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in MAINTAL

 

Infolge der Nähe zu Frankfurt und Hanau und der dort ansässigen Industrie sowie der Tatsache, dass Maintal inmitten eines alten Flusslaufs mit großen Sand- und Kiesvorkommen liegt, ergab sich im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau und der exzessiven Ausbeutung dieser Vorkommen die Möglichkeit, allerlei Reststoffe zum Verfüllen der Gruben unter zu bringen. Leider erfolgte das damals recht planlos und die Grubenbesitzer kassierten gleich zweimal. Sie verdienten am Kiesabbau und an Deponiegebühren, die je nach Brisanz auch zu "Nebengeschäften" geführt haben könnten, zu denen heute niemand mehr stehen will.

Im Zusammenhang mit dem Plaumann-Skandal wurde erst bekannt, was in Maintals Erdreich definitiv verborgen ist und was mangels schriftlicher Unterlagen noch verborgen sein könnte. Im Maintaler Rathaus bedeutete das Ende der 80er Jahre die Alarmstufe ROT und der Magistrat beauftragte die Gesamthochschule Kassel mit einer Studie, die im Mai 1987 vom Amt für Stadtentwicklung und Umwelt herausgegeben wurde. Heute scheint das Thema eher verdrängt zu werden.

 

Auszüge dieses Dokumentes verirrten sich nach Veröffentlichung eines Artikels über den möglichen Zusammenhang zwischen den Altlasten und Problemen mit der gärtnerischen Nutzung von Flächen im Außenbereich nun zu mir und ich staunte nicht schlecht, was ich da las. Sicher waren Auszüge im Zusammenhang mit der Olympia-Ruderstrecke bereits von Landrat Karl Eyerkaufer zitiert worden. Die Ausarbeitung geht jedoch noch viel tiefer. Selbst davon möchte ich nur einen Teil der Erkenntnisse zitieren, die für eine erste Einschätzung auch für nicht eingeweihte Bürgerinnen und Bürgern einen Einblick über den früheren sorglosen Umgang mit Chemikalien, Schwermetallen und hochgiftigen Stoffen und die lauernden Gefahren ermöglicht.

 

Zwanzig Jahre nach diesen Erkenntnissen ist das Thema vielleicht akuter als damals, weil viele Stoffe in Fässern deponiert wurden, die sich dem Ende ihrer Lebensdauer nähern. Damit ergibt sich irgendwann eine Situation, die sich auf eines unserer wertvollsten Güter - das Wasser - auswirken kann. Die Folgen wären unabsehbar. 

 

Es ist nun keinesfalls meine Absicht, künstlich einen Umweltskandal herbeizureden. Ich versuche vielmehr damit, den Magistrat, das Parlament und die Naturschützer aus ihrem Dornröschenschlaf aufzuwecken, denn in Maintals Böden und im Grundwasser tickt eine gewaltige Zeitbombe. Mich würde es brennend interessieren, welche der in der Studie dringend empfohlenen Maßnahmen überhaupt durchgeführt wurden und welche Langzeitmaßnahmen heute noch durchgeführt werden, damit ein Störfall schnellstmöglich erkannt werden kann, ehe Menschen ernsthaft zu Schaden kommen.

 

Die nachfolgenden Auszüge aus der Studie sind wie folgt gegliedert:

 

Altablagerungs- und Altlastenproblematik

 

Ziel der Umweltpolitik ist es, die Gesundheit der Menschen und ihr Wohlbefinden durch den Schutz und die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen zu sichern. Hierzu gehört nicht nur die zukunftsorientierte Vermeidung von schädlichen Umwelteinwirkungen, sondern auch die Behebung von Schäden und die Abwehr von Gefahren, die aus früheren menschlichen Tätigkeiten herrühren. Solche potentiellen Gefahrenquellen aus früherer Zeit sind vor allem alte Abfallablagerungen und Standorte stillgelegter Anlagen, in denen mit umweltgefährdenden Stoffen umgegangen wurde.

 

Leider wird diese wichtige Problematik auch heute noch von vielen Seiten lieber verdrängt als offen angesprochen. Dabei wird verkannt, dass die uns hinterlassenen Probleme nicht durch Verdrängung aus der Welt zu schaffen sind und außerdem zu sehr gefährlichen und kostspieligen Konsequenzen führen können, wie nicht zuletzt die Beispiele Bielefeld-Brake und Dortmund-Dorstfeld gezeigt haben, wo zahlreiche Familien neu errichtete Häuser auf kontaminierten Standorten verlassen mussten und die Städte mittlerweile zu umfangreichen Schadensersatzforderungen herangezogen werden.

 

Doch muss es erst soweit kommen?

 

Es ist auch möglich. die Konflikte im Vorfeld zu erkennen und abzuwenden. Das bedeutet zunächst allerdings ein umfangreiches Zusammentragen von Informationen: Unterlagen, Fotographien, mündlichen Hinweisen usw. Die Ergebnisse dieser Erhebungen müssen nicht immer dramatisch sein, in vielen Fällen wird sich herausstellen, dass bestimmte beabsichtigte oder vorhandene Folgenutzungen möglich und vertretbar sind. In anderen Fällen wiederum, wo nach einer Gefährdungsabschätzung etwa eine Sanierung unerlässlich erscheint, fangen die eigentlichen Schwierigkeiten dann allerdings erst an. Auch in diesen Fällen nutzt es aber nichts, die Augen vor den Notwendigkeiten zu verschließen.

 

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie der Gesamthochschule Kassel können ein erster Schritt auf diesem Wege sein. Die Erhebungen haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, aber sie können Grundlage für die politisch verantwortlichen Gremien der Stadt Maintal sein, sich ein Bild über die Altlasten zu machen und ein entsprechendes Handlungskonzept zu entwickeln.

 

 

Kiesabbau und anschließende Verfüllung

 

Für die Problematik der Altablagerungen in Maintal spielt der Kies- und Sandabbau lm sogenannten "Mainfeld" eine besondere Rolle. Das Mainfeld ist ein Teil der Mainaue und in vorgeschichtlicher Zelt floss der Main zeitweise nördlich vom heutigen Flussbett mit dem Berger Hang als Prallhang. Der sehr viel breitere Strom führte Sande, Kiese und Geröll mit sich, welche z.T. als Sedimente abgelagert wurden. Außerdem wurden in Zeiten, in denen der Talboden weitgehend trocken war, Sande angeweht, die später als Flugsanddünen ein schwaches Relief in der Auenlandschaft bildeten.

 

Bis nach dem zweiten Weltkrieg wurde das Mainfeld mit seinen leichten Sandböden bzw. fruchtbaren Auelehmen vorwiegend landwirtschaftlich genutzt. Allerdings lässt schon die topographische Karte von 1850 erkennen, dass auch damals schon kleine Mulden und Senken eingezeichnet sind, die wohl durch Abgraben von geringen Mengen Kies und Sand entstanden sind.

 

Die Ausbeutung der wichtigen Baumaterialien wurde im großen Stil aber erst nach 1945 eingeleitet. Im Rahmen des Wiederaufbaues der zerstörten Städte entstand ein enormer Bedarf an Rohstoffen wie Sand und Kies. Aufgrund der Nähe zu der Stadt Frankfurt war das Mainfeld auf Bischofsheimer und Dörnigheimer Gemarkung als Abbaugebiet besonders geeignet.

 

Die zeitliche Entwicklung des Kiesabbaues im Mainfeld stellen am besten die nach den Luftbildern angefertigten Pläne dar, die im Anhang wiedergegeben sind. Dabei ist zu beachten, dass es gewiss noch einige offene Gruben mehr als auf den Karten dargestellt gab, da zwischen den vorhandenen Luftbildern z.T. ziemlich lange Zeitabstände lagen [z.B. 1960 bis 1969] und viele Gruben innerhalb weniger Wochen und Monate entstanden und wieder verfüllt wurden. 1960 bestanden sehr viele offene Gruben, insbesondere auf der Bischofsheimer Gemarkung, also nördlich der Bahnlinie. Ende der 60er Jahre waren diese Kiesseen zum größten Teil schon wieder verfüllt und zu landwirtschaftlicher Nutzfläche rekultiviert. Insgesamt hatte das Ausmaß an offenen Wasserflächen Ende der 60er Jahre aber noch nicht abgenommen, weil auf Dörnigheimer Gemarkung die Auskiesung noch in vollem Gange war. Erst Anfang der 70er Jahre erkennt man auf den Luftbildern deutlich wenigere und kleinere Gruben als in den Jahren davor. Zusammenfassend kann man davon ausgehen, dass es im gesamten Mainfeld kaum noch Grundstücke gibt, auf denen der gewachsene Boden ansteht. Fast keine Stelle blieb von Kiesabbau, Verfüllung oder künstlicher Anschüttung verschont.

 

Bereits 1957 war man sich von Seiten des Naturschutzes der Gefahr bewusst, dass das Gebiet zwischen den Ortschaften Bischofsheim, Hochstadt und Dörnigheim bis südlich zum Main durch den rücksichtslosen und planlosen Abbau von Kies völlig verwüstet zu werden drohte.

 

Als Reaktion stellte der Regierungspräsident in Wiesbaden als höhere Naturschutzbehörde das Gebiet unter Landschaftsschutz und erließ eine entsprechende Verordnung. Am Nutzen dieser Verordnung sind jedoch starke Zweifel anzumelden, denn sie enthält anschließend Verbote und Beschränkungen, die in einem Landschaftsschutzgebiet gelten, eine Auflistung von Grundstücken, auf denen Sand- und Kiesgewinnung gestattet ist. Diese Ausnahmegenehmigungen umfassten in der Summe beträchtliche Flächenausmaße:

Auf Bischofsheimer Gemarkung waren von vornherein ca. 14,5 ha für die Ausbeutung vorgesehen, in Dörnigheim knapp 52 ha. Für die übrigen Flächen, die dann später auch ausgekiest wurden, holten die Unternehmer separate Ausnahmegenehmigungen ein. Auch dieses Verfahren wurde jedoch nicht in allen Fällen eingehalten und es muss davon ausgegangen werden, dass es über viele Auskiesungen niemals Genehmigungsunterlagen gegeben hat. Die wirklich problematischen Auswirkungen des Kiesabbaues entstanden aber nicht durch die Entnahme, sondern durch die anschließende bzw. z.T. parallel verlaufende Verfüllung. Das Einbringen der. unterschiedlichsten Stoffe, vom unproblematischen Erdaushub über Hausmüll bis hin zu giftigem Industriemüll ist die eigentliche Hinterlassenschaft, die uns heute Probleme macht. Einen extremen Einblick in die möglichen Gefahren gibt der sogenannte "Plaumann-Skandal" von Anfang der 70er Jahre.

 

 

Der "Plaumannskandal"

 

Ausgelöst durch eine anonyme Anzeige wurde im Jahr 1973 ein Ermittlungsverfahren gegen den Hanauer Industriemüllentsorger Siegfried Plaumann ausgelöst. das eine kriminelle Entsorgungspraktik von Industriemüll im Rhein-Maingebiet offenbarte, wie es kaum vorstellbar ist. Das Hanauer Entsorgungsunternehmen Hanauer Tankkanal KG hatte im Laufe von 3 Jahren nach den Feststellungen der Staatsanwaltschaft ca. 14.200 T ölhaltige Schlämme, Säure und die verschiedensten hochgiftigen Schadstoffe illegal auf den verschiedensten Deponien in der Umgebung von Hanau abgelagert.

 

Die Affäre, die damals bundesweites Aufsehen erregte und schließlich zum Rücktritt des Hess. Landwirtschafts- und Umweltministers Dr. Werner Best führte, ist eine eigene "unglaubliche Geschichte", die hier nicht im einzelnen nachgezeichnet werden soll. Wichtig ist, bezogen auf die Altablagerungen in Maintal, dass im Zuge der Ermittlungen deutlich wurde, dass u.a. Härtesalze, Reinigungsmittel, Tri- und Perchloräthylen, Oelschlämme, chemische Abwässer [Salzsäure, Schwefelsäure. Ammoniak, Essigsäure], Lösungsmittel [ z.B. Aceton, Alkohol. Toluol, Benzol, Brom Cyan, Dimethylamin. Methanol, Ethylacetat) Natriumnitrat, Schwefelsäure sowie Salzschlacke u.a. auch auf die Kippen in Bischofsheim und Dörnigheim im Bereich des Mainfeldes verbracht wurden. Zusätzlich ist darauf hinzuweisen, dass der Verbleib zahlreicher von der Hanauer Tankkanal KG angenommener Industrierückstände nicht aufgeklärt werden konnte.

 

Der Giftmüllskandal hatte auch in Dörnigheim und Bischofsheim im Jahr 1973 zu verschiedenen Aktivitäten geführt, u.a. zahlreichen Probeentnahmen, Beobachtungen der offenen Gruben, sowie zu verschiedenen Anfragen, Berichten und Resolutionen. Die untersuchten Proben ergaben uneinheitliche Ergebnisse. In den meisten Fällen war zwar unstreitig, dass unerlaubte Chemikalien in die Gruben gelangt waren, die den Gemeinden zugestellten Ergebnisse der Untersuchungslabors ergaben jedoch - soweit die Aktenlage eine Beurteilung erlaubt - nur in wenigen Fällen ein Hinweis auf akute Toxizität der untersuchten Proben, ein Maßstab, der zum damaligen Zeitpunkt eine besondere Bedeutung im Hinblick auf notwendige Sanierungsmaßnahmen hatte. Teilweise wurden die untersuchten Proben seitens der Institute auch als "nicht schädlich" beurteilt, so dass weitergehende Konsequenzen für nicht notwendig erachtet wurden.

 

Das Ergebnis der Plaumann-Affäre war wohl u.a. zumindest, dass entlang der B 8/40 seitens des Wasserwirtschaftsamtes Kontrollbrunnen angelegt wurden, bei denen in den Folgejahren regelmäßig Wasserproben entnommen wurden, die allerdings im Hinblick auf die Art der untersuchten Stoffe und die Genauigkeit der Messungen als unzureichend eingestuft werden müssen.

 

Für die nachfolgende Untersuchung bleibt aus dem "Plaumannskandal" jedoch festzuhalten, dass mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass im Mainfeld, zumindest in den frühen 70er Jahren, u.a. auch hochgefährliche Chemikalien eingebracht wurden, über deren Art, Umfang und Lagerort jedoch z.T. nur ungesicherte Hinweise vorliegen.

 

 

Aufbau der Untersuchung

 

Der nachfolgende Bericht beginnt mit ausgewählten Grundlagen zur Erstbewertung der Altablagerungen in Maintal, die der Projektgruppe zur Einschätzung der zusammengetragenen Informationen dienten. Hierbei werden insbesondere noch einige Erläuterungen zu den Altablagerungsstoffen Hausmüll sowie Schlacken und Filterstäuben gegeben, die in verschiedenen Gruben der Stadt Maintal abgelagert wurden und deren Erläuterung bei den einzelnen Ablagerungen zu Wiederholungen führen würde. Darüber hinaus enthält das Kapitel Erläuterungen zu den herangezogenen Richt- und Grenzwerten, die für die Erstbewertung des Gerahrenpotentia1s seitens der Projektgruppe herangezogen wurden.

 

Es folgt dann im Kapitel 3 eine Erläuterung der Vorgehensweise der Projektgruppe und ein Verzeichnis der in diesem Bericht beschriebenen Altlasten. Hieran schließt sich der eigentliche Kern der Untersuchung an, eine Beschreibung der Altlasten im einzelnen. Diese geben - soweit bekannt - jeweils zunächst Angaben über die früheren und heutigen Nutzungen der Ablagerungsstätten wieder und stellen die Ergebnisse von vorliegenden Untersuchungen zu der Ablagerungsstätte dar. Am Ende des Kapitels werden die vorliegenden Informationen zu einer Tabelle zusammengefasst, die in kurzgefasster Form einen Gesamtüberblick über die Inhaltstoffe und Untersuchungsparameter der einzelnen Altlasten gibt.

 

Im Kapitel 4 stellt die Projektgruppe eine Schlussbetrachtung an und gibt der Stadt Maintal verschiedene Empfehlungen zum weiteren Vorgehen. Auf Grundlage dieser Empfehlungen werden im Kapitel 5 die seitens der Stadt Maintal eingeleiteten Maßnahmen sowie das geplante weitere Vorgehen dargestellt.

 

 

Verzeichnis der Altlasten

 

 

  1  Müllkippe Dörnigheim, dö. Fl." 29/14,

      Hausmüll, Formsand, Chemikalien

  2  Sportplatz Bischofsheim, Bi. Fl. 23,

      Schlacke u. evtl. Filterstäube

      a. d. MVA Frankfurt

  3   ehem. Kiesgrube, Dö. Fl. 5,65/12  B 8/40,

      Hausmüll, Chemikalien

  4  ehemalige Kiesgrube, Dö. Fl. 5, 65/12

      nord-westlicher Bereich, Chemikalien

  5  ehemalige Kiesgrube, Bi. Fl. 15 nördlicher

      Bereich, Hausmüll, Chemikalien

  6  Müllkippe Bischofsheim, "Große Grube Kl.",

      Bi. Fl. 15, Hausmüll

  7  ehemalige Kiesgruben, Bi. Fl. 16,

      Haus- und Sperrmüll , Schlacke und

      evtl. Filterstäube aus der MVA Frankfurt,

      Faßware mit Chemikalien

  8  ehemalige Kiesgruben, Dö. Fl. I u. 2,

      Hausmüll, Chemikalien

  9  ehemalige Sandgrube, Dö. Fl. 2, südl. d. Bhfs,

      Trümmerschutt

 10  Müllkippe Hochstadt, Hochstadt Fl. 30,

       Hausmüll

 11  Müllkippe Hochstadt, Hochstadt Fl. 3,

       Hausmüll

 12  Müllkippe Dörnigheim, Dö. Fl. 19,

       Hausmüll

 13  Müllkippe Dörnigheim, Dö. Fl. 9,

       Hausmüll

 14  ehemalige Bombentrichter, Bi. Fl. 24 u. 25,

       Hausmüll

 15  Bischofsheim Fl. 13, "Schillerstraße",

       Trümmerschutt, Hausmüll

 16  Sandgrube, Dö. Fl. 11, südl. "Braubachkurve",

       Haus- und Sperrmüll

 17  Bischofsheim Fl. 18, ehemalige Seen,

       Trümmerschutt

 18  ehemaliger Hohlweg, Bi. Fl. 5,

       Bauschutt, Gartenabfälle

 

 

 

SCHLUSSBEMERKUNGEN UND EMPFEHLUNGEN

 

Obwohl der Hanauer Giftmüll-Skandal der bis dahin größte in der BRD war [Spiegel], scheint mit der Verurteilung Siegfried Plaumanns wegen mehrfachen Betrugs das Kapitel in der öffentlichen Diskussion abgeschlossen zu sein. Unseres Wissens gibt es keine über den Bericht des Landtagsausschusses hinausgehende Untersuchung über den Verbleib der nichtaufgefundenen Chemikalien. Inwieweit Aufräumungsarbeiten stattgefunden haben, wo, wie viele und welche Substanzen geborgen wurden oder verborgen blieben, bleibt uns unbekannt.

 

Da bei den Akten der Hanauer Staatsanwaltschaft zum Plaumann-Prozeß zwei Ordner zu den Themen "Ablagerungen und Kippen" nicht verfügbar waren, ist es gut möglich, dass Informationen, die für unsere Zwecke von großer Wichtigkeit gewesen wären, an uns vorbei gegangen sind. Die Stadt Maintal sollte es jedoch nicht versäumen, sich Einblick in diese Akten zu verschaffen.

 

Nach unserem Wissenstand dürfte der größte Teil des Chemiemülls verschwunden bleiben, was kein Wunder ist, angesichts der Tatsache, dass es sich hauptsächlich um flüssige Substanzen handelte, die nach dem Ablassen sofort im Boden versickern konnten.

 

Die Liste des LKA enthielt eine ganze Reihe umweltschädlicher, zum Teil hochtoxischer Stoffe, von denen eine größere Anzahl in Fässern entsorgt wurde. In welchem Umfang diese Liste vollständig ist, wissen wir nicht. Es ist aber zu bezweifeln, dass ein Unternehmer wie Plaumann alle seine Geschäfte über die Bücher laufen ließ, die Grundlage für die Erstellung der LKA-Liste waren. Da es sich bei den Abfällen in der Regel um schwer- bis nichtabbaubare Substanzen handelt, ist nicht auszuschließen, dass noch heute eine Gefährdung von ihnen ausgehen könnte; zumal ein Teil dieser Stoffe in Stahlfässern abgelagert wurde, deren Haltbarkeit sich unserer Kenntnis entzieht.

 

Ein Hauptproblem bestand für uns darin, die z.T. recht vagen Aussagen der Fahrer über Abladestellen, den heutigen Flächen zuzuordnen.

 

Obwohl es uns gelang, einen großen Teil der Ergebnisse der nach Bekanntwerden des Skandals genommenen Grundwasserproben zu bekommen, brachten uns diese kaum neue Erkenntnisse. Zum einen wurden in der Regel nur Standards gemessen, d.h., dass bei den Analysen darauf verzichtet wurde, die Proben auf die schon bekannten Verbindungen hin zu untersuchen. Eine Ausnahme hiervon bildet das Cyanid, das als giftigster Stoff in cyanidhaltigen Härtesalzen der Fa. Siemens im Gebiet der Mainaue gelagert worden sein soll. Die Untersuchungsergebnisse jedoch ließen, ähnlich wie für viele andere Stoffe, wie z.B. die meisten Schwermetalle, zu wünschen übrig. die Messgenauigkeit war zu gering und ergab oftmals Einheitswerte, die mit "kleiner als der geringste messbare Wert" bezeichnet waren. Diese untere Messgrenze reichte jedoch kaum aus, um Aussagen über das ökotoxische Verhalten der Stoffe zu ermöglichen [im Vergleich zu den Werten der holländischen Arbeit], sowie Ausbreitungstendenzen erkennen zu lassen.

 

Diese relativ geringe Messgenauigkeit dürfte auch dem damaligen Stand der Technik nicht entsprochen haben. Eventuell könnten Art und Umfang der Analysen auf die enormen Kosten zurückzuführen sein, die bei Untersuchungen komplexer organischer Substanzen entstehen. Dennoch haben wir den Versuch unternommen, die vorliegenden Untersuchungsergebnisse einzuordnen und mußten dabei alarmierende Belastungen des Grundwassers bzw. Kontamination des Bodens feststellen: 

  • Bei Altlast Nr. 1, Kippe Dörnigheim, Lagen die Werte für Cyanide, Phenol, Cadmium und Tetrachlorethen 

  • bei Altlast Nr. 3, Dörnigheim, Flur 5, an der B 8/40, Queck- silber und Phenol 

  • bei der Altlast Nr. 4, Dörnigheim, Flur 5, Kohlenwasserstoffe 

weit über der von den Niederländern als "sanierungsbedürftig" eingestuften Kategorie C. 

Eine Entscheidung über die Sanierung einzelner Altlasten ist nach unserem Kenntnisstand dringend geboten. Sie kann jedoch im Rahmen unseres Projektes nicht geleistet werden. 

 

Zu den Ergebnissen unserer Geländearbeit: 

 

Während wir zunächst davon ausgingen, dass die Wuchsschwierigkeiten in der Aufforstungsfläche Mainaue auf evtl. vorhandene Schadstoffe im Boden zurückzuführen seien, kamen wir im Laufe unserer Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass die Ausfälle in erster Linie auf physikalische Faktoren, wie durch Bodenverdichtung bedingte Staunässe, hervorgerufen durch nicht sachgemäß ausgeführte Rekultivierungsarbeiten, beruhen. 

 

Beeinflussungen durch Chemikalien ließen sich mit unseren Möglichkeiten [zeitlich, personell und vor allem finanziell] weder nachweisen noch ausschließen. Sie sind jedoch aufgrund der geringen Wurzeltiefe der noch jungen Pflanzen eher unwahrscheinlich. 

 

Empfehlungen an die Stadt: 

 

1. Die Entwicklung eines kontinuierlichen Messprogrammes zur Schadstoffkontrolle als Bestandteil eines Umweltschutzplanes. Dabei ist für die von uns behandelte Problematik folgendes von Wichtigkeit: 

 

a) Die Erstellung eines hydrologischen Gutachtens über den ggf. durch die Rekultivierung veränderten Grundwasserf1uß. Dies wäre nach eigenen Angaben auch für die mit den Anpflanzungen betreute Forstbehörde wichtig.

 

b) Eine Überprüfung der alten Grundwasserbrunnen, entlang der B 8/40, sowie die in Dörnigheim, Flur 19, die von uns nicht mehr gefunden werden konnten. Ergeben sich aus den hydrologischen Gutachten neue Erkenntnisse über den Grundwasserfluss, so ist die Einrichtung neuer Brunnen zu erwägen, auch in den Grundwassereinzugsgebieten in den Bereichen der Altlasten in den Fluren Hochstadt 3 und 30. 

Es ist zu prüfen, ob in den Kleingartengebieten in Dörnigheim, Flur 2 und 19, sowie in den Hausgärten des Baugebietes an der Wingertstraße, Dörnigheim, Fluren 26 und 27, Grundwasserbrunnen existieren. Ist dies der Fall, so sind gezielte Untersuchungen auf die betreffenden Stoffe zu betreiben. 

 

c) bei den Wasseranalysen ist darauf zu achten, dass die mit der Analyse betraute Stelle keine willkürlichen Breitbandmessungen vornimmt, sondern gezielt auf bestimmte Stoffgruppen untersucht [siehe auch Arbeit]. 

 

d) die Messungen sollten kontinuierlich und langfristig durchgeführt werden. Durch verrostende Fässer könnte es auch nach Jahren geringer Belastung zu akuten, gesundheitsgefährdenden Spitzenbelastungen kommen. 

Wie umfangreich ein solches Messprogramm sein kann, angesichts der kaum abzuwägenden Risiken auf der einen Seite und den Kosten auf der anderen, bleibt letztlich eine politische Entscheidung, die ein hohes Maß an Verantwortlichkeit beinhaltet. 

 

2. Zusätzlich zu den chemischen Analysen des Grundwassers sollten Proben von allen offenen Wasserflächen in dem betreffenden Gebiet genommen werden. Darüber hinaus sollten in Zusammenarbeit mit den Angelvereinen die in den Gewässern gefangenen Fische regelmäßig auf Rückstände untersucht werden. Das Baden in den Seen ist wegen der nicht auszuschließenden Gefahr der akuten "Schadstofffreisetzung strikt zu untersagen. 

 

3. Eine Bebauung des Gebietes sollte unterbleiben. Sollte sich ein Angraben von verfüllten Gruben nicht vermeiden lassen, so sind vor allem auch Untersuchungen im Hinblick auf chemische Verunreinigungen des Untergrundes nötig. Inwieweit dies beim Bau der Schule für Kälte- und Klimatechnik, die auch auf dem Gelände einer ehemals verfüllten Grube steht, im Hinblick auf gesunde Arbeitsbedingungen berücksichtigt wurde, bleibt fraglich. 

 

Untersuchungen zur Statik auf dem verfüllten Gelände sind ohnehin unerlässlich. Die Verfüllung des Abbaugebietes Mainaue ging offensichtlich völlig planlos vor sich, so dass sich die Bedingungen auch kleinräumig schnell verändern können. Aktuelles Beispiel ist ein einsturzgefährdetes Hochhaus in der Schillerstraße in Bischofsheim. Auch dieses wurde auf einem Gelände gebaut, das auf alten Karten als Sumpfgebiet ausgewiesen ist und das nach Kriegsende mit Trümmerschutt aus Frankfurt verfüllt wurde. Ein Beispiel dafür, dass sorgfältige Voruntersuchungen nicht nur viel Geld kosten.

 

4. Bei den Aufforstungen in der Mainaue sollte auf das Ziel einer flächendeckenden Bestockung verzichtet werden. Angesichts des völlig heterogenen Grundes muss man sich damit abfinden, dass Teilflächen bei der Rekultivierung so verdorben wurden, dass weitere Pflanzungen nur Geldverschwendung bedeuten würden. Diese Flächen sollten der Sukzession überlassen werden, was u.U. auch dem Landschaftsbild zugute käme. 

 

Neben den bisher genannten Maßnahmen müssen gleichzeitig weitere Anstrengungen unternommen werden, um mehr Informationen über eventuelle Altlasten zu bekommen, unter anderem müsste 

 

5. der Frage nachgegangen werden, inwieweit Filterstaub in der Schlacke aus der MVA/FFm. enthalten war, die beim Sportplatzbau in Bischofsheim, Flur 23~ und der Verfüllung einer Kiesgrube in Flur 16 verwendet worden ist. Das hohe Gefährdungspotential, das von solchem Material ausgehen könnte, ist bereits weiter vorn beschrieben worden. 

 

6. Die Akten über "Ablagerungen" und "Kippen" [Teile der Akten zum Plaumann-Prozeß] müssten bei der Staatsanwaltschaft Hanau eingesehen und ausgewertet werden. 

 

7. Ebenso wären die Unterlagen der Unteren Wasserbehörde und des Wasserwirtschaftsamtes auf Hinweise über Auskiesungsdaten [Zeiträume, Abbautiefen u.a.], Verfüllungen und illegale Ablagerungen durchzuarbeiten. Der Projektgruppe wurde der Zugang zu diesen - ebenfalls zentralen - Unterlagen verwehrt. 

 

8. Nicht zuletzt können wichtige Informationen im persönlichen Gespräch gewonnen werden. Vor allem ehemalige Mitarbeiter der Gemeindeverwaltungen können sicherlich noch wichtige Hinweise auf die Vorgänge von damals liefern. Darüber hinaus wäre eine Miteinbeziehung der Öffentlichkeit - z.B. mittels Lokalanzeiger - zur Gewinnung weiterer Erkenntnisse dienlich.

 

 

Eingeleitete Maßnahmen und weiteres Vorgehen 

 

Mit dem Bericht der Projektgruppe von der Gesamthochschule Kassel steht der Stadt Maintal erstmals ein Überblick über die vorhandenen Altablagerungen zur Verfügung. Wie in der Einleitung zu dieser Studie bereits dargelegt, erhebt sie jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es geht aus der Studie hervor, dass der Kenntnisstand über die einzelnen Altablagerungen in Maintal sowohl in qualitativer wie in quantitativer Hinsicht sehr unterschiedlich ist. Eine wesentliche Aufgabe wird deshalb darin bestehen, die Erfassung der Altablagerungen und das Zusammentragen von vorhandenen Informationen u.a. anhand der Quellenanregungen der Projektgruppe sukzessive weiter voranzutreiben. 

 

Auf Grundlage der Voruntersuchungsergebnisse der Gesamthochschule Kassel ist es möglich geworden, Maßnahmen für verlässliche Gefährdungsabschätzungen der Altablagerungen vorzubereiten. 

 

Die Vielzahl der im Untersuchungsbericht beschriebenen Altablagerungen machten zunächst die Festlegung von Prioritäten anhand der bislang bekannten Gefährdungspotentiale notwendig. Bei der Festlegung der Prioritäten stehen als Kriterien die Gefährlichkeit der abgelagerten Abfallstoffe sowie die Nutzung des Geländes im Vordergrund. Von der Verwaltung wurden die erfassten Altablagerungen dementsprechend in 3 Prioritäten eingestuft: 

 

1. Priorität: Altablagerungen von Abfallstoffen der Kategorien II und III mit bestehender bzw. geplanter Bebauung [Gefährdung durch private Grundwasserentnahme und Gasentwicklung durch Kontamination von Boden und Vegetation, sowie für Sach- und Kulturgüter].
2. Priorität: Altablagerungen von Abfallstoffen der Kategorien II und III ohne bestehende bzw. geplante Bebauung [Gefährdung durch Kontamination von Boden, Grundwasser und Vegetation]. Altablagerungen von Abfallstoffen der Kategorie I mit bestehender bzw. geplanter Bebauung [Gefährdung durch private Grundwasserentnahme, sowie für Sach- und Kulturgüter].
3. Priorität: Altablagerungen von Abfallstoffen der Kategorie I ohne bestehende bzw. geplante Bebauung [Gefährdung durch Kontamination von Boden, Grundwasser und Vegetation].

 

Entsprechend dieser Prioritätenliste werden nunmehr alle verfügbaren Daten über die betreffende Altablagerung detailliert zusammengefasst. Die Daten werden in die Katasterblätter der Hessischen Landesanstalt für Umwelt übertragen und den zuständigen Verwaltungsbehörden übermittelt, soweit diese sie im Rahmen der ihnen obliegenden Gefahrenabwehr benötigen. 

 

Die Eintragung in die Katasterblätter der HLfU bildet die zukünftige Entscheidungsgrundlage für die Einordnung der Altablagerungen in die Prioritäten I bis III nach den vorläufigen Richtlinien über die Finanzierung und Untersuchung von Altablagerungen des Regierungspräsidenten Darmstadt. Mit dem von der HLfU geprüften Katasterauszug ist es möglich, Zuwendungsanträge für orientierende Untersuchungen an den Regierungspräsidenten Darmstadt zu richten. 

 

Die Ausführung orientierender Untersuchungen richtet sich nach dem entsprechenden Handbuch der HLfU. Auch die Bewertung der Untersuchungsergebnisse erfolgt durch die HLfU. Erst auf Grundlage dieser Bewertung und evtl. weiterer Untersuchungen können konkrete Entscheidungen der zuständigen Behörden hinsichtlich der weiteren Nutzung eines Geländes und evtl. notwendiger Sanierungsmaßnahmen getroffen werden. 

 

Nach Zustellung des Ergebnisberichtes der Voruntersuchung der Gesamthochschule Kassel an die Stadt Maintal im Oktober 1986 wurden 3 Altablagerungen seitens oder Verwaltung als besonders vordringlich [Priorität 1] für die Stadt Maintal eingestuft. Es handelt sich hierbei um 

  • die ehemalige Hausmüllkippe mit Abfällen der Kategorien II und III im Gewerbegebiet Dörnigheim Ost, welche zudem teilweise schon bebaut ist, 

  • die ehemaligen Kiesgruben zwischen der Eisenbahnstrecke und der B 8/40, westlich Am Kreuzstein, welche zu großen Teilen heute vom Kleingartenverein Riederwald genutzt werden und vermutlich ebenfalls Abfälle der Kategorien II und III enthalten, sowie 

  • die ehemaligen Kiesgruben nördlich der Eisenbahnlinie und östlich der Bruno-Dressler-Straße, welche zum geringen Teil bebaut, zu weiteren Teilen aber für eine Bebauung vorgesehen sind und ebenfalls u.U. Abfälle der Kategorien II und III enthalten. 

Bezüglich der erstgenannten Altablagerung konnte nach Zusendung und Ergänzung des Ergebnisberichtes der Projektgruppe an die HLfU im Oktober 1986 das fertige Katasterblatt im Dezember 1986 der Stadt Maintal übergeben werden. Auf Grundlage der im Bericht der GH-Kassel zusammengetragenen Information sowie nach der Änderung des Kriterienkataloges für die Einordnung der Altablagerungen im Lande Hessen in die Prioritätenstufen der HLfU war es möglich, diese Altablagerung nunmehr in die Prioritätenstufe I der HLfU aufzunehmen und damit den Weg für eine kurzfristige Untersuchung freizumachen. Noch im Dezember 1986 wurde von der Stadt Maintal ein Zuwendungsantrag an den Regierungspräsidenten in Darmstadt gerichtet, welcher im Februar 1987 positiv beschieden und der Stadt Maintal eine Zuwendung in Höhe von 30.000',00 DM für Grundwasser- und Bodengasproben gewährt wurde. Unmittelbar danach wurden Angebote von Ingenieurbüros für die Durchführung der Untersuchungen eingeholt und der Auftrag konnte im Mai 1987 vergeben werden. Zur Jahrewende 1987/88 ist nach den derzeitigen Vorstellungen mit dem Ergebnisbericht zu rechnen.

 

Zu den übrigen besonders dringlichen Altablagerungen wurde vom zuständigen Amt insgesamt 13 verschiedene Katasterblätter ausgearbeitet, welche im Dezember 1986 sowie im Februar 1987 der HLfU zur Überprüfung zugesandt wurden. sobald hierfür die notwendigen Katasterblätter fertiggestellt sind, wird sich die Stadt Maintal ebenfalls um weitergehende Untersuchungen bemühen.

 

 

Wer sich für das Verfahren der Deponiesanierung interessiert findet HIER gute Informationen.

 

Siehe auch

Altlasten in Maintal

Hintergrund Der Fall Plaumann

Das Thema ist politisch abgeschlossen