigenmächtig die Therapie abbricht oder das Medikament niedriger
dosiert, wenn das nicht ausdrücklich mit dem Arzt abgesprochen
worden ist. Es droht unter Umständen ein krisenartiger Anstieg
des Blutdruckes oder ein Wiederaufflammen eines bakteriellen
Infektes nach Absetzen des Antibiotikums.
-
Musterpackungen,
die Sie in der Arztpraxis erhalten, dienen der versuchsweisen
Einstellung des Patienten auf ein für ihn neues Medikament.
Dieses ist genauso wirksam, wie diejenigen, die per Rezept
verordnet werden, wobei die Tabletten-Menge begrenzt ist (meist
erhält er nur 10-20 Tabletten) und der Patient dazu gezwungen
ist, wenn die Tabletten aufgebraucht sind, zur Kontrolle wieder
den Arzt aufzusuchen. Der entscheidet dann, ob das Mittel nun
weiter genommen werden soll oder ein anderes. Später findet eine
normale Verordnung statt.
-
Die
Dauer der Einnahme von Medikamenten mit Suchtpotential, wie
Beruhigungs-, Schlaf- oder bestimmte Schmerzmittel sollte geplant
werden. Betreiben Sie das Management ihrer eigenen Heilung oder
Besserung gemeinsam mit dem Arzt.
-
Sagen
Sie Ihrem Arzt rechtzeitig, wenn und wie lange Sie in Urlaub
fahren, damit rechtzeitig die ausreichende Menge verschrieben
werden kann.
-
Diabetiker
sollten ihre Reise gründlich mit ihrem Arzt besprechen. Das wird
besonders wichtig, wenn Zeitzonen überflogen werden und sich der
Rhythmus verändert und die Nahrung von der gewohnten erheblich
abweicht.
-
Wenn
Diabetiker im Urlaub auf einmal mehr Sport treiben, dann sinkt
garantiert der Blutzuckerspiegel stärker ab. Das führt zu
Unterzuckerungen, die gefährlich werden können. Die Medikation
muss dann angepasst werden. Darauf sollte der Betreffende
eingestellt werden.
-
Müssen
es Tropfen sein, das Sehvermögen ist aber stark eingeschränkt,
dann lassen Sie die Tropfen in ein Wasserglas tropfen. Wenn das
Gehör stimmt, dann können Sie sie fallen hören.
-
Bei
Zäpfchen ist es ratsam, das dicke Ende zuerst einzuführen
-
Sprays:
Nutzen Sie die Inhalationshilfen für die Dosieraerosole. Das im
Gasnebel fein verteilte Medikament kann dann mit dem Einatmen in
Ruhe inhaliert werden und schlägt sich nicht so sehr auf der
Rachenschleimhaut nieder, was oft dadurch passiert, dass der Druck
des Treibgases das Medikament schneller in den Rachen
"jagt", als man einatmen kann.
-
Cortisonhaltige
Sprays verringern zwar die typischen systemischen Nebenwirkungen
von Cortison-Tabletten, führen aber häufig zu Belägen und
Pilzbefall in Mund, Rachen oder Luftröhre.
Tipp:
Nach dem Inhalieren den Mund regelmäßig mit Wasser ausspülen. Auch
sollten besonders ältere Menschen regelmäßig zum Augenarzt gehen,
weil die Neigung zum Grauen Star zunimmt.
-
Wenn
Sie Tabletten gegen zu hohe Cholesterinwerte einnehmen müssen,
denken Sie daran, auch die Lebensgewohnheiten, vor allem die
Ernährung umzustellen.
-
Cortisontabletten
sollten am besten morgens zwischen 6 und 8 Uhr eingenommen werden.
Was
heißt "retard"?
Der Wirkstoff ist so aufbereitet, dass
er über einen bestimmten Zeitraum, z.B. 8 oder 12 Stunden freigesetzt
wird. Das ermöglicht einen relativ konstanten Wirkspiegel und eine
geringere Einnahmehäufigkeit.
Vorteil:
weniger Tabletten müssen eingenommen werden. Statt 2 bis 3 reichen 1
bis 2 oft aus.
Man
könnte meinen, das Einnehmen von Arznei sei eine Wissenschaft. Doch
zusammen mit dem Arzt wird das schon klappen. Der muss aber auch
wissen, was Sie nicht verstehen. Deshalb sollten Sie die Möglichkeit
nutzen, Ihre Fragen zu stellen.
Am
allerbesten ist es natürlich noch immer, gar nicht erst krank zu
werden. Also sind Vorsorge und eine gesunde Lebensführung noch lange
nicht out. Sie unterstützen obendrein so gut wie jede Form
medikamentöser Therapie. Warum sollten sie sie mit der Zeit nicht
auch völlig ersetzen?
Quelle
MDR.DE Mitteldeutscher Rundfunk
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Verhängnisvolle
Matronen
Gaukopf-Männer
kommen oft in Situationen, in denen sie sich ganz und gar nicht wohl
fühlen. Das ist besonders häufig der Fall, wenn Frauen hinter ihnen
stehen, die sie dirigieren oder zumindest stark beeinflussen. So etwas kann
sogar dazu führen, dass der gesteuerte Graukopf von seinem Weg abkommt und
Dinge, die er aufbaute und in die er viel Zeit steckte, unwiederbringlich
verliert.
Noch
interessanter ist es, wenn eine Reihe von befreundeten Ehepaaren oder
Paaren, die sich gut kennen, das unbewusst als Gesellschaftsspiel betreiben.
Hat man sich gemeinsam einer Sache verschrieben, die erfolgreich ist, dann
bilden sich durchaus getrennte Regelkreise zwischen den Graukopf-Männern
und den dazugehörigen Graukopf-Frauen, die dann plötzlich ganz
unterschiedliche Sichten entwickeln.
Die
Männer - seit geraumer Zeit aus dem Berufsleben - erfreuen sich ihrer neuen
gemeinsamen Aufgabe, die sie sich selbst stellen und ihnen auch in einem
gewissen Maß Zufriedenheit infolge der großen Selbständigkeit beschert.
Dennoch holen sie hierarchische Strukturen aus dem Berufsleben ein, denn
einer von ihnen soll oder will ja der Chef sein. Wer sich damit nicht
abfinden kann, wurstelt halt mit weniger Freude weiter.
Kaum
jemand bemerkt dabei, dass der relative Frieden und die Harmonie ganz
schnell aus dem Ruder laufen kann, wenn der Graukopf-Hobby-Chef seine
Autorität gefährdet sieht. Flugs ist man mitten im Kampfgeschehen und man
muss Stellung beziehen, obwohl man es eigentlich gar nicht wollte.
Männer
erzählen ihren Frauen viel zu viel über ihren Ärger, den sie gelegentlich
empfinden und werden dann mit weiblicher Logik und Taktik konfrontiert, die
bis hin zur Aufforderung reicht, sich mit den empfohlenen Mitteln
durchzusetzen. Männer sollen mit den Waffen der Frauen kämpfen - wenn das
mal nicht in die Hose geht!
Männer
kommen mit ihren Problemen eigentlich ganz gut zurecht, wenn sie sie
für sich behalten, denn sie besinnen sich sehr oft auf ihre
Erfahrungen aus dem Berufsleben und entwickeln bis zu einem gewissen
Grad Kompromissbereitschaft. Das Problem sind bei allzu großer
Redseligkeit aber ihre Frauen, die die Sache jetzt aus dem Hintergrund
steuern wollen.
Wenn
mehrere Frauen die Köpfe zusammenstecken, dann bilden sich ähnliche
Strukturen oder gar das exakte Abbild der männlichen Hierarchie. So
ist die Frau des Chefs automatisch die Wortführerin der Frauen und
ihr Gatte wird zum Werkzeug ihrer Macht. Mal unter uns: Ohne seine
Frau wäre er nie Chef geworden!
Da
viele Frauen viel härter zur Sache gehen als ihre Männer, verlangen
sie auch viel mehr von ihren Männern, als diese umsetzen können. So
bleibt es oft nicht aus, dass eine ganze Gruppe verliert, nur weil
sich die Graukopf-Chefin verkalkulierte.
Solche
exaltierte Matronen gibt es in vielen Familien, Gesellschaften,
Vereinen, Parteien und in sonstigen Regelkreisen und sie scharen
wiederum Frauen um sich, die gemeinsam Strategien aushecken, die ihre
Männer umsetzen sollen. Nun treffen die Männer wiederum bei der
Umsetzung der weiblichen Strategien aber nicht nur auf Männer,
sondern auch auf Frauen, die ihnen überlegen sind oder zumindest
wehrhaft gegenüber stehen. Davor schrecken sie meistens aus
gutem Grund zurück und die zurechtgelegte Taktik läuft ins Leere.
Mit
einer derartigen Niederlage am heimischen Herd angekommen, läuft eine
typisch weibliche Vergeltungsmaschinerie an, die jeglichen Kompromiss
pulverisiert. Der Graukopf-Chef wirft nun alles in eine Waagschale und seine
Mitläufer kommen nicht umhin, diese Taktik mitzutragen. Männer halten
immer zusammen, wenn sie ihre Frauen fürchten. Schließlich haben die
Matronen das so beschlossen und man hat sich gegenüber Dritten ja ebenfalls
gewaltig aus dem Fenster gelegt. Das Ansehen einer ganzen Gruppe steht auf
dem Spiel. So wird oft aus einer Bagatelle ein Staatsakt und aus einem Witz
ein Skandal.
Wenn
die Kugel einmal rollt, dann erklingt recht bald "rien ne va plus"
- nichts geht mehr, weil die Entscheidung naht. Wer jetzt noch nicht
zurückgezogen hat, verliert oder gewinnt unweigerlich, besonders heftig,
wenn man alles auf eine Nummer setzte.
Eigentlich
müsste man annehmen, dass man im Laufe seines Lebens klüger wird.
Das mag auch stimmen. Ich halte es da mehr mit der Lebensweisheit:
Kluge
Frauen sind klüger als kluge Männer,
dumme
Frauen sind dümmer als dumme Männer.
Fatal
ist, wenn die Extreme aller Varianten zusammenkommen. Dann sind meistens die
Männer die Verlierer, weil sie es versäumten, rechtzeitig auf den Tisch zu
hauen und den Spuk zu beenden. Im Ruhestand sollte man einfach ruhiger
werden, selbst wenn es der holden Weiblichkeit nicht passt. Man macht sich
sonst zum Affen!
Wer
glaubt, das seien Hirngespinste, der sollte mit wachen Augen durch die Welt
gehen.
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Lyrisches
über die Zeit
Hatten
Sie schon einmal den Gedanken, die Zeit anzuhalten oder wünschten, dass ein
bestimmter Tag ganz schnell vorüber gehen sollte? Sicher haben Sie sich
darüber noch keine Gedanken gemacht, weil die Zeit wie in einer Sanduhr
verrinnt. Da bleibt einem keine Zeit zum Nachdenken - oder doch?
Es
gibt Menschen, die ihre Zeit totschlagen, nur weil sie keinen Sinn darin
sehen, die Zeit nutzbringend auszufüllen. Sie suchen Zerstreuung, tauchen
täglich tief in die Fernsehprogramme ein, um der Realität zu entfliehen
und merken gar nicht, dass die Welt um sie herum viel interessantere Dinge
bereit hält. Männer können stundenlang in Kneipen sitzen und Dinge
bereden, die sie im Grund genommen gar nicht interessieren. Frauen geht es
ähnlich, wenn sich zuhause die Gesprächsstoffe erschöpfen oder zu den
immer gleichen Debatten führen. Wichtig scheint nur zu sein, dass man
gerade diesen Tag herum bekommt.
Was
Sie, werter Leser, so mit ihrer Zeit anstellen, das hat es in
beschaulicheren Zeiten auch schon gegeben. Nur lebten da die Menschen
nicht so lang wie heute und es konnten sich nur wenige leisten.
Reiche
und Privilegierte genossen die Zeit, wie es heute die meisten Menschen
völlig selbstverständlich machen und der Arme kannte nur den endlos
langen Arbeitstag, der ihm nur wenig "Freizeit" ließ. Darum
gingen Arbeiter, Handwerker und Geschäftleute - zwar aus
unterschiedlichen Motivationen - aber dennoch nach dem Motto vor:
Zeit
gewonnen - viel gewonnen
Zeit
verloren - viel verloren
In
der heutigen Zeit verkehren sich viele Wahrheiten. So auch letzter Spruch.
Wenn heute Zeit gewonnen wird, dann haben dabei mit Sicherheit viele
Menschen ihren Arbeitsplatz verloren. So haben sie dann scheinbar Zeit in
Hülle und Fülle gewonnen, aber das Wichtigste verloren.
Im
endgültigen Ruhestand dann angekommen, gewinnt der Spruch wieder seine alte
Bedeutung. Grauköpfe meinen, sie hätten nach dem Berufsleben Zeit gewonnen
und damit sehr viel zurückgewonnen. Deshalb wollen viele von ihnen diese
wertvolle Zeit auch nicht verplempern und ergehen sich in zahllosen oder
zeitraubenden Aktivitäten. Sie wissen dennoch, was die Zeit wert ist.
Das
wirft die Frage auf, warum die jüngere Generation so leichtfertig mit der
Zeit umgeht. Ganz klar: weil die Zukunft nur zögernd dahergezogen zu kommen
scheint. Auch wenn das Jetzt pfeilschnell entfliegt, wird kein Gedanke an
die Zeit verschwendet.
Bei
den Weißköpfen gilt die Vergangenheit als die einzig verlässliche Sache
der Welt, weil sie still steht. Ihr kann man nicht entfliehen und sie einem
auch nicht. So suchen viel Weißköpfe ihre Ruhe in der Vergangenheit und
merken dabei gar nicht, dass sie dabei sind, selbst zum Teil der
Vergangenheit zu werden. Würden sie versuchen, in dieser Vergänglichkeit
Zeit für sich selbst zu gewinnen, dann hätten sie in der Tat viel
gewonnen. Sie sind sich aber der Zeit nicht bewusst, obwohl sie ihr ganzes
Leben prägt.
Nun
werden Sie sich fragen, wie ich auf dieses Thema komme. Ich lese gern Lyrik
und das, was unsere Altvorderen zeitübergreifend festhielten, weil es Dinge
sind, die zeitlos sind. So erlebe ich hautnah, dass es Wahrheiten gibt, die
absolut unvergänglich sind. Dabei gewinne ich wiederum Zeit, andere Dinge
besser zu verarbeiten, weil die Lösungen dadurch sehr oft auch viel
einfacher sind.
Probieren
Sie es einmal auf diesem Link aus - es lohnt sich!
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Friedrich
Schiller philosophierte über die Zeit
mit folgenden Worten:
Dreifach
ist der Schritt der Zeit,
zögernd
kommt die Zukunft hergezogen,
pfeilschnell
ist das Jetzt entflogen,
ewig
still steht die Vergangenheit.
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Kernspindtomographie
gegen Flatulenzen?
Die
medizinische Grundversorgung und das Krankenkassensystem sind die beiden
Eckpfeiler der Überlebensstrategie vieler Weißköpfe und zunehmend auch
der Grauköpfe. Man zahlt sein ganzes Leben ein, da muss man auch ungeniert
herausholen, was herauszuholen geht. Das Motto scheint zu lauten: "Ich
habe die Kasse, da benutze ich sie auch!" Nicht ein einziger
Gedanke wird daran verschwendet, ob das alles noch bezahlbar ist und wie
lange das Spiel noch so weiter gehen kann.
Weißköpfchen
im neunten Jahrzehnt fühlt sich mal wieder nicht wohl. In den mit
Medikamenten prall gefüllten Doppelschubladen des Nachttischschrankes
ist keine passende Pille zu finden, die Abhilfe verspräche. Woran mag
das liegen?
Nach
kurzem Grübeln kommt die Erleuchtung: Sie hat über derartige
Symptome noch gar nicht mit ihrem Hausarzt gesprochen, weshalb sie
auch kein passendes Medikament in der Schublade hat. Das muss sich
schleunigst ändern!
Es
gibt für alles eine Pille - ob sie helfen, ist eine ganz andere
Sache. Man muss halt in ihre Wirkung glauben. In dieser Woche sind
wieder die Abführmittel hoch im Kurs. Wer wird denn noch selbst
drücken! Das wäre ja noch schöner. Man könnte ja auch die
Ernährung etwas umstellen oder einfach nur mehr Flüssigkeit zu sich
nehmen - nein, es muss ein Abführmittel sein.
Dummerweise hat
Weißköpfchen auch noch Hülsenfrüchte und Zwiebeln konsumiert und
sie fühlt sich wie ein Schnellkochtopf beim sichtbaren dritten Ring.
Die Flatulenzen drücken aufs Herz und im Bauch ist ein Donnergrollen
zu vernehmen, als käme ein Herbstgewitter anmarschiert. Ein Fall für
den Hausarzt.
Wenn
man Abführmittel genommen hat, sollte man sich aber nicht unbedingt
aus dem Haus begeben, bis die erhoffte Wirkung eintritt und wieder
abebbt. Das kann dauern und dennoch überfallartig eintreten. Es
stellen sich leichte Schmerzen ein. So ein Sche... !
Wilde
Gase erzeugen oft wilde Gedanken, die den Kopf benebeln. So geht
Weißköpfchen das ganze Spektrum der medizinischen Versorgung durch,
um zu ergründen, was bei nächster Gelegenheit unbedingt mal
untersucht werden sollte. Selbstdiagnose ist ihr Hobby.
Weichteile
untersucht man doch mit der Kernspindtomographie und mit Ultraschall!? Aber
Ultraschall bei diesen Flatulenzen!? Nee - dann lieber ein EKG wegen dem
Herz. Es drücken zwar nur die Verdauungsgase, aber man weiß ja nie...!
Wenn man schon mal da ist, dann kann man sich ja auch mal nach diesem und
jenem sehen lassen, denn in diesem Alter zwickt es fast überall und die
Ärzte sind heute gut ausgestattet.
Als
Graukopf und Begleitperson ist man natürlich gespannt, mit welchen Worten
der Hausarzt diesmal umschreibt, dass alles ganz normal und dem Alter
angemessen ist. Weißköpfchen möchte natürlich die Bestätigung für ihre
Selbstdiagnose und einen weiteren Grund, sich zuhause den Anspruch auf
besondere Fürsorge zu sichern.
Das Dümmste, was der Arzt jetzt machen
könnte, ist, die medizinische Wahrheit zu sagen. Damit wäre er auf einen
Schlag seine ganze Autorität los, weil er Weißköpfchen ja in die Ecke der
Simulanten stellen würde. Also kommt der berühmte Satz, der mit
"probieren wir´s mal mit..." anfängt. Das besagt nicht dass es
hilft, aber auch nicht, dass es nutzlos ist. Auf alle Fälle gewinnt man
Zeit. Sie ahnen es bereits, dass ein Rezept dabei herausspringt. Ein Fall
für die Doppelschublade.
Der
Apotheker empfängt uns bereits mit einem freundlichen Lächeln, dem
gleichen Lächeln, das man beim Weggehen vom Hausarzt erleben durfte - man
ist Privatpatient... . Mit einem Anteilnahme signalisierenden "Ei - wie
geht es Ihnen denn?", dem aus gleichem Mund bereits die Antwort
"gell, wieder schlechter...?" folgt, kann der geschäftliche Teil
abgewickelt werden. Unweigerlich kommt einem der Gedanken in den Sinn, dass
der Apotheker alleine von unseren Rechnung seinen Mercedes finanzieren kann.
Die freundliche Verabschiedung bestätigt irgendwie die Vermutung. Dann geht
es wieder nach Hause.
Zuhause
angekommen, geht es schon wieder viel besser. Jetzt kommt der interessante
Teil, bei dem der Beipackzettel studiert wird. Das sind vielleicht wieder
Nebenwirkungen! Wenn die mal nicht alle zusammen eintreten.
Sicherheitshalber werden die Tabletten erst einmal in die Doppelschublade
gelegt, damit nichts passiert. Jetzt dauert es nicht mehr lang, bis die
Erkenntnis reift, dass eine Kernspindtomographie vielleicht doch besser
gewesen wäre, als diese Tabletten - die Krankenkasse bezahlt es ja und
diese Untersuchung gibt allemal mehr her, als ein EKG, Ultraschall und die
winzigen Tabletten.
Mit
Flatulenzen ist nämlich nicht zu spaßen!
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Selbstverwirklichung
Sind
Ihnen schon einmal Menschen begegnet, die davon reden, dass sie sich endlich
mal "selbst verwirklichen" wollen? Haben Sie dabei auch so eine
Art Sehnsucht verspürt, es ihnen gleich zu tun, weil sie möglicherweise
wohl eine neue Dimension erlebt oder erkannt haben, die neue Möglichkeiten
eröffnen könnte? Dann sollten Sie der Sache auf den Grund gehen.
Die
schwierige und ermüdende Aufgabe, um jeden Preis er selbst zu sein,
schöpft der Mensch aus den Schlagworten der modernen Gesellschaft, wie
Autonomie, Selbständigkeit und Verantwortung. Ein souveränes Individuum
stellt schnell fest, dass das ICH zu einer Großbaustelle wurde. Die dabei
empfundene Ermüdung ist in Wirklichkeit die negative Auswirkung der
gesellschaftlichen Forderung nach Aktivität. Daraus entwickelt sich
allmählich eine Art Einsamkeit der Selbstverantwortung, die bewirkt, dass
dort, wo die Seele dem Anspruch auf Selbstverwirklichung nicht mehr
nachkommen kann, der Mensch mit einem Rückzug auf ganzer Linie reagiert.
Damit einher gehen innere Leere, Antriebsschwäche und Erschöpfung.
Selbstverwirklichung
und Lebensqualität hängen direkt zusammen. Selbstverwirklichung - auch als
Eigen-Sinn auslegbar - ist die elementare Voraussetzung für
Lebensqualität. Der Mensch möchte "Selbstverwirklichung" nicht
mit rücksichtslosem Egoismus gepaart wissen. Sie soll vielmehr als die
Realisierung der Talente angesehen werden, um ein Leben nach eigenen Werten
und in Freiheit zu führen. Soweit das, was man unbedingt wissen sollte, um
das Thema angehen zu können.
Auf
dem Weg der "Selbstverwirklichung" erleben die Grauköpfe
meistens ihre Sprösslinge oder die der näheren Umgebung, wenn sie
mal wieder Babysitter spielen dürfen. Oft bekommt man als Graukopf
auch noch gesagt, dass man schließlich nicht auch ein so langweiliges
Leben führen möchte, wie Graukopfs.
Wie
war das damals mit dem Kinderkriegen? "Ich möchte mich als
Mutter selbst verwirklichen", hatte Grauköpfchen damals gesagt
und ganz schnell erkannt, dass der kleine Wurm ebenfalls schon auf dem
Selbstverwirklichungstrip war, als er seine Talente und seine Ausdauer
schon recht früh realisierte. Dafür hatte das Mutterherz nun
Verantwortung, fern der Arbeitsstelle auch Autonomie und
Selbständigkeit, in die der Gatterich aus gutem Grund nicht hinein
dirigierte. Warum auch, denn er verwirklichte sich selbst ja gerade
beruflich - glaubte sie jedenfalls!?
Selbstverwirklichung
scheint immer nur dann zu funktionieren, wenn einem andere Menschen
die ganze Arbeit abnehmen und damit erst den Freiraum für die zur
Selbstverwirklichung ins Auge gefassten Aktivitäten ermöglichen. Wer
sich selbst verwirklicht, lässt unweigerlich Lebensgefährten und
Mitmenschen zurück, die dann kaum mehr die Gelegenheit zur
Selbstverwirklichung haben. Es sei denn - sie gehen in einer
karitativen Lebensweise auf und finden in Aufopferung ihre Erfüllung.
Bliebe
noch die Frage, was denn eintritt, wenn die Selbstverwirklichung eines
Tages abgeschlossen sein sollte. Kommt dann die große Leere,
weil die Zielprojektionen ausgehen?
Dieser
Fall wird so schnell nicht eintreten, weil es kaum einen Grad der
Zufriedenheit gibt, der absolut ist. Selbstverwirklichung hängt natürlich
auch mit dem Zeitgeist zusammen, der uns immer neue erstrebenswerte Ziele
vorgibt. Wenn man wirklich die Selbstverwirklichung abschließen will -
wobei ich bewusst das Wort "erfolgreich" ausspare, dann redet man
sich ein, dass man in Anbetracht seiner Lebenserfahrungen über den Dingen
stehe. Das vermittelt ein Gefühl der Überlegenheit und man zeigt für die
Selbstverwirklichungshungrigen äußerlich nur noch mildes Verständnis -
die Demonstration des totalen Sättigungsgrades.
Sind
die Verwirklichungs-Egoisten wieder entschwunden, dann kommt allerdings doch
so ein Gefühl hoch, das man nur schwer beschreiben kann. Vielleicht haben
uns die Egoisten doch schon in die Knie gezwungen und wir haben jede
Hoffnung auf die ersehnte Einheit von Körper und Geist, von Wollen und
Können verloren. Vielleicht tröstet es ein wenig, dass man mit seinen
Gedanken und seiner Situation kein Einzelfall ist, denn - die Welt ist
voller Egoisten, die uns brauchen.
Wer
sich selbst verwirklichen will, muss sich voll und ganz auf sich
konzentrieren. Damit stellt man sich aber fast schon außerhalb der
Gesellschaft und sozialer Strukturen. Vielleicht wollen viele Menschen auch
nicht wahr haben, dass es so ein niedriger Level ist, auf dem sie sich
längst verwirklicht haben.
Dann ist es eh zu spät.
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Ermessensfragen
Jetzt
spreche ich einmal die Graukopf-Männer an, die über sehr viel Erfahrung
mit Frauen verfügen. Ich bin mir bewusst, dass sich viele Frauen nun
ebenfalls sehr für das Folgende interessieren, weil sie glauben, ihre
eigenen Männer beträfe das ja nicht und es gut zu wissen sei, was sie
erfahren könnten, was erfahrene Männer so zu erzählen haben.
Nun
muss ich die Damen enttäuschen, denn es geht hier nicht um sexuelle
Praktiken oder amouröse Ausschweifungen, sondern um den Blick für die
menschlichen, die geistigen und die körperlichen Entwicklungsstufen von
Frauen und um die langwierigen Auswirkungen auf ihre männlichen
Lebenspartner. Es geht um den Zusammenhang zwischen monogam und monoton, um
den Reiz der Sinne und gereizte Sinne, um Markenechtheit und Mogelpackungen,
um Einfalt im Zwiespalt sowie um frühe Erkenntnisse, die viel zu spät
kommen, weil die Triebe vielen Männern den Blick verstellten.
Ein
neutrales Beispiel
Graukopf
sitzt beim Frühstück und sieht fern - er schaut das Morgenmagazin
und lässt es auf sich wirken. Zunächst die Moderatorinnen und die
Moderatoren, dann die Nachrichten und die Wetterfrösche sowie die
Welt da draußen, die gerade vorgestellt wird. Wenn das tagtäglich
geschieht, dann kommt es zu einer Vertrautheit der Personen, so dass
man sie praktisch in den eigenen Lebensbereich einbezieht.
Die
Männer wirken auf Herrn Graukopf nicht so intensiv, die weibliche
Riege eher, die man vor die Kamera lässt. Für die Männer schämt
sich Herr Graukopf gelegentlich als Mann, weil man so viel Dummheit in
Person des Moderators X oder Y auf die Menschheit loslässt. Sie wirkt
umso aufdringlicher, umso selbstbewusster sie vorgetragen wird.
Hierbei fallen besonders die Reporter vor Ort auf, über deren Fragen
und Kommentare man als Durchschnittsgebildeter nur den Kopf
schütteln kann. Also
wendet man sich den Moderatorinnen zu.
Das
Empfinden der Moderatorinnen läuft bei Herrn Graukopf nach einem anderen
Muster ab. Beim ersten Erscheinen auf der Flimmerkiste wird erst einmal
ergründet, wie die Moderatorin heute "drauf ist". Hierbei
schlägt die Lebenserfahrung des Mannes erstmals gnadenlos zu.
Frisur,
Gesicht, Blick, Körperhaltung, Kleidung und die ersten vernehmbaren Worte
werden förmlich gescannt und mit dem Vortag und der erwähnten
Vertrautheit verglichen. Alte Mängel werden bestätigt und erfreuliche
Veränderungen registriert. Ein gewisser Entwicklungsprozess wird im
Unterbewusstsein registriert. Ob die Moderatorinnen wissen, dass sie
tagtäglich mit den weiblichen Personen verglichen werden, die
Hunderttausende von Männern umgeben? Wahrscheinlich nicht! Vielleicht ist es gut so, denn dann
würde es sie auch interessieren, ob sie dabei gut oder schlecht
abschneiden. Die Männer brauchen jetzt gar nicht zu grinsen, das
funktioniert unter umgekehrten Vorzeichen genauso.
Grauköpfe
haben im Hinterkopf unzählige Entwicklungsbeispiele von Frauen gespeichert.
Die Bilder sind geordnet nach Verstand und Intelligenz, Charakter,
Fleischeslust und -fülle, relativer Schönheit, Stimme sowie Mutterinstinkt
und Kinderliebe. Die über alle Entwicklungsstufen konstantesten Einheiten
sind Verstand, Intelligenz und Charakter. Die Aufmerksamkeit, die man ihnen
entgegenbringen müsste, wird allerdings in den meisten Fällen von den übrigen
Kriterien überdeckt.
Schönheit,
figürliche Merkmale und die empfundene Erotik im Zusammenwirken mit anderen
oberflächlicher Wahrnehmungen bewirken, ob man überhaupt gewillt ist, den
Rest zu ergründen. Dieses "Ergründen wollen" wird im
Zuneigungsfall allerdings oft von bestimmten Vorahnungen begleitet, während
im Ablehnungsfall die Sicht auf den Rest absolut glasklar zu sein scheint.
Nichts
anderes passiert bei der persönlichen Partnersuche und hält oft bis hin
zum Traualtar an.
Herr
Graukopf ist in seinem Beurteilungsvermögen oder seiner Illusionsarmut so
weit, dass er schon bei geschlechtsreifen Mädchen erkennt, ob sie später
einmal Hungerhaken, Traumfrauen oder Wuchtbrummen werden. Unter Einbeziehung
der Stimme und des Gesprochenen kann er sogar beurteilen, wie lange ein Mann das Gesamtkunstwerk
voraussichtlich ertragen kann. Bei Intelligenz oder Einfalt kommt es wieder
darauf an, wie sich das Opfer selbst einschätzt, denn davon hängt ab, was
man ertragen kann.
Das
Selbstbewusstsein der Frauen steht vielfach im umgekehrten Verhältnis zu
ihren positiven Eigenschaften, was jedem Graukopfmann Dauerstress
signalisiert. So richtige Dummheit lässt sich oft noch damit kompensieren,
dass der Rock etwas kürzer ist oder zwei zusätzliche Knöpfe der Bluse
geöffnet sind - es ist halt eine Ermessensfrage, was man daraus macht.
Jetzt werden die Frauen sagen, dass man
der körperlichen Entwicklung ja
entgegenwirken kann. Auch das zieht Herr Weißkopf ins Kalkül, denn nichts
ist anstrengender als eine Frau, die lebenslänglich mit ihrer Figur
kämpft. Noch schlimmer ist für ihn der Gedanke an die Folgen der
Kapitulation in der adulten Periode. Die
verbleibenden strukturellen Anomalien schreien dann oft nach aufwändigen
und teueren Kaschierungen.
Frauen
kennen und nutzen zumindest allerlei Figurmodellierungshilfs- mittel, mit denen
sie ihre Reize betonen oder Fehlerchen zu verstecken beabsichtigen.
Während junge Tölpel mehrheitlich noch auf den Verpackungsschwindel
hereinfallen oder ihn in spezieller kurzfristiger Absicht in Kauf
nehmen, hat Herr Weißkopf den gewissen Blick dafür, was langfristig
passt und was nicht. Übertriebene Verpackungsvarianten einiger Damen
setzt er sogar mit einem Signal erhöhter Paarungsbereitschaft gleich,
woraus wiederum je nach Alter ein völlig neues Beurteilungsbild
entsteht.
Hinter
all den Reflexen steht natürlich die männliche Erfahrung und
genügend Beispiele, denen man im Laufe seines Lebens auf den Grund
gehen durfte. Herrlich entspannt lebt da der Ahnungslose, für den
zwar Reize noch Reize sind, er die aber einer fernen Vergangenheit
zuordnet. Was dem Graukopf bleibt, ist der Umgang mit
Intelligenz, Charakter, Charme und gelegentlich auch etwas mehr, wenn
die Lampen seiner Erfahrung allesamt grün leuchten und es die eigene
Partnerschaft zulässt. Das ist mehr als genug.
Eines
ist für Herrn Graukopf allerdings nach wie vor bedauerlich, dass man
als junger Mann oftmals an Frauen hängen bleibt, die sich im Laufe
der späteren Ehe dann nicht mehr annähernd ähneln.
Ist
es die größte Falle des Lebens, dass die Frauen zur Fortpflanzung nahezu
alles tun, um an den besten Mann heranzukommen, der sich bekommen lässt? Dabei
setzt die körperliche Umwandlung oftmals schon sofort ein, sobald die Falle zuschnappte. Dieses traumatische Erlebnis prägt die spätere
Erfahrung - allerdings erst, wenn es zu spät ist.
Sollten
einige Frauen bis hierher meinen Ausführungen gefolgt sein, so werden sie
bestätigen, dass die umgekehrte Erfahrung mit Männern zu ähnlichen
Ergebnissen führt. Warum sollen Frauen nicht ähnlich erfahren sein, wie
die Männer!?
Ein
Trost ist das allerdings nicht!
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Das
Testament
Frau
Graukopf ist eine Frau, die zwar nicht immer genau weiß was sie will,
dafür aber umso ausgeprägter weiß, was sie nicht will. So ist ihr Leben
auch stets auf Verhinderung ausgerichtet, beziehungsweise - um es positiv
auszudrücken - auf Konstruktionen ihres Vertrauens. Sie vertraut
grundsätzlich allem, was sich von ihr lenken lässt und sich so verhält,
wie sie es erwartet. Mal ehrlich - das ist doch auch vernünftig, oder etwa
nicht!?
Irgendwann
kommt der Tag, an dem man sich darüber Gedanken macht, wie die
Lebensabendstrategie aussehen soll. Man wohnt in einem immer leerer
werdenden eigenen Haus, quält sich zunehmend mit dem Sanierungsbedarf herum
und weiß noch nicht einmal, was aus allem werden soll. Für die Kinder hat
man sich krumm gelegt, damit sie etwas Eigenes haben und bewohnt selbst
irgendwann alle Räume des Hauses, die immer mehr einem Museum ähneln.
Schließlich sind die Möbel von beinahe drei Generationen noch intakt
und zudem auch noch prima gepflegt. Das Problem ist nur - es will sie
später mal keiner haben! Oder haben Sie Ihre eigenen Möbel zum Sperrmüll
gegeben, als sie Ihre Eltern oder nahe Verwandte beerbt haben und sich mit
deren Möbel eingerichtet? Ja! - Dann müssen da aber echt antike Stücke
dabei gewesen sein.
Eine
Wohnungsauflösung läuft doch immer nach dem gleichen Muster ab.
Schwiegertöchter konzentrieren sich zum Beispiel nur auf Schubladen, geheime
Fächer, Kassetten und
Schlüsselchen. Was sie interessiert, geht in der Regel in eine große
Handtasche. Der Rest wird zum Problem, das ihre Männer lösen müssen.
Töchter
und Söhne konzentrieren sich dagegen mehr auf Sachen mit einem hohen
Erinnerungswert und auf die Sachen, die man stets vor ihnen verborgen
hielt. Söhnen ist zu raten, dass sie ihre Frauen bei
Haushaltsauflösungen nicht aus den
Augen verlieren. Schwiegersöhne dagegen kann man an dieser Stelle
vernachlässigen, weil sie ohnehin nur nach Anweisung handeln dürfen.
Erben ist eine Sache, bei der man keine hohen moralischen Maßstäbe
anlegen darf, besonders, wenn es auch noch Geschwister geben sollte.
Frau
Graukopf weiß das, denn sie hat es bereits in ihrem Umfeld und in der
eigenen Familie erlebt. Nun kommt so langsam der Gedanke hoch, dass
man ja selbst bald zum Erblassenden und damit zum Erblasser werden
könnte. Schon steht die Frage im Raum: "Ei, was mache mer dann
da!?"
Herr
Graukopf ist irritiert. Noch weiß er nicht genau, ob es darum geht,
dass sie ihn oder andere sie beide beerben sollen- oder wer wen und in welcher
Reihenfolge? Schon kommen Visionen hoch, wer alles profitieren
könnte, wenn so oder anders herum gestorben wird. Die ganze
Verwandtschaft flaniert gedanklich über den fiktiven
Erbschafts-Catwalk und wird der Reihe nach aussortiert. Ob die
Betroffenen gerade merken, dass sie selektiert werden?
Wohlwollen
und Antipathien wechseln in schneller Folge und rasch steht fest, wer was
nicht bekommen soll.
Endlich
Klarheit!
Das
alles muss jetzt in ein Testament, darüber ist man sich einig. Das
Einfachste wäre, man würde es auf einen großen Bogen schreiben, in ein
Kuvert stecken und versiegeln. Bliebe nur das Restrisiko, wer es im
Todesfall findet und möglicherweise gar verschwinden lässt. Also
geht man zum Notar, damit auch das passiert, was man wirklich will.
Das
erste Gespräch mit dem Notar gestaltet sich etwas schwierig, weil man die
Reihenfolge des Ablebens und die jeweils unterschiedlichen Konsequenzen
gedanklich durchspielen muss. Das mit der Gegenseitigkeit ist zunächst
recht akzeptabel, bis klar wird, dass der verbleibende Partner zu jeder Zeit
ein völlig neues, anderes Testament verfassen lassen kann. So
unterschiedlich, wie jeder die jeweilige Verwandtschaft empfindet, so
zwiespältig sind auch die Gedankengänge. Graukopfs werden höflich und
etwas aufgeklärter nach Hause geschickt, weil sich das beim Notar zeitlich
nicht ausdiskutieren lässt.
Tagelang
wird nun sondiert, gebündelt, verschoben, gestrichen und den Emotionen
freien Lauf gelassen. Inzwischen bezieht man in Kompromisse sogar das
Tierheim, Stiftungen, das Rote Kreuz und die Kirche ein, um sich auf diesem
Weg in der eigenen Familie möglichst viele lange Gesichter vorstellen zu
können. Genüsslich pickt sich Frau Graukopf den gierigsten
Verwandtschaftsteil heraus und äußert hämisch, es wäre das Beste, man
würde nur Schulden hinterlassen. Absolut entbehrlich sind Gedankengänge um
Möbel, Wäsche und Kleidung - kurz, was sich nicht zu Geld machen lässt.
Das ist schwer zu akzeptieren, aber leider gängige Lebenspraxis. Die ganze
Vererberei macht inzwischen keinen Spaß mehr.
Nun
ist der Zeitpunkt gekommen, an dem die Graukopf ihr Vorhaben noch einmal
verschieben. Eigentlich reiche ja das Erbe auf Gegenseitigkeit. Soll
sich doch der Partner damit herumschlagen, wem er was vererben will. Jemand,
der es wirklich verdient hätte, war gegenwärtig ohnehin nicht auszumachen.
Noch einmal wird die Sanduhr gedreht und Graukopfs hoffen insgeheim, dass es
nicht der Kalk sein möge, der da so munter rieselt.
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Legendenbildung
als Gewissensbalsam
Im
hohen Alter kommt es durchaus vor, dass man über Nacht den Lebenspartner
verliert und mental gar nicht auf diese Möglichkeit vorbereitet ist.
Weißköpfchen hatte sich seit vielen Jahren darauf eingestellt, einmal ganz
kurz vor ihrem Lebenspartner zu sterben, um dann nicht allein zu sein. Dann
käme sie selbst um die Trauer herum und könnte von höherer Warte
miterleben, wie sich ihr Lebenspartner grämt und wie stark er und alle
Verwandten und Bekannten um sie trauern würden. Die vielen Krankheiten
versprachen ja auch einen gewissen Vorsprung, wenn er auch nur minimal
ausfiel. Der sollte aber ausreichen, um die Lebensplanung wie gewünscht zu
erfüllen. Doch es kam wie so oft im Leben ganz anders.
Durch
einen tragischen Unfall verlor er zuerst sein Leben und sie blieb mit
all ihren Problemen zurück, die sie zum Teil selbst geschaffen hatte.
Was man in Firmen "Arbeitsteilung" nennt, war in ihrem
Zusammenleben eine recht einseitige Verteilung der Lasten. Er war ja
schließlich auch ein Mann und sollte sein ganzes Leben lang die
Angebetete auf Händen tragen. Dafür wurde er bekocht und jeden
Morgen legte sie ihm heraus, was er anziehen sollte. Die Kleidung war
streng nach Sonntags- und Werktagskleidung getrennt, was bedeutete,
dass Hosen, Anzüge, Jacken und Schuhe in den ersten drei Jahren nur
an Sonn-, Feier- und Geburtstagen getragen werden durften. Nun
hinterlässt er jede Menge Kleidung, die er nie tragen durfte. Das
allein war von ihm doch schon äußerst unvernünftig, wo doch alles
so viel Geld gekostet hatte!
Weißköpfchen
bemerkte dagegen erst jetzt, dass ihre Schränke zwar voll, aber kaum
schwarze Kleidungsstücke dabei waren, die noch passten. Wie bereits
erwähnt - dieser Fall sollte ja auch nicht eintreten, wenn alles nach
Plan gelaufen wäre. Auch jetzt macht er nur Probleme - der
Unglückliche. Wie gut hätte dieser Vorwurf in die Kette der Sprüche
gepasst, die er sein ganzes Leben lang ertragen musste. Als treu
sorgender Mann stellte er sich natürlich generell als Sündenbock zur
Verfügung, wenn etwas schief gelaufen war. Im Haushalt war es jetzt
auf einmal so seltsam ruhig und viele Aktivitäten ruhten.
Nur
die ureigenste Welt von Weißköpfchen läuft auf vollen Touren. Sohnemann -
auch schon Graukopf - schließt die gröbsten Lücken in der gewohnten
Befehlskette.
Für
ihn war die Situation zunächst zwiespältig, denn er hatte seinem Vater
versprochen, sich um Weißköpfchen zu kümmern. Allerdings gab er ihm den
Rat mit auf den Weg: "Überlege dir aber gut, was du machst, denn was
du einmal machst, das musst du immer für sie machen!" Hörte er da
einen Leibeigenen oder gar Sklaven sprechen, der ihn warnen wollte?
Gab es
da eine Art Beziehungsgefangenschaft mit düsteren Ritualen der
Willensdurchsetzung? Heularien, Wutausbrüche etc. ? Was würde nun kommen,
wenn man versuchte, das durch seinen Wegfall entstandene Vakuum zu füllen?
Sollte gar auch das tägliche Quantum an Streitlust befriedigt werden
müssen? Das kann ja heiter werden!
Während
die Anpassung auf allen Gebieten und mit allen Facetten anlief, wurde
bereits eifrig an der Legende gestrickt, die ein perfektes Bild einer
christlich abendländischen Ehefrau mit konservativer Erziehung festigen
sollte, das von Güte und Aufopferung zeugt. Auch die passenden
Trauerrituale mussten eingeübt werden, um all das eindrucksvoll und
authentisch zu untermauern. Natürlich gab es auch die wirkliche und
ehrliche Trauer, die man über einen Verlust empfindet und das leere
Gefühl, jetzt wieder etwas mehr auf sich selbst gestellt zu sein. Die
Vorzeige-Trauer überwog allerdings bei weitem.
Bis
zur und während der Beerdigung
bestand noch der Schutz, den man allen Trauernden zuteil werden lässt. Ein
großer Personenkreis glich allerdings angesichts der kleinen Fehler der
zukünftigen Legende das bisherige Beziehungsbild der Weißkopfs mit den
neuen Wahrheiten ab. So wollen einige Facetten einfach nicht so ganz
zusammen passen. Je nach Wahrheitsliebe sind hier und da bereits leichte
Distanzierungen bei einzelnen Personen spürbar. Es wird Zeit, mit den
echten Wahrheiten leben zu müssen, denn man kann das Rad nicht mehr zurück
drehen und vieles auch nicht ungeschehen machen.
Graukopf
wird nun mit der bisherigen Rolle seines Vaters vertraut gemacht und auch
mit den psychologischen Druckmitteln, um die neue Rolle des Haussklaven
anzunehmen. Graukopf ist jedoch ein anderer Charakter und hat auch ein
anderes Temperament. Die Taktik funktioniert nicht und ein langer
Anpassungsprozess mit Konsequenzen zeichnet sich ab. Auch sind es erste
Reaktionen, die Graukopf zunehmend stören, denn es muss bereits Platz in
den Schränken für die neue schwarze Garderobe geschaffen werden, die
man ja als christlich- abendländische Witwe mindestens ein Jahr lang tragen
muss - schon wegen der Leute. Ein Vorteil ist, dass Schwarz schlank macht
und so ein echter Mohair-Pullover ja auch eine tolle Sache ist. So hat alles
auch sein Gutes.
Mit
jedem Besuch aus ihrem Umfeld festigt sich die noch in Bearbeitung
befindliche Legende vom perfekten Zusammenleben, das jetzt zerstört ist.
Dabei scheint jetzt einiges sogar viel besser zu laufen. Der Appetit ist
besser, manches reichhaltiger, einige Dinge werden viel schneller und besser
gemacht. Auch ein Teil der Selbständigkeit kehrt allmählich wieder
zurück. Darüber fällt jedoch kein Wort, weil es nicht zur Witwenklage
passt.
Trauer
ist ein langer Weg der Anpassung, an dessen Ende meist ein neues
Lebensgefühl steht. Wenn auch heute noch die Beispiele aus dem
tausendjährigen Reich bei jeder Gelegenheit herangezogen werden, bei denen
viele Trauernde an ihrem Schicksal zerbrachen und das damals als Tugend
galt, so scheint doch die Neugier auf das nun veränderte Leben zu
überwiegen. Man lacht sogar schon wieder, aber nicht zu laut - wegen der
Leute...!
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Familien-Soap
mit Laiendarsteller
Stimme,
Gestik und Mimik sind wichtige Instrumente, um beim Gegenüber Eindrücke
zu erzeugen. Diese können ganz unbewusst und menschlich echt aber auch
gezielt und in bewusster Absicht zum Einsatz kommen. Letzteres ist eher
mit Täuschungsversuchen verbunden, weshalb wir sehr auf die
Stimmigkeit der Signale achten müssen, um nicht hinters Licht geführt zu
werden. Man findet diese heimtückischen Varianten meist im Zusammenhang mit
Hypochondrie oder verdrängter Schuld aber auch manchmal nur einfach so aus einer
Laune heraus, wenn sich der oder die Agierende den Gesprächspartnern überlegen
fühlen.
Ansonsten wäre ja auch die Gefahr viel zu groß, enttarnt zu werden.
Überschätzt man sich selbst diesbezüglich, dann sind die Folgen mitunter
gravierend.
Weißköpfchen
ist am angenehmsten, wenn Ehrlichkeit aus ihr spricht. Dazu gibt es
viele Gelegenheiten, bei denen es um rein gar nichts geht und wo sie es
sich auch leisten kann. Dann wird sie freudig angenommen und kann den
Kontakt genießen. Den Kontakt genießen zu wollen ist bereits die
entscheidende Weichenstellung, die allerdings den nächsten Angehörigen
selten zuteil wird.
Im
trauten Familienkreis kann man sich ungeniert gehen lassen, denn da
kennt jeder den IST- Zustand und man kann niemand mehr ein X für
ein U vormachen. Hier werden nur Machtpositionen ausgelotet,
beleidigt, gedemütigt und denunziert, was das Zeug hält. Warum
auch liebenswert sein, wenn man als Elternteil einen Anspruch auf
grenzenloses Verständnis zu haben glaubt?!
Dennoch
wird von Weißköpfchen je nach Situation, in die sie sich hinein-
manövrierte, das komplette Register an Stimmlagen, Gestik und
Mimik aufgeboten, um entweder Schonung nach dem Austeilen von
Unverschämtheiten, Mitleid nach harter Konfrontation mit der
Realität oder eine bessere Position durch Zelebrieren eines
Handicaps zu erreichen. Da wird auch schon mal das Köpfchen hängen
lassen und dabei nachlässig und unverständlich gesprochen, als sei
eine Lähmung des Gesichts eingetreten, hilflos und geistesabwesend
dabei dreingeschaut, währenddem die Ohren gespitzt werden, was im
Raum gesprochen wird, um plötzlich putzmunter am Gespräch
teilzunehmen und sich zu streiten, was das Zeug hält.
Der
Knaller ist jedoch die Modulation der Stimme, wenn ein bestimmter zur
Absicht passender Zustand simuliert wird. Die Stimme schwingt
irgendwo zwischen Vibrato und Tremolo , während scheinbar das Auge
bricht. Besser kann man das nahe Ende nicht rüberbringen, das in
Wirklichkeit meilenweit entfernt ist. Man braucht dann nur ein Reizthema
anzuschlagen und die Stimme wird glasklar und fest und die Äuglein
blitzen. Kurz darauf genügt ein spöttisches Lachen, damit Weißköpfchen
sich ertappt fühlt und die Stimmung schwingt blitzschnell in ein Lamento
mit Heularie um, weil die Sache so peinlich war. Und wieder ist ein Stück
gegenseitige Achtung zum Teufel gegangen. Wenn man mal das ganze
Täuschungs-Repertoire kennt, fällt es immer schwerer, auch echte Momente
auszufiltern. Dann kann es wirklich passieren, dass man eine Situation
falsch einschätzt. Ein viel zu hoher Preis für das miese Spiel!
Im
Kontakt mit Nichtfamilienangehörigen breitet Weißköpfchen ihre ganz
eigene Welt und Sicht der Dinge aus, in der die Bösen böser sind, als
andere Böse, auch wenn sie die ganze Last tragen - nur nicht jede Marotte
mitmachen. Weißköpfchen lässt sich dann bedauern und packt immer noch
etwas auf ihren Wohltäterhügel drauf, um in Sphären vorzudringen, in
denen angeblich Heiligenscheine verteilt werden. Der Pfarrer muss es
unbedingt wissen, wie herzensgut man und wie schwer dennoch das eigenen
Schicksal ist. Und wieder wird das Ausdrucksregister nach allen Regeln der
Kunst gezogen, damit auch alles richtig ankommt. Dafür muss es eigentlich
Extrapunkte fürs Himmelreich geben. Doch Geistliche sind Menschen mit
klarem Verstand und großer Menschenkenntnis. Sie durchschauen das Spiel
und reagieren darauf so angemessen, wie sie es vertreten können.
So
steckt in jedem Mensch ein mehr oder weniger großes Schauspieltalent, das
eigentlich fernsehreif wäre, wenn man den Menschen diese Realsatiren
zumuten könnte.
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Verklärende
Geschichtchen
Es
muss schon ein tolles Gefühl sein, wenn man ein absolut und grenzenlos
gütiger Mensch ist, der sich sein ganzes Leben lang für Andere aufopferte
und niemals an sich selbst dachte, dessen Herz so rein ist, dass kein böser
Gedanke darin Platz hatte. Wenn man das im Leben erreicht hat, dann kann man
sich der uneingeschränkten Bewunderung nahezu aller Mitmenschen sicher
sein.
Anders
sieht es aus, wenn man so ganz und gar nicht in dieses Bild passt, aber so
gern hinein passen möchte. Es würde ja auch langsam Zeit werden, denn man
nähert sich langsam aber sicher dem Lebensende. Doch die
ausgeprägten Wesensveranlagungen verbauen permanent den Weg zum
angestrebten Ziel. Also bleibt nur der Weg, einen großen Teil des Lebens so
zurecht zu biegen, dass das so sehr anvisierte Ziel wenigstens ungefähr
erreicht werden kann. Weißköpfchen ist gerade an so einem Punkt angelangt.
Ja,
wie war man denn nun so als Mensch?
Allein
diese Frage beinhaltet schon eine gehörige Portion Selbstzweifel.
Weißköpfchen
sucht nach positiven Ansätzen. Ach ja, da war die eigene Kindheit,
die so gar nicht harmonisch verlief aber dennoch in ein Happyend
mündete, weil großherzige Großtanten das Erziehungswerk
vollendeten. Sigmund Freud würde bereits hier ansetzen, wenn er an
die Sache heran ginge. Konservativ erzogen zu sein, taugt aber noch
nicht zum guten Menschen, denn das Gute vollbrachten ja Andere.
Dann
war da der Krieg, als Weißköpfchen als Phonotypistin in der
Luftüberwachung tätig war. Schlimme Zeit, mit dem Fahrrad durch die
zerbombte Stadt und zurück. Im Krieg geheiratet, der Mann in
Ostpreußen, Kind bekommen, nach und nach die Großtanten verloren,
den Bub tapfer herausgefüttert, der Mann noch Jahre in der
Kriegsgefangenschaft.
Es
war eine verdammt schwere Zeit, wie sie Millionen erlebten, die das
Regime bis zum Schluss stützten und den Verlust von Angehörigen, von
Hab und Gut, ja in unzähligen Fällen auch den Verlust der Heimat
erlebten. Da ist man eigentlich noch verhältnismäßig glimpflich
davon gekommen, denn Herr Weißkopf kam unversehrt aus der
Kriegsgefangenschaft und der kleine Bub war besonders gut geraten. Man
musste halt ganz von vorn anfangen, wie eben besagte Millionen auch.
Dass man das geschafft hat, macht allein aber noch keinen guten
Menschen aus.
Mit
dem Wirtschaftswunder und dem Verkauf von Grundvermögen ging es dann
aufwärts. Weißköpfchen nähte nebenher für die Leute und kümmerte sich
um den damals noch bescheidenen Haushalt. Der damalige kleine Bub bereitete
während des Heranwachsens kaum Probleme. Es waren eher Krankheiten von
Weißköpfchen, die das Leben beeinträchtigten. Leiden sind aber auch keine
Verdienste.
All
die Leiden waren aber auch immer Grund genug, sich nicht beruflich
betätigen zu müssen und den Haushalt zu pflegen. So wurde das Sparen und
das Putzen zum allüberspannenden Lebenszelt, unter dem es sich recht
spießig leben ließ. In der Zeit des Wirtschaftswunders war es schon etwas
Besonderes, wenn der Mann allein verdiente. Damit konnte man sich
hervorheben.
Sparsamkeit
und Sauberkeit - endlich eine Tugend, die zur neuen Legende taugt.
Ein
wesentliches Kapitel war das Sichern von Familienbesitztümern, die man sich
erst mühsam erschleichen musste. Stets allgegenwärtig war dabei die
Lebensabendstrategie, die bei Beiden recht unterschiedlich ausfiel.
Knackpunkt war sicherlich, wer einmal zuerst sterben würde. Danach sollten
bestimmte Strategien greifen, über die aber nie ehrlich miteinander
gesprochen wurde. Beide Strategien hatten jedoch Gemeinsamkeiten. Da war
zunächst das Anhäufen von Geld, das man später notfalls gemeinsam,
vorzugsweise aber auch ganz für sich ausgeben konnte. Es entstand die
visionäre Mär vom Seniorenstift, in das man sich einkaufen könne und wo
man mit Hilfe des ersparten und geerbten Geldes all seine persönlichen
Charaktereigenschaften im Pflegeumgang egalisieren könne. Der
Konstruktionsfehler war aber, dass man sich vom gesamten sonstigen Hab und
Gut hätte trennen müssen, was allerdings ihrem Wesen massiv widersprach.
Was
ist eigentlich aus dem "Bub" geworden? Der ist heute Graukopf und
hatte rechtzeitig die Konstruktionsfehler der Lebensendplanung seiner Eltern
erkannt und mit viel Überzeugungsarbeit korrigiert. Die größten Hürden
waren die unterschiedlichen Lebensabendvisionen, die es unter einen Hut zu
bringen galt, weil sie unsichtbare Hindernisse waren. Körperliche
Einschränkungen und Erkrankungen wiesen letztendlich den Weg zur
gemeinsamen Bewältigung des Problems. Die zukünftige Hauptlast bürdete
sich der "Bub" auf. Das machte ihn natürlich höchst verdächtig,
denn es ist ja etwas zum Vererben da! Das muss der wahre Grund für die
Großherzigkeit sein, der man partout - außer Geld - nicht viel entgegen zu
setzen hat. Warum nur sind viele Eltern so penetrant misstrauisch?
Vielleicht, weil man im Leben selbst immer dort war, wo etwas etwas zu erben
gab?
Es
will aber auch so gar nichts Wohl- und Mildtätiges ins neue Bild passen,
was man dem stillen Pflichtbewusstsein, das einem nun täglich umgibt,
entgegensetzen kann. Dummerweise kommen bei der Aufarbeitung der
Vergangenheit immer mehr Indizien ans Tageslicht, die auf diese recht
unterschiedliche Lebensabendstrategie der Weißkopfs schließen lassen. Das
gemeinsame Testament, das Sohn Graukopf sehr wohl als letzten Willen der
Eltern akzeptiert, entspricht in seiner Schlichtheit und Eindeutigkeit dem
Berliner Testament, enthält jedoch bewusst nicht den Zusatz, wer später
endgültiger Erbe ein soll. Das wurde bewusst weggelassen. Es hat unter
bestimmten Voraussetzungen allerdings keine Auswirkung, doch - wem nutzt
das? Eigentlich nur dem Teil, der später noch einmal heiraten wollte. Das
regt doch sehr zum Nachdenken an.
Viel
schwerer wiegt aber für Grauköpfchen, dass sie dieses Testament nach
dessen Eröffnung rechtlich nun nicht mehr verändern kann. Der Partner
wirkt also noch lang über seinen Tod hinaus. Man wird zudem ausgerechnet
von dem gepflegt, den man zu Lebzeiten bewusst ausschloss, obwohl man immer
lauthals erklärte, man spare nur für ihn. Das kratzt an der
Glaubwürdigkeit und am gegenseitigen Vertrauen.
Besonders
tragisch ist dabei, dass diese verbal korrigierten Sichten permanent an
verschiedensten Bezugspersonen auf ihre Wirkung hin erprobt werden, damit
bis zum nächsten Besuch des Pfarrers die neuen Wahrheiten stehen - wie
steht man denn sonst da?
So
wird die Geschichte auf der Suche nach dem edlen Mensch in sich selbst immer
weiter gesponnen - bis zum seligen Ende.
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Rollenspiel
"Probesterben mit Wiederauferstehung"
Ein
kleiner Schauspieler steckt in jedem von uns - so auch in
Weißköpfchen. Es sind oft keine großen Rollen, die unsere
Aufmerksam erregen, vielmehr groteske Komödien, die entweder zum
Lachen reizen oder Kopfschütteln verursachen. Weißköpfchen ist
darin ein wahrer Meister. Ihre Inszenierungen sind ausgefeilt und
Zeitgenossen, die das Spiel nicht kennen, fallen reihenweise darauf
herein. Dabei bedarf es einer guten Vorbereitung und eines intensiven
Einlebens in die Rolle, damit sie zumindest eigenen Ansprüchen
genügt.
Nun
hat Weißköpfchen ja nicht allzu viel im Leben erlebt, was das
Spielen ganz großer Rollen ermöglichen würde, doch eine
Mindesterfahrung aus der Stummfilmzeit, des Kinos und der
Fernsehunterhaltung lässt die eine oder andere Parodie zu. So auch in
der letzten Nacht, als sie sich selbst die Gretchenfrage stellte und
Sohn Graukopf zu erschrecken versuchte.
Nach
vielen Kontakten mit Gratulanten anlässlich des 87. Geburtstages ging
Weißköpfchen mit allen möglichen Gedanken im Kopf zu Bett. Vom Stress des
Tages und der vielen Sitzerei stellten sich leichte Schmerzen im rechten
Oberschenkel ein, die Grund genug waren, kurz vor Mitternacht die Notklingel
zu bedienen, die sie mit ihrem Sohn in der Nachbarwohnung verbindet. Ein
Kühlkissen musste her, das die Schmerzen lindern sollte. Danach wurde die
Nachruhe von allen Beteiligten fortgesetzt. So gegen Halbdrei schrillte
erneut die Notklingel. Sohn Graukopf streifte sich den Bademantel über und
eilte zum Einsatzort.
Im
Dämmerlicht der Nachttischlampe - schaurige Schatten an die Wand werfend -
blickte er in einen offen stehenden Mund, der fast unverständlich
formulierte: "Es geht zuende mit mir - ich kann mich nicht mehr
bewegen, bleib bei mir, wenn es jetzt mit mir zuende geht...". Der Atem
rasselt. Kein Wunder, wenn man auf dem Rücken liegend mit offenem Mund
austrocknet. Graukopf schlägt das Deckbett zurück und sieht nach, was die
Ursache der Schmerzen und der Steifheit sein könnte. Das Bein schmerzt von
der Fußspitze bis in die Hüfte. Von der Kälte des Kühlkissens hat sich
wahrscheinlich der Ischiasnerv entzündet.
Nun
hilft nur Wärme - also wieder zudecken. Einen Notarzt benötigt
Weißköpfchen nicht, bittet aber darum, dass Graukopf die Nachbarin X und
die Bekannte Y anrufen soll, weil sie sie noch einmal sehen will. Mit
brechenden Augen wie zu Clara Zylinders bester Stummfilmzeit kommen
die letzten Wünsche über die Lippen. Graukopf riecht den hypochondrischen
Braten und fragt überspitzt, ob er denn auch den Pfarrer verständigen
solle, wie sich das für eine so gläubige Frau ziemen würde. Das lehnte
Weißköpfchen ab, denn mit so etwas spaßt man nun doch nicht. Was wäre,
wenn es doch nicht das Ende ist?
Wenn
man das nahe Ende vor sich sieht, muss man noch mal Wasser lassen. Wie von
magischer Kraft bewegt, bewegt sie sich nun doch, denn die Blase drückt.
Beinchen aus dem Bett, von helfender Hand auf die Beine gestellt,
herumdrehen und in den Rollstuhl gesetzt. So geht es ins Bad. Wasserlassen
funktioniert erfreulicherweise dann auch und wieder zurück ins Bett. Der
Kreislauf wühlt plötzlich ganz stark am Herz - vielleicht hätte man so
spät keinen Bohnenkaffee mehr trinken dürfen. Und wieder steht - auf dem
Rücken liegend - der Mund offen und die Augen haben etwas vom Blick eines
Schellfisches. Nach einigen beruhigenden Worten Graukopfs kehrt wieder die
Nachtruhe ein. Eine Stunde vergeht, dann geht das Ganze wieder von vorn los
und wiederholt sich noch zweimal bis zum frühen Morgen. Dann wird es hell -
der Doktor muss unbedingt kommen und entscheiden, ob es wirklich zuende geht
oder nicht.
Inzwischen
ist auch der tägliche kommende mobile Pflegedienst da und es muss sich
entscheiden, ob sich Weißköpfchen nach dem Waschen wieder ins Bett legt
oder ob sie angekleidet wird, damit sie die Tagespflegeeinrichtung besuchen
kann. Dort ist nämlich heute eine Kaffeetafel anlässlich ihres
Geburtstages geplant und Graukopf hat schon große Mengen Kuchen geordert
und bezahlt. Was ist nun wichtiger? Der Hausarzt trifft ein und untersucht
Weißköpfchen, ohne irgend etwas festzustellen, was zur Besorgnis Anlass
gäbe. Zur Sicherheit erfolgt noch eine Blutprobe, die schnell ausgewertet
werden soll, damit auch ein leichter Herzinfarkt ausgeschlossen werden kann.
Banges
Warten bis das Ergebnis vorliegt: absolute Fehlanzeige.
Dann
ist ja alles in Ordnung!
Nun
ist der Schmuck das größte Problem. Ketten, Ringe, eine Brosche und
natürlich die Ohrringe, die für die große Feier benötigt werden, müssen
drapiert werden. Das hebt das Gesamtbefinden. Mit Schmuck kompensieren ja
viele Frauen ihre schwindende Schönheit. Bereits auf dem Weg zum Auto sind
die Schmerzen fast verflogen und die letzten Schritte lassen nahezu keine
Beschwerden mehr erkennen.
In
der Tagespflege angekommen ist der Empfang herzlich und Weißköpfchen
absolut im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.
Das
Leben hat sie wieder! Und wie!
Betrüblich
ist allerdings, dass es für diese kleinen und großen
selbstdarstellerischen Verhaltensweisen keinen Oscar gibt.
Aber
- die Reise nach Amerika wäre ja auch zu beschwerlich.
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"The
winner is..."
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Klatsch
und Tratsch
Wieso
kombiniere ich jetzt wieder dieses Thema mit Frauen ?
Das
ist doch schon fast diskriminierend !
Oder
vielleicht doch nicht !?
Wäre
ich eine Frau, so käme ich womöglich gar nicht auf dieses Thema und
schon gar nicht darauf, dass Frauen zu so etwas fähig wären. Es soll
aber auch durchaus selbstkritische Frauen geben, die bei sich oder anderen
Frauen so einen ähnlichen Wesenszug entdeckt haben, ohne den Klatsch und
Tratsch nicht möglich wäre.
Was
ist das für ein Wesenszug, der bewirkt, dass man sich über andere
Menschen verbal auslässt und den Gedankenaustausch mit persönlichen
Wertungen garniert? Es ist womöglich das Bewusstsein der eigenen
Unfehlbarkeit, der eine gewisse Überlegenheit fördert und die Kompetenz
suggeriert, über andere Menschen zu urteilen.
Klatsch
und Tratsch ist zunächst erst einmal der Austausch von Neuigkeiten, die
man - wenn irgendwie möglich - in seinem Umfeld zuerst verbreitet. In
manchen Orten werden diese Lauffeuerchen von mehreren Ecken aus
angezündet und man ist immer wieder erstaunt, wie schnell sie sich
verbreiten. Das ist nicht verwerflich, solange es sich um Fakten handelt
und diese nicht verändert werden. Doch - welche Neuigkeiten kamen am Ende
schon unverfälscht an? Auf ihrem Weg werden sie vielfältig garniert und
modifiziert, bis sie manchmal nur noch wenig mit den Tatsachen zu tun
haben.
Haben
Sie schon mal die Redewendung gehört: "Das muss die
gerade sagen! Die soll ganz ruhig sein! Weißt Du, die hat nämlich
damals, als...". Und wieder wird eine Neuigkeit in die Welt gesetzt,
die eigentlich schon uralt ist. Sie muss nur zur Person passen, dann wird
sie als richtig empfunden. Drei Stationen weiter werden die beiden
"Neuigkeiten" bereits direkt miteinander verbunden und prompt
als Ungeheuerlichkeit empfunden. Mit persönlichen Wertungen garniert
vermitteln sie die ethische und moralische Überposition des kreativen
Informanten und ermöglichen ein gemeinsames moralisches Schwelgen.
(Ei
- was sind wir ja so gut!)
Irgendwann
kommt die Neuigkeit bei der Person an, um die sie sich dreht und sie kommt
aus dem Staunen nicht mehr heraus. Maßlos Verärgerte kommen sogar auf
die Idee, den Weg der Fehlinformationen nachzuvollziehen. Irgendwo stoßen
sie auf die Aussage: "Was soll ich gesagt haben? - Das habe ich nie
behauptet!" Wird dabei der Informant preisgegeben, so kann es zum
Ausspruch kommen: "Die? - Die muss ganz ruhig sein, denn ich habe
gehört, dass...". Nun beginnt ein neuer Kreislauf mit
möglicherweise ähnlichem Ausgang.
Wenn
Klatsch und Tratsch so gefährlich ist, warum wird er überhaupt
praktiziert? Weil unsere Welt ohne Neuigkeiten eintönig wäre und man
immer wieder die Bestätigung braucht, dass Normen sinnvoll sind. Verhält
sich ein Mitmensch oder eine ganze Gruppe nicht "normal", dann
müssen das möglichst viele Mitmenschen wissen. Wer weiß, welche Gefahr
sich aus dem Unnormalen entwickeln kann, wenn nicht jeder rechtzeitig
gewarnt wird!? - Eile ist angesagt!
Klatsch
und Tratsch ist auch ein Zeichen dafür, dass man selbst nicht isoliert
ist und aktiv am Geschehen teilnimmt. Er ersetzt manchmal die Zeitung und
ist sogar ergiebiger als Zeitungsartikel. Dort liest man nämlich nur, was
der Redakteur von Berufs wegen auch vertreten kann. In der Anonymität des
Klatsches und Tratsches kann man weitaus mehr Informationen weitergeben,
weshalb man auch immer wieder hört: "Ich habe Dir das aber nicht
erzählt! - Das behältst Du bitte für Dich!"
Das
wird aber eher als Beschleunigungsfloskel für den Umlauf verstanden.
Übrigens:
Klatsch und Tratsch wäre dieser Artikel, wenn ich Namen genannt hätte.
Ich bin jedoch sicher, dass Sie beim Lesen eine ganze Reihe von Personen
vor Augen hatten. Das behalten Sie aber bitte für sich...!
Und
was hat das nun mit Grauköpfen zu tun?
Klatsch
und Tratsch werden mit zunehmendem Alter immer glaubhafter, weil man
erfahrenen Menschen mehr glaubt. Klatsch und Tratsch von Weißköpfen ist
dagegen besonders dreist, denn die Weißköpfe müssen nichts fürchten -
sie haben keine Angst mehr vor der Zukunft.
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Dehydrieren
kontra Harndrang
Weißköpfchen
hat ein Problem. Wenn sie viel trinkt, muss sie oft Wasser lassen. Trinkt
sie wenig, leidet sie unter Krämpfen in den Beinen, Schwindelgefühlen
und Harndrang, ohne jedoch Müssen zu müssen. Nun ist es ja heutzutage
angeblich gut, nicht mehr so oft Müssen zu müssen, wie uns die
Fernsehwerbung suggeriert. Mit den Folgen ist jedoch nicht zu spaßen.
So
hat sich Weißköpfchen am Wochenende mal wieder in eigensinniger Weise in
einen Zustand gebracht, der dringend nach Flüssigkeit rief. Bei
Weißköpfchen ist aber nur das relevant, was sein darf. Viel Flüssigkeit
trinken - kommt nicht infrage. Kurz nach Mitternacht kommen alle
Beschwerden auf einmal zusammen und die Notklingel zum Graukopf von
nebenan wird betätigt, der davon aus dem ersten Schlaf gerissen wird. Wie
kann er auch schlafen, wenn es Weißköpfchen schlecht geht!? Noch recht
verschlafen eilt er zum nahen Einsatzort und erfährt, was Weißköpfchen
plagt. Der Blutdruck ist schnell gemessen - 75:140, Puls 73 - damit kann
man Hundert Jahre alt werden. Dennoch läuft die Dauerreportage über jede
noch so kleine Besonderheit des momentanen Zustands weiter.
Sohn
Graukopf denkt mit Grauen daran, dass der ganze Sonntag noch vor ihm liegt
und der Zustand des Selbstmitleids wahrscheinlich permanent so weiter
geht. Zunächst wird Grauköpfchen erst einmal mit einem Getränk
versorgt. Immer wieder geht Weißköpfchens Blick zum DRK-Notruf-Knopf,
der für eine noch dramatischere Situation sorgen könnte. Auch wenn es
bereits etwas besser geht, möchte Weißköpfchen nicht wieder ins Bett,
denn die Nacht ist noch jung und die Möglichkeiten sind noch nicht voll ausgeschöpft.
Mit
"Ruf doch mal die Notrufzentrale an und frage, was ich habe!"
wird die nächste Stufe der nächtlichen Inszenierung gezündet. Graukopfs
berechtigte Zweifel an der Effizienz dieser Maßnahme werden mit einer
Heularie quittiert, die nicht enden wollte. Also rief er doch die
Notrufnummer an. "Was denn los sei", wurde er gefragt und er
begann die Symptome aufzuzählen. Währenddessen stand Weißköpfchens
Mäulchen nicht still. "Sage ihnen, dass ich Parkinson habe und einen
Parkausweis, weil ich 100% behindert bin", klang die Aufforderung,
der noch weitere hanebüchene Aufzählungen folgten.
Am anderen Ende der
Leitung war Ratlosigkeit zu spüren, ehe die verschiedenen Optionen
genannt wurden, die sich anbieten. Ein Krankenwagen könne kommen und
Weißköpfchen zur Untersuchung ins Krankenhaus bringen. Bei Lebensgefahr
könnte auch ein Notarztwagen in Marsch gesetzt werden. Es könne aber
auch der kassenärztliche Bereitschaftsdienst verständigt werden, damit
ein Arzt eine Einschätzung vornehmen könne. Graukopf entschied sich für
letztere Variante.
Diesen
orderte Graukopf und es wurde zugesagt, dass er in einer halben Stunde vor
Ort sei. Weißköpfchen trank inzwischen das zweite Glas Wasser und redete
während des Telefonats munter dazwischen als gälte es, die Zutaten einer
Pizza festzulegen. Graukopf begab sich zur Hofeinfahrt, um dem
Bereitschaftsarzt den Weg zu weisen. Nach einer Viertelstunde hielt er es
jedoch für angebracht, doch noch mal nach Weißköpfchen zu sehen, die er
im Sessel sitzend zurück gelassen hatte. Nun lag sie auf dem Boden vor
dem Wohnzimmerschrank inmitten einer Menge Kleingeld, das auf dem Boden
verstreut war. Wer weiß, welche Gedanken sie wieder geritten hatten.
Nachdem feststand, dass sie sich nicht verletzt hatte, hob Graukopf sie
wieder in den Sessel und sammelte das Kleingeld auf.
Nach
einer weiteren Viertelstunde kam der Bereitschaftsarzt und Weißköpfchen
lag erneut vor dem Wohnzimmerschrank. Mit herrlich böhmischem Akzent
begann folgender Dialog:
"Gnädige
Frau liegen am Boden! Was haben gemacht?"
"Der
da hat mich alleine hier sitzen lassen, da bin ich hingefalle..."
"Einfach
so? - Komische Sache!"
Nach
einer kurzen Untersuchung und dem Studium des Medikamentenplans fuhr er
fort:
"Gnädige Frau, sind Sie dehydriert
und haben Sie Parkinson - ich säähe, muss ich Sie einweisen in
Kraankenhaus!"
"Ach bitte, Herr Dokter, net ins
Krankehaus, da will ich net hin!"
"In Wohnung bleiben - zuu gefährrlich,
missen uunbedingt in Kraankenhaus!"
"Awwer - so schlimm isses doch garnet,
ich fühl mich schon viel besser un morje krie ich Besuch..."
"Gnädige Frau! Sind wir hier nicht
auf türrkische Basar! Ich Arzt - ich entscheiden:
Krankenhaus!"
"Lasse se mich doch deheim, ich leech
mich auch ins Bett und bleib ganz ruhich liche..."
"Gnädige Frau, Sie häären nicht auf
Ihre Sohn und fallen deshalb - sind unverfnienftig..."
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"Ich bin jetzt sofort ganz
vernünftich, Herr Dokter..."
"Wenn ich lasse Sie zuhause, gehe fort
und Sie stähen auf, fallen hiiin, jäderr sagt: Was hat Arzt getaan?"
"Also - auch wenn Sie mich einweise,
ich geh net ins Krankehaus!"
"Gnädige Frau! Schreibe ich jetzt
Einweisung und Transportschein. Wenn nicht mitfahren, missen selbst
bäzahlen Krankentransport - am Wochenende seeehr teuer!"
"Es geht mir doch schon viel
besser..."
"Guuut, gnädige Frau, stehen jetzt
auf, gähen ohne Hilfe zur Tiere und wieder suriick. Wenn aalles gut,
dann suhause bleiben..."
"Wenn ich aufsteh, dann fall ich doch
sofort hin!"
"Deshalb gehen in Kraankenhaus!"
"Gut! Ich will awwer e
Zweibettzimmer!"
"Missen mit Krankenhaus besprechen,
ist nicht meine Saache..."
Die
Grundsatzdebatte war gelaufen und eine kleine Tasche wurde gepackt. Der
Arzt verabschiedete sich mit einem Augenzwinkern und er meinte:
"Haben wir doch guut gemacht!?" Und ob er das gut gemacht hatte!
Er hatte im Sinne der Patientin und der Angehörigen entschieden.
Nach
einigen Tagen und einem Dutzend Infusionen Kochsalzlösung war die alte
Vitalität wieder hergestellt. Was lernen wir daraus?
Nicht
alle Mittel gegen Harndrang sind gut!
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One
Night Stand mit Jingle Bells
Ein
"One Night Stand" ist im ursprünglichen Sinn ein persönliches
besonderes Erlebnis für eine Nacht. Diesen Begriff für den
Weihnachtsabend zu verwenden, ist deshalb etwas gewagt. Auf
Weißköpfchens diesjährige Weihnachten trifft die ursprüngliche
Auslegung des Begriffes jedoch zu, wenn man alle heutigen Deutungen mal
vernachlässigt.
An
jenem Abend sollen die Verhaltensweisen eines ganzen Jahres vergessen
sein, bei der sich Weißköpfchen stets fernab von einer christlichen
Lebensweise befand. Streit, Missgunst und Demütigungen waren an der
Tagesordnung. Es ist jetzt jedoch Weihnachten - da soll alles verziehen
und vergessen sein.
Weißköpfchen
träumt erneut von einem Fest, bei dem sie gleich nach Jesus Christus die
Hauptrolle spielen könne. Im Kreis dankbarer, dienstbereiter und
aufopferungsvoller Menschen die wohlhabende, spendable Seniorin spielen -
das ist es, was ihr gefallen würde. Es müsste allerdings alles so sein,
wie sie es sich wünscht. Und später müsste sie auch immer wieder über
ihre Großzügigkeit berichten dürfen. Das wäre Weihnachten nach ihrem
Geschmack!
Ein
ganzes Leben lang hielt sie nämlich jeden Pfennig zusammen, um sich ihren
Lebensabend äußerst angenehm zu gestalten und so soll es jetzt auch
sein. Seit dem Tod ihres Mannes ist sie infolge einer vorher gemeinsam
getroffenen Entscheidung Alleinherrscherin über das gesamte angehäufte
Vermögen. Und das kann sich durchaus sehen lassen. Verwaltet wird es von
ihrem Sohn. Der zeigt aber zu ihrem Leidwesen daran kein vorzeitiges
Interesse. Das empfindet Weißköpfchen als sehr ärgerlich, denn
vorauseilende Dankbarkeit, das ist es, was sie sich doch so sehnlich
wünscht. Graukopfs provokante Selbstlosigkeit ist richtig ärgerlich.
Ihren
Ärger über das achtlose Linksliegenlassen des zukünftigen Erbes lässt
sie tagtäglich an Sohn und Schwiegertochter aus. Die Folgen sind
inzwischen so heftig, dass man die Mahlzeiten getrennt einnimmt und es
auch keine gemeinsam gefeierten Feste mehr gibt - auch nicht an
Weihnachten. Das Fest des Friedens soll bei Graukopfs schließlich ein
solches bleiben.
"Irgendwo
auf dieser Welt muss es doch Menschen geben, die ich in eine Situation der
Dankbarkeit versetzen kann", denkt Weißköpfchen und überlegt
bereits, wem sie was schenken könne, um diese Dankbarkeit zu erzeugen.
Das hätte allerdings den Nachteil, dass sie sich von etwas trennen
müsste. Nein - das will sie auch nicht. Vielleicht kann man ja Personen
finden, denen man die Möglichkeit eines späteren Vermächtnisses
suggerieren könnte und damit ein übermächtiges Verlangen nach dieser
Vision entstünde, das es zu nutzen gälte. Viele Angehörige sind auf
diese Taktik bereits reihenweise hereingefallen und gingen anschließend
leer aus. Menschen mit niederen Instinkten will Weißköpfen aber auch
nicht um sich haben, es sei denn, sie ließen sich deswegen auch wie
Dienstboten behandeln.
Dienstboten
- das ist es, was Weißköpfen eigentlich sucht. Sie zu knechten wäre ihr
höchster Genuss. Das umso mehr, wenn sie dabei auch noch die Verachtung
vor deren Gier nach Almosen hemmungslos abreagieren könne. Auch wenn man
es nicht glaubt, diese Menschen gibt es wirklich. Sehr oft werden sie
durch ärgste Not so geformt. Jedoch - wie findet man solche Menschen?
Weißköpfchen
entscheidet sich für eine spezielle Anzeige in der Tageszeitung. Eine
Person ihres Vertrauens hilft ihr bei der Formulierung, wofür sie eine
Tafel Schokolade erhält. Das ist durchaus angemessen und man braucht sich
nicht zu bedanken. Der Text lockt förmlich die richtigen Bewerber in die
Falle. Er lautet:
Wohlhabende,
großzügige und gepflegte Beamtenwitwe mit attraktiven
Versorgungsbezügen wünscht sich ein harmonisches Weihnachtsfest
mit lieben Menschen. Garderobe, gesellschaftlicher Rahmen und
Speisefolge nach vorheriger Absprache. Persönliche selbstlose
Pflege während des Aufenthalts ist Grundvoraussetzung. Eventuell
anwesende Kinder verhalten sich wunschgemäß. Saisonal übliche
Geschenke oder spätere Dankbarkeit nicht ausgeschlossen. Adäquater
Transfer hin und zurück werden vorausgesetzt. Gönnen Sie sich
einen Abend der Chancen im Beisein einer respektablen Gönnerin!
Vorausschauend dankbar verfasste Bewerbungen senden Sie an Chiffre
"Halleluja auswärts". |
Daraufhin
meldete sich
-
eine
übergewichtige alleinerziehende Langzeitarbeitslose mit vier Kindern,
-
zwei
osteuropäische Touristinnen, die allerdings in Weißköpfchens
Wohnung feiern wollen,
-
ein
pensionierter Briefträger, der sie ins Seniorenwohnheim einlud,
-
ein
neureicher Familienvater, der seiner Familie und den Kindern mal eine
echte Oma zu Weihnachten schenken möchte, weil sie schon ein Haus,
ein Boot und einen Hund haben,
-
eine
Schwangere, allein lebende Studentin der Sozialwissenschaften, die
unter Anderem Stoff für ihre spätere Magisterarbeit sammeln möchte,
war auch dabei.
Bekannte
und Verwandte waren nicht darunter - aus gutem Grund.
Die
übergewichtige alleinerziehende Langzeitarbeitslose mit den vier Kindern
schied aus, weil sie nicht ins Lebensraster Weißköpfchens passte.
Mit
den osteuropäischen Touristinnen hätte sie es ja gern probiert, weil sie
bekanntlich so herrlich unterwürfig dienen können. Auch der gebrochene
Gebrauch der Deutschen Sprache hat so etwas von Zwangsarbeit oder aupair.
Das könnte ihr schon gefallen.
Der
pensionierte Briefträger ließe sich ja auch ganz gut abrichten. Doch -
im Seniorenheim feiern? Das wollte sie nicht.
Wen
sie auch in Erwägung zog, es war einfach nicht das Gelbe vom Ei. So
entschloss sie sich, allein zu bleiben und wenigstens den eigenen
Angehörigen das Fest so gut zu vermiesen, wie nur irgendwie möglich.
Wenn
sie begriffen hätte, wie sehr sich Sohn und Schwiegertochter ganzjährig
eine friedfertige, liebevolle Seniorin als Mutter gewünscht haben, mit
der sie auch Weihnachten harmonisch verbringen könnten, wären ihr die
Folgen ihres Verhaltens erspart geblieben. So aber wurde die Weihnacht zu
einem einsamen One Night Stand mit Jingle Bells vom Plattenspieler, der um
20 Uhr mit der frühzeitigen Bettruhe endete.
Eine
schöne Bescherung!
Und
eine ganze Menge an Geschenken gespart...!
Mal
sehen, wie es im nächsten Jahr wird!?
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